2014-11-13T11:03:51+0000
# Wie denken die Versicherer? Matthew Whittall war beim Treffen der Versicherungswirtschaft in Köln ein gefragter Mann. Denn der frühere Leiter des Nordeuropa-Geschäftes von Innovation Group kennt wie kein Zweiter das Schadengeschäft der Kfz-Versicherer und vor allem: er weiß, wie man Schäden effektiv steuert. Der heutige Geschäftsführer der Claim Bees GmbH thematisierte beim BusinessForum die Schadensteuerung im Unfallreparaturmarkt. „Heute werden nur zehn Prozent der Kasko-Schäden und nur vier Prozent der Haftpflichtschäden gesteuert. Obwohl Sie mit der Schadensteuerung richtig viel Geld sparen können.“ Er rechnete den Versicherern vor: „An einem gesteuerten Kasko-Schaden können Sie bis zu 330 Euro sparen. Die Einsparung bei Kraftfahrt-Haftpflicht liegt bei bis zu rund 700 Euro.“ ## „Sie können aus den Werkstätten noch den letzten Cent rausholen. Besser ist: Sie steuern einfach mehr Volumen.“ Mit dem Thema traf Matthew Whittall natürlich ins Schwarze. Doch seine Empfehlung lautete eben nicht einfach nur das Preisdumping über die Reduzierung der Stundenverrechnungsätze fortzuführen. „Schadensteuerung lohnt sich richtig, wenn Sie mehr Volumen steuern und nicht noch den letzten Cent aus den Werkstätten rausholen. Viel mehr geht hier ohnehin nicht!“ Er fragte die Schaden-Chefs: „Warum steigern Sie nicht Ihre Schadensteuerungsquote?“ Hier liegt seiner Ansicht nach die Chance für deutliche Kosteneinsparung. Wie die Versicherer das Thema generell einschätzen, zeigt eine Umfrage, die Matthew Whittall zitierte: Demnach meinen 46 Prozent der Entscheider bei den Assekuranzen, dass die Rolle des aktiven Werkstattmanagements in Zukunft wichtiger sein wird als früher. 46 Prozent sehen das Thema für ihre Versicherungsgesellschaft als gleichwichtig. Nur acht Prozent meinen, dass die Schadensteuerung weniger wichtig wird. Das bedeutet für die Werkstätten: die Anzahl der gesteuerten Schäden wird wachsen, der Druck in den Netzen sehr wahrscheinlich auch.
## „Wir brauchen ein kooperatives Schadenmanagement!“ Auch Robert Paintinger, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Partnerwerkstätten, hatte in Köln klare Botschaften im Gepäck: Kooperation im Schadenmanagement, faire Stundenverrechnungssätze und Prozessoptimierung durch QualiCar. „Die Werkstatt ist der Ort an dem sich entscheidet, ob Ihr Kunde ein positives Bild der Schadensteuerung hat. Wenn wir es nicht haben, wird auch der Autofahrer eine negative Einstellung haben. Der Privatkunde entscheidet eben, ob er sich steuern lässt oder nicht.“ Robert Paintinger unterstrich, dass die Rolle der Partnerwerkstätten extrem wichtig ist, um eine hohe Kundenzufriedenheit zu erzielen. Bei den Statements der Versicherer hatte man nicht immer den Eindruck, dass dies wirklich bewusst ist. Hier standen oft die eigenen Prozesse mehr im Mittelpunkt, als das Einlösen des Kfz-Versicherungsschutzes – nämlich die Schadenregulierung- und -reparatur durch die Fachwerkstatt. Die wirtschaftliche Situation der Betriebe beschrieb er als dramatisch: „Die Betriebskosten fressen die Ergebnisse auf, weil die Stundensätze zu niedrig sind. Die Unzufriedenheit unter den Partnerwerkstätten wächst. Denn die überwiegende Zahl der Betriebe verdient mit ihrer handwerklichen Leistung kein Geld mehr oder zahlt drauf.“ Diese Lage sei unhaltbar, da aufgrund technischer Herausforderungen durch vernetzte Fahrzeugelektronik, neue Fügetechniken und Werkstoffe oder die Kalibrierung von Fahrerassistenzsystemen alle Betriebe in Zukunft stark investieren müssten. Die Investitionskraft der Betriebe sei aber jetzt ernsthaft bedroht. Sein Fazit: „In der Schadensteuerung müssen die wirtschaftlichen Interessen aller Beteiligten angemessen berücksichtigt werden.“ ## Im Wettbewerb zur Automobilindustrie: Kommt das Mechanik-Netz der Versicherer? Die Versicherer diskutierten auch den Einstieg ins Service- und Wartungsgeschäft. Gerade vor dem Hintergrund, dass immer mehr Automobilhersteller ins Versicherungsgeschäft einsteigen. „Wir erleben einen wachsenden Wettbewerbskampf zwischen Automobilherstellern und Versicherungswirtschaft. Die Dynamik geht jetzt erst richtig los, wenn die HUK-Coburg ins Wartungsgeschäft einsteigt“, brachte es ein Teilnehmer auf den Punkt.
