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2025-08-27T09:24:56+0000

„Offenheit für Technologie, Investitionen und ausgebildetes Personal sind der Schlüssel“

Die Karosserie- und Lackierbranche befindet sich mitten in einem Wandel: Fachkräftemangel, neue Fahrzeugtechnologien, steigende Kosten – und gleichzeitig ermöglicht die technische Entwicklung neue Chancen hinsichtlich Digitalisierung, Automatisierung und KI. In der aktuellen Schadentalk Web-TV-Sendung „Werkstatt 4.0 – Wie packt K&L die Zukunft an“, diskutierten zwei junge Betriebsnachfolger mit Branchenvertretern über die Frage, wie die Werkstatt der Zukunft aussehen könnte. In der Sendung, moderiert von schaden.news-Chefredakteur Christian Simmert, talkten die jungen Betriebsinhaber Max Wagner und Dominik Zolleis, der Geschäftsführer der Karosserie- und Fahrzeugbauerinnung Südbayern, Robert Paintinger, sowie Jochen Kleemann, Geschäftsführer PPG Deutschland Sales & Services GmbH. Die Runde machte schnell deutlich: Die Zukunft der K&L-Betriebe ist gestaltbar – und zwar für diejenigen, die sie aktiv anpacken. ## Zwei Betriebe, zwei unterschiedliche Wege in die Zukunft So setzt Max Wagner, Geschäftsführer des Karosserie- und Lackierzentrums Schnurrbusch in Glauchau, auf Wachstum und regionale Strahlkraft. Mit einem Erweiterungsbau 2023 hat er seinen Betrieb auf 30 Mitarbeitende ausgebaut. „Wir wollten eine Größe erreichen, um im Markt sichtbar und zukunftsfähig zu bleiben“, betont der 40-Jährige. Flexibilität sei dabei entscheidend: Caravan-Reparaturen, Schadensteuerung und klassische Unfallinstandsetzung sichern heute das Geschäft. Für Max Wagner ist klar, dass die steigende technische Komplexität der Fahrzeuge die größte Herausforderung der kommenden Jahre wird. Damit steigen auch die Anforderungen an die Ausbildung junger Fachkräfte. „Die Ausbildungsqualität wird entscheidend sein. Wenn Handwerkskammern und Innungen es nicht schaffen, neue Technologien in die Lehrpläne zu bringen, fehlt uns die Basis.“ Ebenfalls einen klaren Kurs verfolgt Dominik Zolleis (30). Seit zwei Jahren ist er Mitinhaber im Karosserie- und Lackierzentrum Zolleis in Forchheim Stark im Fokus des Unternehmens steht die Elektromobilität. So ist sein Betrieb seit Ende 2022 als Tesla Body Shop zertifiziert. „Ich bin seit 2019 selbst mit dem Elektroauto unterwegs und absolut überzeugt“, erklärt er in der Sendung. Ebenso überzeugt ist er davon, dass die globale technologische Entwicklung zukünftig auch in K&L-Betrieben für Unterstützung sorgen werde. Eine kürzliche Reise in die USA, wo er Robotaxis und Teslas humanoiden Roboter „Optimus“ erlebte, habe diesbezüglich seinen Zukunftsblick geprägt: „Ich bin sicher, humanoide Roboter werden auch uns im Handwerk unterstützen – vielleicht erst bei einfachen Aufgaben, aber irgendwann auch im Teilemanagement oder der Kommissionierung.“ ## Fachkräftemangel als Dauerproblem Beide Nachfolger kämpfen mit dem gleichen Engpass wie die gesamte Branche: den fehlenden Fachkräften. Während Max Wagner aktuell aus einer guten Bewerberlage schöpfen kann, sieht Dominik Zolleis die Herausforderung darin, die vielen Auszubildenden praxisnah und hochwertig auszubilden. „Die jungen Leute sind unsere Fachkräfte von morgen – wir müssen ihnen heute die Qualität vermitteln, die uns morgen trägt.“
