2025-05-14T09:48:04+0000

Web-TV: „Digitalisierung kostet Geld, aber sie bringt – richtig umgesetzt – deutlich mehr Geld ein“

Die Digitalisierung ist seit vielen Jahren ein Dauerbrenner-Thema der K&L-Branche. Fakt ist: Richtig um- und eingesetzt sorgen digitale Prozesse für Entlastung – vor allem im administrativen Bereich. Gleichzeitig sorgen fehlende Schnittstellen und Doppeleingaben immer wieder für Frust und Mehrarbeit. In der aktuellen Web-TV-Sendung, die seit dem 8. Mai abrufbar ist, diskutiert Chefredakteur Christian Simmert deshalb mit Vertretern der führenden Anbieter von IT-Lösungen über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen. Wo hakt es in der Digitalisierung und welche Rolle wird Künstliche Intelligenz in Zukunft spielen? Antworten auf diese Fragen lieferten Önder Aslan (Geschäftsführer FIASCO), Arben Ndue (Business Developement Manager bei Solera Audatex AutoOnline), Dennis Koblowsky (Geschäftsführer WERBAS//KSR) und Stephan Helbig (Geschäftsführer PlanSo). Betriebsinhaber Marco Böge (Böge GmbH) lieferte zudem den Blick aus der Praxis und zeigte auf, wo die Herausforderungen aus Werkstattsicht liegen. ## Werkstätten offen für Digitalisierung, aber Probleme oft schon an der Basis Einigkeit herrschte unter den Teilnehmern zu Beginn der Sendung darüber, dass die Offenheit für digitale Lösungen in den Werkstätten deutlich gestiegen ist. Önder Aslan zeigte sich überzeugt: „Die Branche öffnet sich sowohl in den operativen Prozessen als auch im administrativen Bereich.“ Dennoch verlaufe die Entwicklung nicht einheitlich innerhalb der Branche – die Schere zwischen komplett digitalisierten Betrieben und jenen, die erst am Anfang stehen, ist weiterhin groß. Die Gründe dafür sind vielseitig. Die erste und zugleich oftmals größte Hürde: eine funktionierende Infrastruktur. Das bestätigten auch die Ergebnisse der schaden.news-Umfrage im Vorfeld der Sendung. Auf die Frage „Woran hakt es im Moment“ gaben viele der Befragten an, dass eine schlechte Internetan- und -verbindung die Hauptursache sei. Dennis Koblowsky konkretisierte: „Wenn hinten in der Werkstatt kein WLAN ist oder zu schwache Tablets eingesetzt werden, entstehen Frust und Ablehnung.“ Betriebsinhaber Marco Böge kennt die Problematik. Er betonte zudem, dass die Mitarbeitenden einen Mehrwert erkennen müssen, um Prozesse zu digitalisieren: „Der Kollege muss verstehen, warum ein Tablet besser ist als die alte Auftragsmappe. Wie können wir über ein Tablet anders oder besser kommunizieren? Welche Informationen fließen vom Tablet zurück ins Büro?“ Mehrfach betonten die Software-Experten im Rahmen der Sendung, dass bei der Einführung neuer digitaler Prozesse Geduld erforderlich sei. Effizienzverluste zu Beginn müssten akzeptiert werden, um später nachhaltig von den Vorteilen zu profitieren. ## Schadensteuerung und Generationswechsel als Digitalisierungstreiber? In der Diskussion über die Treiber der Digitalisierung zeigten sich die Talkgäste überzeugt, dass Betriebe, die in der Schadensteuerung aktiv sind, in der Regel einen höheren Digitalisierungsgrad aufweisen. Für Önder Aslan ist zudem die Betriebsgröße
ein entscheidender Faktor. Dennis Koblowsky, dessen Team nach der Fusion von Werbas und KSR aktuell rund 4.500 Werkstätten betreut, sieht hingegen den Generationswechsel als Motor des Wandels: Junge Betriebsinhaber seien deutlich offener gegenüber digitalen Lösungen und trieben die Modernisierung aktiv voran. ## Schnittstellenprobleme bleiben große Herausforderung und Hürde Klar wurde auch: Ein wesentliches Hindernis auf dem Weg zur vollständigen Digitalisierung bleibt die Großzahl unterschiedlicher Systeme und damit einhergehend fehlende Schnittstellen zwischen den Programmen. Betriebsinhaber Marco Böge brachte es auf den Punkt: „Unser Hauptproblem ist: Jeder hätte es gerne anders und jeder geht einen anderen Weg.“ Und so komme es auch heute noch zu zeitaufwendigen Doppeleingaben und einem Mehraufwand in den Betrieben. Wie groß der Aufwand der Schnittstellenpflege tatsächlich ist, erklärte Dennis Koblowsky: Demnach pflege WERBAS//KSR insgesamt über 300 Schnittstellen. In diesem Zusammenhang formulierte der Geschäftsführer einen persönlichen Wunsch: „Ich würde mir wünschen, dass sich zum Beispiel die Versicherungswirtschaft mal auf eine einheitliche Schnittstellen-Definition einigt. Bei uns würde viel Arbeit wegfallen und wir müssten nicht auf jedes Ersatzteil und Versicherungsportal oder Schadensteuerungsportal einzeln zugreifen.