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2025-10-08T10:49:39+0000

Konsolidierung, Neuausrichtung, Nachfolge – der Schadenmarkt im Wandel

Der Schadenmarkt verändert sich rasant: Nachfolgekrise, sinkende Schadenquoten und die Expansion großer Gruppen setzen Betriebe unter Druck. Während Werkstätten nach Lösungen für Fachkräftemangel und Nachfolgeprobleme suchen, expandieren große Autohausgruppen und internationale Netzwerke. Wie schreitet die Konsolidierung voran und wie können sich K&L-Betriebe jetzt auf diese Entwicklung einstellen? Dazu diskutierte Chefredakteur Christian Simmert bei der Web-TV-Sendung im Betrieb Starlack der Senger Gruppe in Rheine, mit Hendrik Franke (Managing Director Autoreparaturlacke Deutschland bei BASF), Roy de Lange (Geschäftsführer Fix Auto Deutschland) und Frank Krüger (Chief Operating Officer Senger Gruppe). ## „180.000 Handwerksbetriebe stehen vor einer ungelösten Nachfolgefrage“ Gleich zu Beginn der Sendung machte Hendrik Franke deutlich, dass die Branche nicht nur mit konjunkturellen Herausforderungen kämpft. „Das Ende des vergangenen Jahres und das erste Quartal waren, was die Auftragslage anging, sehr schwierig“, erklärte er im Talk. Die Schadenquote sei eher rückläufig, was die Auslastung in den Werkstätten belaste. Unternehmer müssten sich daher klar positionieren: „Man muss sich sehr genau überlegen, welche Geschäftsfelder man bedient und wie man sich aufstellt, um auch schwierige Phasen zu überstehen.“ Besonders brisant sei dabei das Thema Betriebsnachfolge. Hendrik Franke verweist auf Zahlen aus dem Handwerk: Von rund einer Million Handwerksbetrieben in Deutschland suchen in den kommenden Jahren knapp 180.000 einen Nachfolger – viele ohne klare Perspektive. „In unserem Netzwerk haben wir ein Durchschnittsalter von 45 Jahren. Auch dort sehen wir, dass viele Betriebe in den nächsten fünf Jahren eine Lösung finden müssen.“ Glasurit versuche, über das ColorMotion-Netzwerk und Beratungsangebote Unterstützung zu bieten – sei es beim Verkauf, bei einer teilweisen Übergabe oder beim Eintritt in ein größeres Netzwerk. Für den Deutschland-Chef von Glasurit steht fest: „Entscheidend ist, dass sich Inhaber rechtzeitig mit ihrer Nachfolge befassen. Wer das aufschiebt, riskiert, am Ende ohne Plan dazustehen.“ ## „Konsolidierung ist keine Zukunftsmusik – wir sind mittendrin“ Auch Roy de Lange beobachtet sinkende Volumina und kürzere Vorlaufzeiten. Der Geschäftsführer von Fix Auto Deutschland zeichnete in der Sendung ein klares Bild der Marktdynamik: „Wo wir vor ein, zwei Jahren noch sechs bis zehn Wochen im Voraus voll waren, sind es heute zwei bis drei Wochen. Unternehmer sehen das kritisch, weil sie Planungssicherheit wollen.“ Vor allem aber gehe es um strukturelle Veränderungen. Roy de Lange betonte: „Konsolidierung ist nicht etwas, das in der Zukunft passieren wird. Wir sind mittendrin.“ Auf der Auftraggeberseite sei dieser Prozess längst Realität. Versicherer fusionieren, Schadensteuerung wird massiv ausgebaut, Netzwerke gewinnen an Bedeutung. „Noch vor acht Jahren gaben 30 Prozent der Kunden an, dass ihre Versicherung die Werkstattwahl steuert. Heute sind es 60 Prozent – und 90 Prozent finden das in Ordnung. Der Kunde akzeptiert die Steuerung, das ist ein entscheidender Punkt.“ Fix Auto positioniert sich in diesem Umfeld als Partner für inhabergeführte Betriebe, die selbstständig bleiben wollen, aber Unterstützung bei Rendite, Wachstum und Schadensteuerung suchen. „Unsere Partner erwarten von uns drei Dinge: Umsatzsteigerung, besseren Zugang zu Auftraggebern und Ruhe im Kopf, weil Prozesse
