2025-05-21T09:15:54+0000

KI beschleunigt digitale Transformation der Schadenwelt

Das Interesse am Treffen der Benutzergemeinschaft (BGA) von Solera Audatex AUTOonline war in diesem Jahr besonders stark. Rund 60 Chef-Sachverständige von Kfz-Versicherern, Prüfdienstleistern, Automobilherstellern und Schadenmanagern kamen am 14. und 15. Mai am Kölner Airport zusammen, um sich über aktuelle Marktentwicklungen, den Fortschritt von Digitalisierung und den Einsatz von KI sowie neuer Anwendungen von Solera auszutauschen. „Die Diskussion ist immens wichtig, denn nur so können wir unsere Lösungen nutzerorientiert weiterentwickeln“, erklärte Sven Leyens-Wiedau, Mitglied der Geschäftsleitung von Solera in Deutschland. ## Marktlage weiterhin angespannt, aber die aktuelle Entwicklung stimmt optimistisch Das Treffen startete mit einer Bestandsaufnahme. Vice President Dr. Ingo Blönik bezeichnete die Situation im Schadenmarkt für Kfz-Versicherer weiterhin als angespannt, allerdings sei die Lage nicht mehr so dramatisch wie im vergangenen Jahr. „Zwar hat sich der Combined Ratio vieler Assekuranzen verbessert, die Kostenlast durch Ersatzteilpreise ist jedoch nach wie vor hoch und der vielfache Wandel auf ganz unterschiedlichen Ebenen stellt viele Unternehmen vor zahlreiche Herausforderungen“, betonte der Solera Geschäftsleiter für Deutschland und Österreich in Köln. Es zeige sich jedoch auch, dass die Varianz zwischen den Konzernen groß sei. Konkrete Zahlen zur aktuellen Entwicklung lieferte Erik Jahn, der die Restwertbörse AUTOonline leitet: „Während sich die Reparaturkosten im Vergleich zwischen 2023 und 2024 noch deutlich zweistellig gesteigert hatten, sehen wir nun in den ersten vier Monaten eine Abflachung der Entwicklung. Allerdings auf hohem Niveau.“ Auch bei der Restwertentwicklung sieht Erik Jahn Anzeichen für eine Normalisierung. „Anfang dieses Jahres verzeichnen wir weiterhin hohe Restwerte, da die Gebrauchtwagenpreise immer noch aber moderat steigen. Doch die Aufschläge bei Krisenmeldungen halten sich im Rahmen.“ Erik Jahn geht von einer weiteren Abflachung der Reparaturkosten und der Wiederbeschaffungswerte aus. Bei einer Prognose hielt er sich jedoch zurück. „Die Entwicklungen der Rahmenbedingungen sind aufgrund politischer und gesellschaftlicher Unsicherheiten derzeit wenig kalkulierbar.“ Dr. Ingo Blöink sicherte den Teilnehmern zu, dass Solera für mehr Stabilität in einer immer komplexeren Schadenabwicklung sorgen werde. ## Datenanalyse wird immer wichtiger Beim 45. Treffen der Benutzergemeinschaft interessierten sich die Kfz-Sachverständigen aber vor allem für künftige Entwicklungen cloudbasierter Systeme wie Qapter Claims, die Weiterentwicklung Künstlicher Intelligenz als Unterstützung bei Vorschadenerkennung und Reparaturkostenkalkulation. Das Team von Solera zeigte in den Kernbereichen der digitalen Schadenregulierung viele Neuentwicklungen und gewährte tiefe Einblicke in Einsatz sowie Anwendung von KI. Key Account Manager Andreas Zeh stellte das neue Solera Analytics vor. Das Dashbord ermöglicht den Kfz-Versicherern eine genaue Auswertung der eigenen Schadenregulierung – auch im Vergleich zum Markt. „Solera
Analytics zeigt Ihnen und Ihrem Team, wie hoch die durchschnittlichen Schadenkosten in skalierbaren Zeiträumen lagen oder in welchen Regionen, welche Schadenarten aufgetreten sind bis hin zur genauen Höhe der Reparaturquoten“, erklärte Andreas Zeh in Köln. So könnten Kfz-Versicherer mit Solera Analytics zum Beispiel einen individuellen Reparaturindex für einzelne Fahrzeugkomponenten wie Stoßfänger, Kotflügel und Autoglas erstellen. Oder durchschnittlicher Schadenkosten nach Hersteller, Modellen und Fahrzeugalter auswerten. „Solera Analytics ermöglicht Ihnen die zielgenaue Optimierung ihrer Prozesse.“ ## Noch viel Potenzial im bestehenden Workflow – und künftig noch mehr KI Einen genauen Überblick über den gesamten Workflow in der Schadenregulierung gab Steffen Baum, der als Technical Consultant und Trainer für Solera tätig ist. Über APWS, Qapter Claims, Carisma und Planmanager bis hin zur Glaser Story bieten die Anwendungen von Solera aus seiner Sicht für jeden Schritt in der Prozesskette der Unfallschadenabwicklung eine medienbruchfreie digitale Bearbeitung. Allerdings sieht Steffen Baum noch sehr viel Potenzial bei der Anwendung. Er forderte die Teilnehmer auf: „Sprechen Sie mit Ihrem Team und den Werkstätten darüber, die vorhandenen Tools auch voll zu nutzen, um noch mehr Effizienz aus den Systemen herauszuholen.