2025-06-25T09:46:07+0000

Auf Spurensuche im Lack: Astrid Luering leistet Detektivarbeit

Manchmal reichen selbst kleinste Veränderungen in der Luft – und die Lackierung zeigt plötzlich vermeintlich unerklärliche Lackfehler auf. Wo andere nur ein optisches Problem sehen, beginnt für Astrid Luering die akribische Spurensuche. Wie eine Ermittlerin rekonstruiert sie in solchen Fällen die Kette der Ursachen, stellt präzise Fragen, schließt Möglichkeiten aus, zieht Fachwissen heran. „Teilweise führe ich stundenlange Telefonate, um das Problem und die Ursache herauszufinden“, erzählt sie. In der Welt der Autoreparaturlackierung ist Astrid Luering so etwas wie eine forensische Spezialistin: Sie seziert Lackfehler mit analytischem Blick, denkt interdisziplinär – und bringt Licht in knifflige Fälle, bei denen selbst erfahrene Anwendungstechniker nicht mehr weiterwissen. ## 30 Jahre Leidenschaft für Lack Seit über drei Jahrzehnten ist Astrid Luering beim Lackhersteller BASF tätig. Ihre Karriere begann als Lacklaborantin. Zehn Jahre lang war sie im Bereich Pulverlacke beschäftigt, wo sie sich ein solides technisches Fundament verschaffte, das ihr heute täglich im Berufsleben zugutekommt – erzählt sie im Gespräch mit schaden.news. Sie weiß, wie die Lacke chemisch zusammengesetzt sind, wie man sie prüft, was sie aushalten – und woran der Lackaufbau scheitern kann. 2006 wechselte die heute 50-Jährige in die Autoreparaturlackierung – einen Bereich, in dem sich Analytik, Handwerk und Kundennähe vereinen. Dort ist sie heute als Customer and Sales Support das Bindeglied zwischen Labor und Kunden. Ihre Rolle: komplexe technische Zusammenhänge verständlich erklären, vermitteln, analysieren – und Probleme lösen. ## „Schon Aerosole in der Luft können die Lackierung beeinträchtigen“ Ein Beispiel, das ihre Arbeit veranschaulicht: Eine Werkstatt beklagte eine Oberflächenstörung, beschrieb diese als eine Art Blasenbildung im Decklack. „Klassische Fehlerursachen, wie beispielsweise hygroskopische Salze – also wasserziehende Substanzen –, die durch verunreinigte Reinigungsmittel oder eine mangelhafte Reinigung im Lackaufbau entstehen, konnten wir schnell ausschließen“, erinnert sich die Expertin. Und schließlich stellte Astrid Luering die entscheidende Frage: „Gibt es in Ihrer Nähe eine Waschstraße?“ Tatsächlich war dort kürzlich der Entschäumer gewechselt worden und die bei der Verwendung freigesetzten Aerosole hatten über die Frischluftzufuhr der Lackierkabine die Lackierung negativ beeinflusst und führten zu dem Fehlerbild, dass im Fachjargon Mikroschaum genannt wird. „Aerosole in der Luft, wie bei diesem Beispiel, reichen schon und können zu massiven sichtbaren Störungen in der Lackoberfläche führen“, weiß Astrid Luering aus ihrer jahrelangen Tätigkeit. ## Zertifizierte Sachverständige mit Tiefenblick Doch nicht nur die Kunden und Partner der BASF profitieren von dem Expertenwissen der 50-Jährigen. Seit Februar 2023 ist Astrid Luering nämlich auch die einzige zertifizierte
Sachverständige (Zertifizierung nach DIN EN ISO / ICE 17024 akkreditierte Zertifizierungsstelle der European Certification EUert CYF in Wales) bei BASF. Mit dieser Qualifikation darf sie auch Gutachten für Gerichte erstellen – zwei Mal kam sie in dieser Funktion bereits zum Einsatz. Gleichzeitig bringt sie ihr Wissen als Referentin im Zertifikatskurs „Certified Expert for Historic Cars“ ein. Dort erklärt sie den überwiegend männlichen Teilnehmern, wie man Lackierungen an Oldtimern überprüft, worauf zu achten ist und welche Prüfmethoden zum Einsatz kommen können. „Ich bin zwar selbst keine Lackiererin, aber ich weiß, wie man den Lack beziehungsweise Lackstörungen prüft – und das ist unheimlich wichtig zu wissen, um die Ursache zu finden.“ Drauf, drunter, durch – das ist ihr Prüf-Dreiklang, also Oberfläche, Untergrund, Schichtdickenverteilung. Mit geschultem Blick erkennt sie Schleifriefen, Krater, Kontakt- Korrosionen, baubedinge Enthaftungen – kleine Details, die oft den Schlüssel zur Ursache liefern. ## Neuanfang mit 50: Mut zur Teilselbstständigkeit Mit 50 Jahren wagt Astrid Luering nun einen weiteren Schritt: Mit Unterstützung ihres Arbeitgebers geht sie in die Teilselbstständigkeit, um sich verstärkt auf die Erstellung gerichtlicher Gutachten zu konzentrieren. Ein mutiger Schritt, getragen von Expertise, Erfahrung und Leidenschaft für ihr Fachgebiet. Längst ist sie für viele Werkstätten, Sachverständige und Oldtimerbesitzer zur gefragten Ansprechpartnerin geworden ist. Ihr Erfahrungsschatz ist enorm – ebenso wie ihre Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge verständlich und anschaulich zu erklären. Für sie ist jeder Fall eine Spurensuche, jede Analyse ein Stück Detektivarbeit. Mal liegt die Ursache am Kunststoff, mal an der Verarbeitung, mal an äußeren Einflüssen wie Luftfeuchtigkeit oder Temperatur. „Der glasfaserverstärkte Kunststoff wurde nicht richtig ‚durch‘-geharzt – auch das kann ein Grund sein, warum der Lack nicht hält“, erklärt sie fachkundig. Astrid Luering ist mehr als eine technische Expertin. Sie ist Spurensucherin, Übersetzerin zwischen Theorie und Praxis, und eine Pionierin in einem männerdominierten Fachgebiet. „Es geht nicht nur ums Draufschauen – man muss auch wissen, was drunter ist und wie man durchblickt.“ Das sagt sie nicht nur – sie lebt es. Jeden Tag.