2025-03-19T13:04:25+0000

Web-TV: Social Media als Gamechanger für die Nachwuchsgewinnung

Die Kfz-Branche kämpft seit Jahren mit Nachwuchssorgen. Doch Plattformen wie Instagram, TikTok und YouTube entwickeln sich zunehmend zu starken Werkzeugen, um junge Menschen für Berufe im Karosserie- und Lackierhandwerk zu begeistern. Beim Schadentalk im Web-TV (Erstausstrahlung: 13. März) sprachen die Moderatorinnen Ina Otto und Carina Hedderich mit Influencern und Branchenexperten darüber, wie Social Media gezielt zur Nachwuchsgewinnung genutzt werden kann – und warum klassische Methoden oft nicht mehr ausreichen. ## Von der Werkstatt ins Netz: Die Geschichten erfolgreicher Handwerker-Influencer Die Schadentalk-Talkgäste haben dabei selbst nie das Ziel verfolgt, Influencer zu werden. In erster Linie wollen sie ihre Leidenschaft und Begeisterung für ihr Handwerk teilen. Samira Braun, auf Instagram bekannt als @colorfully_mira, kam beispielsweise 2022 durch eine Austauschpraktikantin auf die Idee, Videos von ihrer Arbeit bei Instagram zu teilen. „Ich dachte mir, das ist eigentlich eine coole Sache, um anderen Menschen zu zeigen, was ich kann und ihnen vielleicht auch noch was mitzugeben“, erzählt sie. Heute erreicht sie mit ihren Reels rund ums Lackieren über 10.000 Follower. Michael Ganser, vielen besser bekannt als „Der irre Lackierer“ hat 2018 angefangen, seinen Arbeitsalltag online zu teilen. Dabei wollte er vor allem in den Austausch mit anderen Fahrzeuglackierern treten und potenzielle Neukunden erreichen. Der Karosseriebaumeister Aaron Kukic startete mit einfachen Bildern aus dem Werkstattalltag und baute seine Präsenz immer weiter aus. „Irgendwann haben die Leute Videos gefordert, dann ging das erste Video viral und seitdem hat sich alles signifikant entwickelt“, erzählt er beim Schadentalk im Web-TV. Inzwischen vereint er auf allen Social Media-Kanälen über 1,5 Millionen Follower, ist damit einer der erfolgreichsten Handwerks-Influencer in Deutschland und betreibt sogar einen eigenen Online-Shop für Werkzeuge. Christian Miche ist zwar nicht selbst auf Social Media präsent, trotzdem hat sein Betrieb inzwischen deutschlandweit Bekanntheit bei Tuningfans erlangt. Denn die Lackwelt Irxleben ist seit mehreren Jahren die Lackiererei des Vertrauens für die YouTube-Stars JP Perfomance und Philipp Kaess. ## Direkter Einblick in den Job – hautnah und live Allen gemein ist, dass sie neben ihrer hauptberuflichen Arbeit in der Werkstatt noch viel Zeit und Energie investieren, um die Online-Community mit neuen Videos und Beiträgen zu versorgen. Bis zu zwei Stunden täglich dauere das Schneiden und Bearbeiten von Videos. Zusätzliche Arbeit, die nicht entlohnt wird – doch für die Influencer ist die Präsenz auf Social Media vor allem eines: Herzensangelegenheit. So berichtet Aaron Kukic: „Ich will einfach zeigen, wie facettenreich unser Beruf ist. Ich möchte Wissen vermitteln und mehr Jugendliche ins Handwerk ziehen.“ Gleiches gilt für Christian Miche
und seine Lackwelt Irxleben. Denn lukrativer als das normale Unfallreparaturgeschäft seien die Auftragsarbeiten für die YouTuber nicht, schließlich fließen in ein Projekt schon mal bis zu 120 Arbeitsstunden. „Das kann man geldmäßig gar nicht aufwiegen. Wir machen das, weil wir einerseits Spaß daran haben und andererseits die Chance nutzen, uns in den Fokus zu rücken und damit auch die Berufe im Karosserie- und Lackierbereich“, erzählt der Betriebsinhaber. ## Social Media als Karriereportal: Direkte Bewerbungen über Instagram & Co. Aber haben die Videos tatsächlich einen unmittelbaren Effekt für die Nachwuchsgewinnung? Aaron Kukic und Christian Miche sind sich einig: „Definitiv“. Durch ihre Präsenz bei YouTube und Co. erhalten beide immer wieder Anfragen für Praktika oder auf Ausbildungsplätze. Und auch Michael Ganser bestätigt: „Social Media hat einen wichtigen, wenn nicht den wichtigsten Stellenwert, um junge Menschen für unser Handwerk – für den geilsten Beruf der Welt – zu begeistern. Denn genau wie wir auch hängen die jungen Leute heutzutage nur noch vorm Handy. Sie informieren sich dort, tauschen sich dort aus.