2015-11-11T13:50:58+0000
# Versicherer drücken beim Schadenmanagement aufs Tempo Die Versicherungswirtschaft nennt den Schadenfall „Moment of Truth“, den Moment der Wahrheit. Hier entscheidet sich, ob der Versicherungsnehmer auch den Service und die Leistung bekommt, für die er Monat für Monat zahlt. Diese Kundenzufriedenheit ist Dreh- und Angelpunkt auch für die Kfz-Versicherer. Eingelöst wird sie oft von den Werkstätten, in denen der Unfallschaden repariert wird. Immer standen Konzepte zur Kundenzufriedenheit im Mittelpunkt der Diskussionen und Vorträge beim Business Forum 21, das sich zu einem der wichtigsten Treffpunkte der Versicherer etabliert hat. Ein Ergebnis der Tagung: die Kfz-Versicherer sehen den Ausbau des Schadenmanagements als eine wesentliche Säule ihrer Strategie. ## Verbraucher wollen mehr Assistance Das Schadenmanagement der Kfz-Versicherer dient dabei mittlerweile auch als Blaupause für andere Versicherungszweige. „Das Interesse an Assistance-Leistungen ist gerade bei Frauen und Familien mit Kindern am höchsten“, erklärte Dr. Oliver Gaedeke, Vorstand von YouGov, einem Unternehmen für Versicherungsmarktforschung. Für 46 Prozent haben Zusatzleistungen in der Kfz-Versicherung laut einer aktuellen YouGov Umfrage eine hohe Relevanz. 36 Prozent besitzen bereits eine Police mit Assistance-Leistungen. Für den Reparaturmarkt bedeutet das: Zusatzleistungen wie Fahrzeugreinigung, Online-Termin-Vereinbarungen oder speziellen Service für Familien werden künftig stärker zum Bestandteil von Kfz-Versicherungen und müssen im „Moment of Truth“ von der Werkstatt erbracht werden.
## Alle reden über Service-Select, nur die HUK-COBURG schweigt Ein Diskussionsthema beim Business Forum 21 in Köln gab besonderen Aufschluss über Marktpositionen einzelner Versicherer. Immer wieder sprachen Vertreter von Assekuranzen auf der Bühne über Service-Select, doch die HUK-COBURG schwieg. Kein Wort, keine Silbe über das Konzept, über Pläne oder Details. „Die Coburger treiben den Markt“, brachte es ein Teilnehmer am Rand der Veranstaltung auf den Punkt. Und tatsächlich bezogen sich während der Podiumsdiskussion R+V, Provinzial Sparkassen Versicherung oder HDI immer wieder auf die HUK-COBURG. Thomas Geck, Leiter Schaden Prozessmanagement, äußerte sich in der Runde vor allem zu den Herausforderungen für die Versicherungswirtschaft und Werkstätten angesichts des zunehmenden Wettbewerbs zur Automobilindustrie im Unfallschadenmanagement. Der Titel seines Impulsreferates hieß: „Wettbewerbsdifferenzierung im Sach-Schadenmanagement.“ ## 30 Prozent der Betriebe wollen Mechanik, aber die Preise müssen stimmen BVdP-Geschäftsführer Robert Paintinger nannte den Einstieg in den Autoservice der HUK-COBURG „ambitioniert.“ Er kritisierte jedoch die Einheitspreise für Inspektion, Reifenservice und Haupt- sowie Abgasuntersuchung. „Wir bezweifeln, dass Service-Select in Rostock zur gleichen Preisstruktur zu leisten ist wie in Hamburg, Köln oder München“, hob er hervor. „Das Produkt an sich ist klasse, Service-Select passt auch in die Prozesskette der K&L-Betriebe. Doch müssen die Werkstätten im Service-Geschäft umdenken und die Mitarbeiter anders geschult werden.“ Laut einer aktuellen Umfrage des BVdP sind 30 Prozent der Partnerwerkstätten bereit, in das Service-Konzept der HUK-Coburg einzusteigen. Ein weiteres Drittel ist noch unentschieden, der Rest lehnt den Einstieg in das Mechanik-Geschäft eher ab.
