2022-12-21T09:44:26+0000

Automotive Online Forum: Quarantäneplatz – Welche Standkosten Betriebe veranschlagen sollten

Am 15. Dezember veranstaltete die Kanzlei Voigt ihr 9. und in diesem Jahr letztes Automotive Online Forum – das rund 430 Teilnehmer live verfolgten. In drei Impulsvorträgen gaben Kanzlei-Geschäftsführer Henning Hamann und Verkehrsrechtsanwältin Inka Pichler nutzwertbringende Tipps rund um verunfallte Elektroautos, Flottenrecht und Reparaturkosten-Übernahmebestätigung (RKÜ). ## Verunfallte Elektroautos – was Gutachter und Werkstätten wissen sollten Vor allem elektrisch betriebe Fahrzeuge bringen – trotz ihrem geringen Anteil gemessen am gesamten Pkw-Bestand – einige Besonderheiten mit sich. Und zwar nicht nur für Werkstätten, sondern auch für Sachverständige. So sollten bei der Ermittlung von Wiederbeschaffungs- und Restwert vorab unbedingt die Eigentumsverhältnisse geklärt sein. Denn bei vielen – insbesondere älteren – Modellen sei die verbaute Hochvoltbatterie nur „gemietet“ und gehöre demzufolge nicht dem Eigentümer des Fahrzeugs. Auch sollte der „Batterie-Eigentümer“ im Falle eines Unfalls unbedingt informiert werden. Zudem bedarf es Einsicht in den Batterie-Mietvertrag, um zu ermitteln, wer sich um die Schadenbehebung kümmert. Weiterhin appellierte der Kanzlei-Geschäftsführer an die zuschauenden Sachverständigen, hinsichtlich des Ausfallszeitraums die momentane Marktsituation zu berücksichtigen. „Die üblichen 14 Tage Wiederbeschaffungsdauer bei Totalschäden werden bei der aktuellen Verfügbarkeit von Elektrofahrzeugen bei Weitem nicht ausreichen. Auch die Reparaturzeiträume werden sich in den nächsten Jahren infolge der verknappten Ersatzteile verlängern.“ ## Standkosten für E-Autos auf dem Quarantäneparkplatz Interessant für alle Reparaturbetriebe war vor allem die Frage nach den Standkosten, die für ein E-Auto veranschlagt werden können, welches auf einem Quarantäneplatz zu beobachten ist. „Bei strukturell beschädigten Fahrzeugen muss die Batterie über mehrere Tage beobachtet werden, bevor mit der Reparatur begonnen werden kann“, erläuterte Henning Hamann in diesem Zusammenhang. Zwar gäbe es keine gesetzlich geregelte Quarantäne, jedoch individuelle Vorgaben durch die Automobilhersteller. So empfiehlt Audi beispielsweise einen Sicherheitsabstand von 5 Metern rund um das betroffene Fahrzeug sowie eine Mindest-Quarantänezeit von 5 Tagen. Dafür müssten Werkstätten laut Berechnung von Henning Hamann eine Fläche von circa 200 Quadratmetern vorhalten – Platz, der sonst für 8 bis 10 Fahrzeuge ausreichend wäre. Doch wie hoch sollten die Standkosten für diese Fläche sein? Laut
einer Umfrage während des Vortrags veranschlagen 73 Prozent der anwesenden Werkstätten, die über einen Quarantäneplatz verfügen, zwischen 8 und 50 Euro Standkosten pro Tag. Deutlich zu wenig, wie der Experte schließlich aufklärte. Rund 80 Euro seien im Durchschnitt durch den Verband Bergen und Abschleppen ermittelt worden und die sollten Reparaturbetriebe laut dem Anwalt auch berechnen. Aber Achtung: Im Kaskofall sind in den AKB häufig Höchstentschädigungsgrenzen geregelt, die Werkstätten beachten sollten, wenn sie nicht auf den Kosten sitzen bleiben wollen. Übrigens: Auch weitere Sekundärkosten wie eventuell höhere Entsorgungskosten für eine Hochvoltbatterie sowie das Nutzen einer brandausbreitsungshemmenden Decke können entsprechend berechnet werden, empfahl der Anwalt. ## „Flotten