Doch was bringt ein „Mechanik-Netz“ für die Partnerwerkstätten? Dafür spricht: viele Betrieb verfügen bereits über eine entsprechende Ausrüstung oder könnten sich hier ein neues Geschäftsfeld erschließen. Dagegen steht der immense Aufwand für Versicherer ein entsprechendes Netz aufzubauen, der hohe Investitionsaufwand für Werkstätten und vor allem: Keine Klarheit, ob sich die Investitionen tatsächlich rechnen. Der BVdP hat dazu eine Umfrage unter den Partnerwerkstätten durchgeführt, darin bekundeten mehr als 35 Prozent der befragten Betriebe Zustimmung. 30 Prozent sagten nein. Über 25 Prozent waren unentschieden. In Köln wurde auch am Rande der Tagung viel über das Thema gesprochen. Zu spüren war: Weitere Konzepte scheint es – außer bei der HUK-COBURG – bisher nicht zu geben. ## „Sorgen Sie dafür, dass die freien Werkstätten weiterhin Ihr Partner bleiben!“ Für eine Berücksichtigung aller Reparaturkosten trat der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) ein. „Streichungen aus Kalkulation und Rechnung berechtigter Werkstattleistungen wie Probefahrten, die zweite Kartusche Kleber, notwendige Kalibrierungen oder auch die Beilackierung sind nicht hinnehmbar“, erklärte Dr. Klaus Weichtmann. Belastend für die Betriebe seien auch die zahllosen Rechtsstreitigkeiten vor Gericht, in denen Betriebsinhaber als Zeugen aussagen müssten. „Vor allem wenn es darum geht, die Kosten für die fiktive Abrechnung der Versicherer zu senken.“ Der Wettbewerb im Unfallschadenmarkt zwischen Konzepten der Automobilindustrie und der Versicherungswirtschaft wird auch nach Ansicht von Dr. Klaus Weichtmann zunehmen. „Die Situation für die freien Werkstätten wird schwieriger. Zwar ist die Verfügbarkeit von Herstellerinformationen für die Fachreparatur rechtlich geregelt, dennoch stehen die Mehrmarkenbetriebe in der Praxis oft vor Problemen.“ Er lenkte die Aufmerksamkeit auch auf die Kosten: „Wer bezahlt den Zugang zur Datenwelt der Reparaturinformationen der Hersteller?“, lautete die rhetorische Frage vom Hauptgeschäftsführer. Dr. Klaus Weichtmann sieht in Zukunft drei verschiedene Werkstatttypen auf dem Markt: 1. die Komplettanbieter mit Karosserie, Lack, Mechanik und Elektronik, 2. Karosserie-Fachbetriebe mit Autohäusern als Kooperationspartner, entweder als Kunde und als Dienstleister für Elektronik sowie 3. den Spezial-Betrieb, zum Beispiel für Smart-Repair. Grundsätzlich sei aber schon jetzt der Trend zu erkennen, dass der Mechatroniker auch im K&L-Betrieb immer wichtiger wird.