## QualiCar sorgt für Transparenz bei Prozessstörungen Für Diskussionsstoff sorgte Robert Paintinger mit der Vorstellung der Prozessanalyse von QualiCar. Das System läuft seit mehr als einem Jahr. „Wir erkennen durch QualiCar sehr genau, wo und warum es zu Prozessstörungen kommt“, unterstrich der BVdP-Geschäftsführer. 195 Betriebe nutzen QualiCar zurzeit in der Schadensteuerung mit Innovation Group. 45.000 Reparaturfälle wurden erfasst. Hier kam es insgesamt zu 7.500 Störungen. Bei den vom Schadenvermittler gemeldeten Prozessstörungen entfällt ein Großteil auf mangelnde Bildqualität (18 Prozent), unnötige oder falsche Kalkulationen (14 Prozent) oder Nachforderungen von Kostenvoranschlägen (10 Prozent). „Der BVdP nutzt diese Analyse, um Prozessstörungen künftig möglichst zu vermeiden. Wir schulen die Partnerwerkstätten und sorgen für die Optimierung der Abläufe.“ Allerdings seien auch die Versicherer gefragt. Robert Paintinger: „Prozessstörungen, die uns von den Betrieben gemeldet werden, beziehen sich überwiegend auf Verzögerungen bei der Reparaturfreigabe, der Terminierung von Gutachtern oder der Rechnungszahlung.“ Hier seien jetzt die Versicherer am Zug, um ihre Prozesse zu verbessern. ## Bis zu 100.000 Euro Investitionsbedarf in Ausrüstung Die Herausforderungen aus Sicht der K&L-Betriebe verdeutlichte ZKF-Hauptgeschäftsführer Dr. Klaus Weichtmann den Teilnehmern. Neue Mess- und Diagnosesysteme, Vernetzung im Fahrzeug und zum Automobilhersteller, Reparatur- und Wartungsinformationen erfordern künftig mehr Investitionen in die Werkstattausrüstung. „Gerade die Fahrzeugdiagnose erfordert bei vielen Betrieben die Anschaffung neuer Geräte, wie zum Beispiel den Multifunktionstester EuroDFT, der Anfang kommenden Jahres auf den Markt kommt“, erklärte Dr. Klaus Weichtmann. „Die Betriebe haben jedoch nicht nur erheblichen Investitionsbedarf in einer Größenordnung von bis zu 100.000 Euro, sondern sie stehen auch vor der Herausforderung, die innerbetrieblichen Prozesse sowie den Dialog der Schadensteilnehmer untereinander ständig zu optimieren.“ Die Verfügbarkeit aller technischen Daten müsse zudem sichergestellt werden. „Außerdem setzt der Fachkräftemangel und der demografische Wandel die Fachbetriebe unter Druck.“
## Was bringt die Zukunft? Der Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik sieht in Zukunft drei wesentliche Betriebsformen im Reparaturmarkt: 1. Spezialanbieter für Kleinschadenreparaturen, Fachbetriebe für Aluminiuminstandsetzung oder Elektronik, 2. Kooperationsbetriebe in Netzwerken und 3. Komplettanbieter mit Karosserie, Lack, Mechanik und Elektronik. Alle Teilnehmer des Business Forums 21 in Köln rechnen mit einem deutlichen Anstieg gesteuerter Schäden. Nach wie vor gehen Versicherer und Entscheider der Branche davon aus, dass natürlich auch in zehn Jahren weiterhin Unfallschäden repariert werden. Die Instandsetzung wird durch die Bord- und Komfortelektronik sowie durch Fahrerassistenzsysteme jedoch komplexer. „Es wird sicher weniger Schäden geben, die Schadenreparatur wird jedoch teurer“, schätzten Robert Paintinger und Dr. Klaus Weichtmann übereinstimmend die Entwicklung ein. Zudem rechnet die Versicherungswirtschaft damit, dass neue Anbieter von Kfz-Policen mit erweiterten Leistungen auf den Markt kommen. „Google, Apple, Facebook & Co. werden zunehmend das Thema Mobilität entdecken und ganz anders zugeschnittene Kfz-Versicherungen anbieten“, hieß es in Köln. „Bewegungsdaten sind für die Internetdienstleister einfach sehr interessant, die Policen könnten hier neue Wege eröffnen.“ Zudem wird in Zukunft auch der wachsende Wettbewerb zwischen Versicherungswirtschaft und Automobilhersteller eine bedeutende Rolle spielen. „Der Aftersales-Markt bleibt umkämpft, die Unfallschadenkonzepte der Automobilindustrie werden in wenigen Jahren immer stärker greifen – auch vor dem Hintergrund der Einführung von E-Call.“