Auch Robert Paintinger, Geschäftsführer der Karosserie- und Fahrzeugbauer-Innung Südbayern, unterstrich in der Sendung, dass Ausbildung und Mitarbeiterbindung Chefsache seien. „Die Betriebe müssen offen bleiben für Veränderung. Nicht der Große frisst den Kleinen, sondern der Schnelle den Langsamen“, betonte er. ## Digitalisierung, KI und Robotik: zwischen Chance und Skepsis Jochen Kleemann, Geschäftsführer der PPG Sales & Services GmbH, sieht in der Digitalisierung eine Stellschraube für Prozesssicherheit und Effizienz. „Wissenstransfer ist Grundvoraussetzung. Wir müssen investieren – in Technik, aber auch in die Weiterbildung der Menschen.“ PPG selbst entwickelt längst digitale Assistenzsysteme, von Farbtonfindung bis Lagermanagement. Auch KI wird dort getestet – etwa, um Hotlines mehrsprachig zu unterstützen oder Auftragsspitzen automatisch abzufangen. „KI ist kein Ersatz, sondern eine Ergänzung. Sie kann Mitarbeitende entlasten, wenn sie klug eingesetzt wird.“ Während Dominik Zolleis bereits ChatGPT für die Kommunikation mit Versicherungen einsetzt, was enorm Zeit einspare, warnte Robert Paintinger in der Sendung vor blindem Technikglauben. Er sieht in KI, Robotik und Co. in erster Linie eine Ergänzung für den Werkstattalltag: „Maschinen werden nicht alles übernehmen. Entscheidend wird die Mensch-Maschine-Kollaboration sein.“ Gerade im Bereich Robotik, etwa bei Lackier- oder Schleifrobotern, vermutet Robert Paintinger Chancen, aber auch die Notwendigkeit neuer Kompetenzen. „Wir brauchen Leute, die solche Systeme führen können – Roboter laufen nicht von allein.“ ## Belastungsprobe für Führungskräfte Ein Thema, das besonders Max Wagner und Robert Paintinger während des Talks betonten, war die Rolle der Unternehmer selbst. „Man muss als Inhaber raus aus dem Tagesgeschäft, um überhaupt die Zukunft gestalten zu können“, führte der Betriebsnachfolger Max Wagner aus. Paintinger warnte jedoch zugleich vor den Risiken: „Die Geschwindigkeit der Veränderung ist enorm. Eine Führungsaufgabe der Zukunft wird es sein, die Menschen mitzunehmen, ohne sie zu überfordern.“ ## Familienbetriebe als stabile Basis Zum Abschluss stellte Moderator Christian Simmert die Frage nach Werkstattgruppen und Netzwerken. Für beide Jungunternehmer stand fest: Verkauf ist keine Option. „Meine Motivation ist, etwas Eigenes zu schaffen und anzupacken“, erklärte Max Wagner in der Sendung. Auch Dominik Zolleis will die Familientradition weiterführen: „Wir wollen als Familie bestehen und das Unternehmen an die nächste Generation weitergeben.“ Jochen Kleemann sieht dennoch einen Konzentrationsprozess im Markt: „Netzwerke und Kooperationen werden zunehmen“, ist der PPG-Geschäftsführer sicher. Aber auch inhabergeführte Betriebe haben seiner Ansicht nach Zukunft, wenn sie offen für Neues bleiben. Robert Paintinger appellierte abschließend an die Branche: „Kümmert euch um eure Innungen. Sie sind die Basis, die euch Orientierung und Unterstützung geben kann.“ ## Offenheit, Investitionsbereitschaft und geschultes Personal als Schlüssel zur Werkstatt 4.0 Es sind also die vielen kleinen, mutigen Schritte, die zu einer Werkstatt 4.0 führen werden – nicht eine große technische Revolution. Ob E-Mobilität, KI oder Robotik – die Technologien entwickeln sich schneller, als viele erwarten. Entscheidend wird sein, dass Betriebe die Offenheit, die Investitionsbereitschaft und die personellen Strukturen haben, diese Chancen zu nutzen.
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