“ Im internationalen Vergleich sei auch die Dunkelverarbeitung in Deutschland noch ausbaufähig. „In Polen werden alle Schäden bis 1.000 Euro Reparaturkosten komplett automatisiert bearbeitet“, nannte Steffen Baum nur ein Beispiel. In Zukunft setzt Solera vor allem auf die Weiterentwicklung von Qapter Claims. Neben einer verbesserten Systemintegration über BtoB-Schnittstellen wird auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz weiter forciert. So arbeitet die Entwicklungsabteilung interdisziplinär auf drei Kontinenten in sechs verschiedenen Ländern an neuen Anwendungen. „Die Zukunft ist 3D“, hieß es dazu vom Marco Kunz (Director Data Science Solera), der aus der Schweiz zum Kölner Treffen zugeschaltet wurde. Zur künftigen Entwicklung hieß es: „Der technologische Fortschritt der Sensortechnik in Smartphones ermögliche künftig eine genauere dreidimensionale Bestimmung des Schadenumfangs, bessere Lösungsansetze gegen Anfälligkeiten von Lichtreflexionen bei der Schadenbilderstellung, für die Bestimmung der exakten Position der Schäden sowie bei Komplexität und Unterschiede von Fahrzeugdesigns.“ Die KI wird künftig wohl auch interaktiver, sodass eine reaktivere, individuellere Unterstützung in der Schadenbearbeitung möglich wird. Diese Entwicklung trifft offenbar den Nerv der Branche oder zumindest den der anwesenden Sachverständigen. Denn bei einer spontanen Umfrage unter den Teilnehmern der Tagung in Köln wurde klar, dass nahezu alle Experten im Einsatz von KI einen absoluten Mehrwert sehen. ## Neuer AZT-Lackindex in Arbeit Um die Zukunft ging es auch in einer weiteren Schaltkonferenz zwischen Köln und Ismaning mit dem Allianz Zentrum für Technik (AZT). Seit einigen Jahren schon arbeitet das Institut des Kfz-Versicherers Allianz an dem neuen AZT Lackindex. Ralf Bahls (Solera) und Projektleiter Kuddusi Yilmaz informierten die Teilnehmer der 45. BGA über die
Projektziele und den aktuellen Stand der Entwicklung. AZT Paint Pro soll die gesamte Berechnungsgrundlagen auf eine neue Basis stellen. Derzeit werden die seit 2019 durchgeführten Arbeitszeitstudien und Lackmaterialberechnungen validiert und abgeschlossen werden, hieß es aus Ismaning. Dann schließe sich im Jahr 2026 ein Pilotphase an. Bis spätestens Ende 2027 soll AZT Paint Pro dann flächendeckend in Deutschland und international eingeführt werden. „Wir haben dieses neue Lacksystem maßgeblich in enger Zusammenarbeit mit dem AZT verbessert und führen es gemeinsam zur Marktreife“, erklärte Ralf Bahls. Solera Audatex AUTOonline hätte initiale Erweiterungen im Rechenkern der Schadenkalkulation bereits implementiert. In diesem Jahr finden nach Aussagen von Solera weitere interne Arbeiten und Pilotphasen bis zur Live-Schaltung spätestens Ende 2027 statt. Laut Information von Kuddusi Yilmaz ist die Integration von Spezifikationen für die Reparaturkalkulation mit gebrauchten Ersatzteilen zum derzeitigen Stand in AZT Paint Pro nicht vorgesehen. Glaser Story: Effiziente Prozesse für hohe Kundenzufriedenheit In Köln standen auch andere effiziente Prozesse durch Digitalisierung im Zentrum der Vorträge. Das galt speziell für die Glaser Story von BMW ProNET. Mario Zierer und Werner Jungwirth (BMW Kundensupport, Markt Deutschland) stellten ihre Arbeitsweisen im Rahmen der Glasschadenbearbeitung vor. Das vernetzte System für die Schadenabrechnung soll dabei alle am Prozess beteiligten Parteien auf Augenhöhe zusammenbringen. „Im Fokus muss der gemeinsame Kunde stehen, denn der Kunde unterscheidet nicht bei wem oder warum die Schadenregulierung aus seiner Sicht schlecht gelaufen ist“, erklärte Mario Zierer vor den Teilnehmern der BGA. Daher sei ein digitaler Prozess, in dem alle Informationen zusammenlaufen entscheidend für eine hohe Kundenzufriedenheit. ## Integration von Hagelscannern in Qapter Claims Gemeinsam mit dem Entwickler ADI zeigte Solera bei einer Live-Vorführung vor Ort in Köln wie die Integration von Hagelscannern in Qapter Claims funktioniert, die erst seit kurzem möglich ist. „Das beschädigte Fahrzeug fährt durch den Hagelscanner und innerhalb von wenigen Minuten ist der Schadenfall vollautomatisch in Qapter Claims angelegt“, erklärte Business Development Manager Arben Ndue bei dem Testlauf. „Nach dem Scanvorgang erfolgt die Schadenerkennung mittels KI und die automatisierte Kalkulation“, beschrieb der Solera Manager den Ablauf. „Die Überprüfung der Hagelschäden erfolgt dann im Rahmen der 3D-Grafik in Qapter.