“ Der irre Lackierer und Aaron Kukic würden sich deshalb wünschen, dass auch die Branchenverbände ZKF und BFL dieses Medium stärker nutzen und in ihre Arbeit einbinden, wie sie während der Sendung erklären. Und auch die Kooperation mit Influencern aus der Branche halten sie für zielführend: „Influencer haben nun einmal eine gewisse Strahlkraft und können die Kids von heute erreichen. Ich bin mir sicher, wenn die Verbände anfragen würden, würde ausnahmslos jeder sofort mitmachen“, betont Michael Ganser. ## Mit Bobby Cars für das Berufsbild werben Welche Strahlkraft der irre Lackierer in den sozialen Medien hat, zeigte sich in den vergangenen Jahren auch bei der Bobby Car-Challenge. Die Aktion, die Michael Ganser gemeinsam mit Andreas Dudda von der BBS Stadthagen ins Leben gerufen hat, geht 2025 in die vierte Runde. Das Ziel: Jugendliche auf den Beruf des Fahrzeuglackierers aufmerksam machen, durch einzigartig lackierte Bobby Cars. Ab dem 1. April können Fahrzeuglackiererinnen und -lackierer aus ganz Deutschland wieder zeigen, was sie draufhaben und einen kleinen Flitzer gestalten. Erstmals in diesem Jahr wird es verschiedene Kategorien geben: Costum, Airbrush und Classic. „Damit stellen wir sicher, dass jeder mit seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten an der Aktion teilnehmen kann und ich hoffe, dass wieder viele mitmachen“, erklärt Michael Ganser während der Sendung. Der Erlös aus dem Verkauf der designten Bobby Cars kommt auch in diesem Jahr wieder dem ZKF zu Gute. ## Auch Schulen und Eltern müssen mit ins Boot geholt werden Trotz ihrer erfolgreichen Präsenz bei TikTok und Co. waren sich die Talkgäste aber auch einig, dass Social-Media-Aktivitäten allein nicht ausreichen, um junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk zu begeistern. Besonders in den Schulen sieht Aaron Kukic große Versäumnisse: „Als ich damals meinen Abschluss machte, war niemand da, der fürs Handwerk geworben hat.“ Samira Braun schlägt deshalb vor, stärker mit Schulen zu kooperieren und Schüler direkt in Betriebe einzuladen: „Die jungen Leute müssen selbst
erleben, was Handwerk bedeutet.“ Und auch bei den Eltern müsse ein Umdenken stattfinden. „Viele Eltern reden ihren Kindern oft aus, ins Handwerk zugehen, wegen alter Klischees wie beispielsweise schlechter Bezahlung. Dabei stimmt vieles davon gar nicht. Damit müssen wir aufräumen.“ Christian Miche sieht zudem Reformbedarf in der Ausbildung für die Fahrzeuglackierer: „Vieles wird seit Jahren unverändert gelehrt. Wir müssen neue Ansätze finden, um den Beruf attraktiver zu machen.“ Das bestätigt auch Samira Braun: „Das sehe ich auch bei unserem Lehrling aus der Lackiererei: Er macht heute noch genau dasselbe, was ich damals schon in meiner Ausbildung gemacht habe. Das ist schade, dass da keine Weiterentwicklung stattfindet.“ ## Kann Handwerk wieder „in“ werden? Dass handwerkliche Berufe offenbar wieder stärker in den Fokus junger Menschen rücken, spiegelt sich auch in den aktuellen Ausbildungszahlen wider. Laut Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) wurden 2024 insgesamt 2.208 neue Ausbildungsverträge im Fahrzeuglackierer-Handwerk abgeschlossen – ein Plus von sieben Prozent zum Vorjahr. Auch im Karosserie- und Fahrzeugbau stiegen die Zahlen um 13 Prozent auf 1.644 neue Azubis. Die Talkrunde ist sich sicher: Diesen Trend kann Social Media weiter befeuern. Ob TikTok-Challenges, Instagram-Tutorials oder YouTube-Videos – die Plattformen müssen, so der Tenor in der Sendung – verstärkt genutzt werden. Denn Fakt ist: Wer die nächste Generation erreichen will, muss dort präsent sein, wo sie sich aufhält – und das ist nun mal das Smartphone.
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