benötigen viel Unterstützung“ Die auf Flotten und Fuhrparks spezialisierte Verkehrsrechtsanwältin Inka Pichler gab im Anschluss Tipps, wie Autohäuser und Werkstätten Flotten noch stärker an sich binden können. Hier liegt durchaus noch Potenzial, wie auch eine Umfrage zeigte: Denn nur 17 Prozent der anwesenden Werkstätten und Autohäuser gaben an, bereits aktive Dienstleister für Fuhrparkmanager/-innen zu sein. „Vor allem mit Blick auf die vielen rechtlichen Pflichten benötigen Fuhrparkleiter Unterstützung“, weiß die Expertin. Ein Beispiel sei die Sachkundigen Prüfung nach DGUV 70, §57 für Dienstwagen. Diese müssen gemäß den sogenannten Unfallverhütungsvorschriften, kurz UVV, vom Arbeitgeber betriebssicher an den Arbeitnehmer übergeben werden. Deswegen ist eine jährliche Prüfung auf den betriebssicheren Zustand durch einen Sachkundigen vorgeschrieben. Die sachkundige Prüfung könnten gemäß Gesetz sowohl Sachverständige als auch Mitarbeiter von Werkstätten durchführen, die entsprechend qualifiziert sind. Der klare Tipp von Inka Pichler lautete deshalb: „Heben Sie dieses Potenzial, damit haben Sie einen gut planbaren Mehrumsatz und binden Großkunden an sich.“ Zusätzlich UVV-geprüfte Mietwagen für Flottenmitarbeiter seien laut der Expertin eine weitere Möglichkeit zur Kundenbindung. Werkstätten, die mit Fuhrparks zusammenarbeiten, sollten über eine Rahmenvereinbarung zudem klar definieren, wer welche Aufträge erteilen darf. Denn in der Regel sind Mitarbeiter nicht befugt, Reparaturen o.ä. zu beauftragen, weshalb in der Vergangenheit häufig Klagen von Werkstätten abgewiesen wurden, die ihr Geld einforderten. ## RKÜ – sinnvoll oder nicht? In Vertretung für einen erkrankten Kollegen sprach Kanzlei-Geschäftsführer Henning Hamann abschließend noch über die Reparaturkosten-Übernahmebestätigung, kurz RKÜ. Diese wird – und das bestätigten auch 50 Prozent der zuschauenden Werkstätten – vor allem deshalb genutzt, weil die Werkstätten „nur so sicher an ihr Geld kommen“, 31 Prozent nutzen die RKÜ außerdem, „weil dann der Kunde aus allem raus ist.“ Wie der Rechtsanwalt im Folgenden aufzeigte, sind beide Annahmen so nicht richtig. Denn, so Hamann: „Diese Haftungszusage gilt nur dem Grunde nach, aber nicht der Höhe.“ Durch Formulierungen wie „Regulierung im Rahmen unserer Eintrittspflicht“ oder „für den unfallbedingten Schaden aufkommen“ ließen sich die Versicherungsunternehmen Hintertüren offen, um nicht die komplette Höhe der Unfallreparaturkosten zu regulieren. Auch sei der Kunde durch Unterzeichnung der RKÜ nicht automatisch „aus allem raus“. Denn durch den Abtretungsvertrag in der RKÜ wird lediglich der Schadenersatzanspruch abgetreten. Der Werkvertrag zwischen Geschädigtem und Werkstatt sei davon jedoch unberührt, das heißt konkret: „Die Forderung, die die Werkstatt gegen den Kunden hat, bleibt bestehen. Die Abtretung erfüllungshalber ermöglicht es der Werkstatt nur, einen zusätzlichen Schuldner – in dem Fall den Versicherer – zu bekommen“, betont Henning Hamann. Das Fazit des Rechtsanwalts lautet deshalb eindeutig: „Die RKÜ gibt zwar Sicherheit in Bezug auf Zahlungsströme und der Haftung im Grund nach, ist aber kein absoluter Schutz, erst recht nicht vor Rechnungskürzungen.“ Um jedes Restrisikos auszuschließen, empfahl er den rund 430 Zuschauern, ein gemeinsames Schadenmanagement mit einer spezialisierten Anwaltskanzlei.
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