“ Im sogenannten Hail Interface wird aber nicht nur ein neuer Schadenfall automatisch angelegt, auch Kunden- und Fahrzeugdaten (VIN) werden vom System hinzugefügt, die Schadenkalkulation automatisch erstellt, die der Benutzer jederzeit weiterbearbeiten kann. Der so erstellte Schadenfall kann dann aus Qapter an Gutachter, Versicherungen oder Werkstätten versendet werden. Arben Ndue machte aber auch deutlich: „Trotz großer Fortschritte bei der Automatisierung bleiben gerade bei Hagelschäden die Herausforderungen bestehen, das Schadenbild richtig einzuschätzen und eine Wirtschaftlichkeitsprüfung vorzunehmen.“ ## Wie wird die KI weiterentwickelt? Solera erwartet in den nächsten Jahren weitere Fortschritte bei der Entwicklung und dem Einsatz Künstlicher Intelligenz. So geht der Konzern davon aus, dass die KI-gestützte
Schadensbearbeitung künftig die Bearbeitungszeit um rund die Hälfte reduzieren kann. 70 Prozent der Routineaufgaben könnten nach Einschätzung von Solera bis 2030 automatisiert werden. Zudem wird die mobile Schadenmeldung genauso an Bedeutung gewinnen wie der Einsatz von Scannern. „Datengetriebene Entscheidungen ermöglichen künftig genauere Risikoeinschätzungen“, ist sich KI-Experte Arben Ndue sicher. Derzeit planen Versicherer seiner Einschätzung nach höheren Investitionen in Datenanalyse und bauen die Betrugserkennung durch KI aus. Die Teilnehmer des Treffens in Köln ließ Arben Ndue anhand verschiedener Schadenfälle auf Basis von Schadenbildern die Reparaturkosten in Qapter Claims einschätzen. Zudem mussten die Kfz-Sachverständigen die Entscheidung treffen, ob eine Erneuerung durch Teiletausch oder Instandsetzung möglich sei. Das Ergebnis zeigte deutliche Unterschiede bei der Einschätzung der Reparaturkosten. Uneins waren sich die Teilnehmer, ob ein Schaden am Stoßfänger (Ergebnis Fifty-Fifty) instandgesetzt werden kann oder nicht. Bei einer beschädigten Seitentür fiel das Ergebnis deutlicher mit 19 zu 7 Stimmen für die Reparatur aus. „Der Test zeigt, wie weit die Einschätzungen auseinander liegen können, die KI kann zum jetzigen Zeitpunkt eben auch nur Annäherungswerte liefern. Wir arbeiten aber daran, dass sie dies in Zukunft noch viel besser kann“, fasst Arben Ndue zusammen. ## Trendforum gibt Ausblick auf künftige Themen Die Teilnehmer der 45. BGA diskutierten beim Trendforum auch künftige Entwicklungen im Automotive Market und mögliche Folgen für die gesamte Unfallschadenbranche. Dr. Ingo Blöink zeigte dabei frühere und aktuelle Entwicklungen bei OEMs und im Automobilbau auf. Deutlich wurde, dass das Thema Nachhaltigkeit derzeit bei Kfz-Versicherern offenbar weniger Konjunktur hat als die Reduzierung der Schadenkosten. Im Fokus könnten künftig Fahrzeugkomponenten stehen, deren Funktionen von Autofahrerinnen und Autofahrern flexibel hinzugebucht werden könnten. Das stellt Kfz-Versicherer im Schadenfall vor neue Herausforderungen. Auch der Einsatz von KI wird die Branche künftig noch stärker beschäftigen. In der Diskussionsrunde des Trendforums nannten Teilnehmer aus Versicherungskreisen und Schadenmanagement vor allem den Einsatz von Chatbots und Spracherkennung als mögliche Innovationstreiber. Bei der Prüforganisation DEKRA steht aktuell und künftig KI als Unterstützung und Entlastung bei der Regulierung von Großschadenereignissen wie Hagelschlag im Mittelpunkt. Sicher waren sich alle Teilnehmer in Köln, dass sich der in den nächsten Jahren zuspitzende Fachkräftemangel, die Markkonzentration und weniger Reparaturkapazitäten die Digitalisierung in der Schadenregulierung weiter vorantreiben werden.
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