standardisiert laufen“, erklärte Roy de Lange. Der Franchise-Ansatz sei nicht für jeden geeignet, biete aber vielen Betrieben die Sicherheit, die sie in einem beschleunigten Marktumfeld brauchen. ## „Wir nutzen unsere Größe, aber es ist Platz für alle“ Frank Krüger brachte die Sicht einer Autohausgruppe ein, die selbst aktiv expandiert. Mit überregionalen Kompetenzzentren, Investitionen in neue Standorte und einer klaren Strategie sieht sich die Senger Gruppe gut aufgestellt. „Wir sehen aktuell noch keinen signifikanten Rückgang, auch wenn es im Sommer ruhiger wird“, berichtete Frank Krüger im Talk. Er warf einen Blick in die nähere Zukunft. So entstehe in Lübeck ab 2026 für sechs Millionen Euro eine neue Service Factory, die 4.000 Fahrzeuge pro Jahr zusätzlich abwickeln soll. Zur Übernahme der Strakeljahn-Gruppe erklärte Frank Krüger: „Wir sind sehr respektvoll miteinander umgegangen, weil wir wussten, dass zwei unterschiedliche Geschäftsmodelle aufeinandertreffen – freie Werkstattstrukturen auf der einen, markengebundene Werkstätten auf der anderen Seite. Am Ende war es eine Win-Win-Situation.“ Die Integration habe gezeigt, dass Effizienz und Strukturen aus freien Betrieben auch für ein Autohaus wertvoll sein können. Dennoch sieht der COO der Senger Gruppe die Konsolidierung nüchtern: „Natürlich wollen wir unsere Größe nutzen, um für Versicherer und Schadensteuerer attraktiv zu sein. Aber zurzeit ist Platz im Markt für alle. Mittelfristig wird sich das durch Nachfolgethemen und Kostenstrukturen von selbst konsolidieren.“ Wichtig sei es, innovativ zu bleiben und neue Geschäftsfelder zu erschließen, etwa im Bereich Elektromobilität oder bei Transportfahrzeugen. „Ich kann nur empfehlen, dass jeder Betrieb an den Entwicklungen dranbleibt – ob bei neuen Lacktechniken, Prozessinnovationen oder Kooperationen.“ ## Aribos: „Wachstum mit Unternehmerfreiheit“ In einem Videoeinspieler stellte die relativ junge Werkstattkette Aribos ihre Strategie vor. Geschäftsführer Günay Eryigit betonte im Gespräch, dass seine Gruppe gezielt wächst und Betriebe übernimmt. [Erst im September, nach Aufzeichnung des Videoclips, hatte Aribos das K&L-Zentrum Lang-Mayer übernommen](https://schaden.news/de/article/link/44685/aribos-dritter-zukauf-lang-mayer) – weitere Standorte sollen folgen. „Unser Konzept basiert darauf, die DNA der Betriebe zu bewahren. Wir kaufen die operative GmbH, der Unternehmer bleibt zunächst an Bord und behält seine Freiheiten. Wir wollen keine starre Zentrale aufbauen, sondern die Betriebe stärken“, beschrieb Günay Eryigit die Strategie der Kette. Ziel sei es, in den kommenden Monaten mehrere weitere Partner zu integrieren – ohne Obergrenze beim Wachstum. ## PRC-Gruppe: Familienbetriebe im Verbund Ein weiteres Modell stellte Robert Paintinger, Organisator der PRC-Group, in einem weiteren Videoeinspieler vor. Die Premier Repairers Cooperation ist demzufolge ein Zusammenschluss von 14 Familienunternehmen mit 18 Standorten. Ziel sei es, trotz eigenständiger Strukturen die Vorteile gemeinsamer Einkaufs- und Strategiemodelle zu nutzen. Während jeder Betrieb seine Identität bewahre, würden zentrale Zukunftsthemen wie Innovation und Elektromobilität gemeinsam vorangetrieben. Damit positioniert sich die PRC-Gruppe nicht nur als Austauschplattform für Karosserie- und Lackbetriebe, sondern auch als Ansprechpartner für Flottenkunden, Schadensteuerer und Hersteller. ## Wer nicht handelt, riskiert den Anschluss Die Web-TV-Runde verdeutlichte, dass der Schadenmarkt vor tiefgreifenden Veränderungen steht. Rückläufige Schadenquoten, fehlende Nachfolger und ein wachsender Einfluss von Netzwerken und Konzernen prägen die Entwicklung. Während der Lackhersteller Glasurit mit Beratungs- und Netzwerkangeboten Unterstützung bietet, sieht Fix Auto die Lösung in einem kooperativen Franchisemodell. Autohausgruppen wie Senger setzen auf Wachstum und Professionalisierung durch Investitionen und Übernahmen. Aribos wiederum expandiert mit einem Modell, das unternehmerische Freiheit mit finanzieller Stärke verbinden soll. Die PRC-Gruppe schließlich zeigt, wie sich Familienbetriebe in einem lockeren Verbund behaupten können. Einigkeit herrschte darüber, dass Betriebe nicht abwarten dürfen. „Kopf runter und weitermachen wie bisher – das wird nicht funktionieren“, warnte Roy de Lange. Und Hendrik Franke mahnte: „Man muss innovativ bleiben, sich spezialisieren und rechtzeitig über Nachfolge und Investitionen nachdenken.“ Frank Krüger ergänzte: „Jeder muss seinen eigenen Weg gehen – aber er sollte ihn konsequent und zukunftsorientiert gehen.“
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