“ Auch für den Software-Dienstleister PlanSo sind Schnittstellen elementar, wie Geschäftsführer Stephan Helbig erläutert: „Wir bezeichnen PlanSo als Betriebssystem, weil wir versuchen, alle Marktteilnehmer in einer Lösung zusammen zu bündeln und dann über die Schnittstelle dafür zu sorgen, dass man diese Doppeleingabe eben nicht mehr hat.“ Gleichzeitig betonte Arben Ndue von Audatex AUTOonline, dass die Schaffung von Schnittstellen zeitaufwendig ist. Er appellierte deshalb: „Da muss man auch Verständnis aufbringen, dass es halt seine Zeit braucht, bis die Prozesse da sind, bis die Schnittstellen geschaffen sind und bis dann der digitale Prozess für diese eine Werkstatt auch wirklich so funktioniert, wie diese es gerne hätte.“ ## Experten versichern: Digitalisierung lohnt sich Doch gerade diese fragmentierten Prozesse stellen oftmals eine hohe Einstiegshürde für kleinere oder noch wenig digitalisierte Betriebe dar. Dennoch sind alle Talkteilnehmer überzeugt: Der Aufwand lohnt sich, denn digitale Prozesse schaffen einen deutlichen Mehrwert für die Betriebe – nicht nur prozessual, sondern auch monetär. So unterstrich Dennis Koblowsky: „Digitalisierung kostet Geld, aber sie bringt deutlich mehr ein, wenn sie richtig umgesetzt wird.“ Zudem erhöhen digitale Arbeitsabläufe die Arbeitgeberattraktivität der Werkstatt, wie Arben Ndue betonte. ## KI wird unterstützen und entlasten, aber keine Fachkräfte ersetzen Ebenfalls einig waren sich die Experten darüber, dass Künstliche Intelligenz – kurz KI – in der Werkstattpraxis erhebliche Unterstützung leisten kann. Es verwundert also nicht, dass alle in der Sendung vertretenen Dienstleister bereits seit mehreren Jahren daran arbeiten, KI in ihre Tools zu integrieren. Vor allem in der Schadenkalkulation sei die KI heute schon sehr gut einsetzbar, betonte FIASCO-Gründer Önder Aslan. Die Genauigkeit der Bildanalyse und die damit verbundene Schadenkalkulation über FIASCO liegt laut
dem Geschäftsführer aktuell bei 95 Prozent, Tendenz steigend: „Wenn der Schaden auf den Bildern gut sichtbar ist, treffen wir mit enorm hoher Qualität und enorm hoher Sicherheit auch die Kalkulation.“ Dennoch bleibe die Kontrolle durch die Fachkraft auch künftig nicht aus. Dennis Koblowsky betonte insbesondere die Potenziale in der Werkstattplanung, bei der Kommunikation mit mehrsprachigen Mitarbeitern und Kunden sowie in der Rechnungsprüfung. Stephan Helbig sieht Einsatzmöglichkeiten vor allem in der Kundenkommunikation. Mit der sogenannten PlanSi arbeitet PlanSo aktuell an einer KI, die künftig im Schadenfall mit Autofahrern telefonieren, einen Abschleppdienst rufen oder einen Termin in der nahegelegenen Werkstatt vereinbaren können soll. Wie PlanSi konkret funktioniert, zeigte Moderator Christian Simmert in einem Einspieler, der im Vorfeld der Sendung aufgezeichnet wurde. Trotz des großen Potenzials Künstlicher Intelligenz ließen alle Diskussionsteilnehmer keinen Zweifel daran, dass der Mensch auch künftig im Zentrum aller Aktivitäten stehen wird. Marco Böge brachte es auf den Punkt: „Handwerk bleibt Handwerk. Eine KI wird kein Seitenteil instand setzen.“ ## Fazit: „Abwarten und in die Ferne schauen ist der falsche Weg“ Am Ende der Diskussion wurde deutlich: Digitalisierung ist für Werkstätten längst keine Kür mehr, sondern zwingend notwendig, um Arbeitskräfte zu entlasten und freie Ressourcen zu schaffen. „Abwarten und in die Ferne schauen ist der falsche Weg“, resümierte Betriebsinhaber Marco Böge folgerichtig. Klar ist aber auch: Gleichwohl die Digitalisierung in der Branche seit vielen Jahren vorangetrieben wird, gibt es immer noch viel zu tun – sowohl entwicklungsseitig als auch auf Seiten der Anwender. Ob Schnittstellen, die Integration neuer Funktionen oder der Einsatz künstlicher Intelligenz – digitale Prozesse entwickeln sich mit der Zeit laufend weiter. Die Digitalisierungsexperten wünschten sich deshalb zum Abschluss Offenheit gegenüber digitalen Tools und mehr Geduld, diese umfassend im Werkstattalltag zu testen.
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