## Bedeutung der Werkstattportale im Internet wächst Werkstattportale wie Fairgarage oder auch Schadenladen werden nach Ansicht von Dr. Klaus Weichtmann künfitg an Stellenwert gewinnen. „Für die Unfallschadenreparatur sind die Portale aber nur eingeschränkt nutzbar“, erklärte der Hauptgeschäftsführer. „Die Webplattformen sind aus Werkstattsicht wegen der Prognoseunsicherheit problematisch.“ Auch sieht der Zentralverband die Gefahr des Preisdumpings. „Ob die Werkstätten tatsächlich Aufträge erhalten, ist auch deshalb fraglich, weil Versicherer die Portale als Mittel zur Kostenreduzierung bei der fiktiven Abrechnung nutzen könnten.“ ## Schadenladen.de will günstige Konditionen für fiktive Abrechnung erreichen Mit an Bord des Business Forums war auch das Werkstattportal Schadenladen. Im K&L-Markt sehr umstritten, buhlte Geschäftsführer Olaf Jungfer in Köln um die Schaden-Chefs der Versicherer. Hintergrund: Auf dem Portal können Privatkunden ihre Schäden einstellen, auf die dann Werkstätten bieten. Das günstigste Angebot gewinnt. „Wir wollen nun verstärkt Versicherer, aber auch Schadensteuerer wie Innovation Group oder Eurogarant ansprechen, um sie für unser Konzept zu begeistern“, erklärte Olaf Junger gegenüber colornews.de. „Schadenladen bietet eine ideale Plattform für Haftpflichtschäden.“ Damit zielt das Portal vor allem auf die fiktive Abrechnung. „Wenn ein Geschädigter fiktiv abrechnen will, schickt er das Gutachten zur Versicherung. Diese hat bisher nur geprüft und dann gezahlt. Mit Schadenladen hat der Versicherer nun die Möglichkeit, das Gutachten bei uns einzustellen, darauf bieten zu lassen.“ ## Reparieren K&L-Betriebe die Schäden aus dem Netz überhaupt? Ob die Werkstatt, die im Netz auf den Schaden geboten hat, den Unfallschaden auch tatsächlich repariert, ist fraglich. Olaf Junghans betonte zwar, dass der Geschädigte, der fiktiv abrechnen will, auch das Angebot der Werkstatt erhält.
Er nennt aber auch Zahlen, die eher darauf hindeuten, dass die Werkstätten zurzeit kaum profitieren. „20 Prozent der gewerblichen Schäden, zu denen auch die Versicherer mit der fiktiven Abrechnung zählen, werden repariert“, erklärte der Geschäftsführer von Schadenladen. „Bei Flotten- und Leasingschäden sind es nahezu 100 Prozent. Von den privat eingestellten Schäden wird jeder zweite Schaden tatsächlich instandgesetzt.“ ## Nur jeden dritten Schaden stellen Privatkunden ein, nur 250 Schadenreparaturen im Monat! Aktuell sind 1.500 Werkstätten bei Schadenladen registriert. Darunter nach Angaben von Olaf Jungfer „650 Qualitätsreparaturbetriebe, die sich auch im Netz der Innovation Group und von Eurogarant befinden.“ Im Monat werden auf Schadenladen.de rund 1.500 Unfallschäden hochgeladen und in den Bieterwettbewerb geschickt. Zwei Drittel davon sind gewerbliche Schäden, also von Versicherern, Leasinggesellschaften oder Flotten. Nur ein Drittel sind Lackschäden, Kratzer oder Beulen von privaten Autofahrern, von denen nur jeder zweite Schaden tatsächlich repariert wird. Nach Adam Riese sind das 250 Schäden im Monat oder 3.000 Schäden im Jahr. Zurzeit arbeiten sechs Versicherer mit Schadenladen zusammen. Ein Testfeld läuft mit dem Autovermieter Sixt. ## Fazit: Was bringt die Zukunft? Einig waren sich in Köln nahezu alle Versicherer, dass die Schadensteuerung - egal ob im Kasko- oder Haftpflicht-Bereich - zunehmen wird. Darauf müssen sich die Werkstätten einstellen. Der Wettbewerb zwischen Automobilindustrie und Versicherungswirtschaft wird schärfer, auch diesen Trend sehen die Versicherer. Das bedeutet für die freien K&L-Betriebe: Die Kundengruppe der Autohäuser kann schon bald stärker zum Wettbewerber der Mehrmarkenwerkstatt werden. Rüdiger Burg, Direktor und Leiter Sach/HUK-Schaden bei der DEVK: „Wir möchten in Zukunft keine Autos bauen, die Hersteller sollten deshalb in Zukunft auch keine Versicherungen vertreiben.“