2024-09-18T10:24:41+0000

Schadentalk: Kompromissbereitschaft bei Steuerern und Versicherern, Skepsis bei Verbänden

Er wurde mit Spannung erwartet: Der Schadentalk auf der Automechanika. Seit 2014 markiert die Diskussionsrunde immer eines der Messe-Highlights und auch dieses Mal war sie mit mehr als 500 Besucherinnen und Besuchern die am stärksten frequentierte Veranstaltung in der Halle 11. Das Interesse war auch deshalb so groß, weil sich auf dem K&L-Markt in den letzten zwei Jahren vieles verändert hat. 2022 standen die Betriebe aufgrund der dramatischen Kostenentwicklung massiv unter Druck. Heute sind es die Kfz-Versicherer und Schadensteuerer, die angesichts knapper Reparaturkapazitäten in der Bedrängnis sind. ## Reparaturkapazitäten sind der Dreh- und Angelpunkt Entsprechend direkt konfrontierten die Moderatoren Christian Simmert (schaden.news) und Konrad Wenz (Fahrzeug + Karosserie) die anwesenden Kfz-Versicherer und Schadensteuerer hinsichtlich ihrer Strategien. Waren die Zukäufe der Allianz in den letzten Jahren darauf ausgelegt, sich Reparaturkapazitäten und damit Marktanteile im stark umkämpften Kfz-Versicherungsmarkt zu sichern? Stefan Artz, Leiter Kraftfahrtschaden bei der Allianz Versicherung, gab darauf eine klare Antwort: „Nein, der Kauf der Innovation Group hatte damit primär überhaupt nichts zutun.“ Stattdessen betonte er, dass man eine klare Strategie verfolge und die Übernahmen von ControlExpert, GT Motive und Innovation Group in diesem Kontext zu betrachten seien. „Das Ziel muss sein, dass wir möglichst schlanke Prozesse haben, die wenig Reklamationen mit sich bringen. Und die insbesondere nicht davon geprägt sind, den letzten Euro zu bekommen oder nicht zu bezahlen. Damit haben wir in den letzten 10 bis 15 Jahren einiges übertrieben“, so Stefan Artz. ## Schadensteuerer betonen: Priorisierung innerhalb der Steuerung nicht möglich Das bestätigte auch Mark Alagna, Vorstandsvorsitzender der Innovation Group. Neben einem massiven Ausbau ihres Werkstattnetzes wollen die Stuttgarter einfache und standardisierte Prozesse etablieren, um dem Fachkräftemangel auch in den eigenen Reihen entgegenzuwirken. Mit Easy Repair, das im April mit der Allianz startete, habe
man solch einen Prozess bereits entwickelt. Ziel sei es nun, im nächsten Jahr über 90 Prozent des Reparaturvolumens damit zu steuern. Moderator Christian Simmert hakte an dieser Stelle noch einmal nach und wollte wissen: „Werden die Reparaturaufträge der Allianz bei der Steuerung priorisiert?“. Mark Alagna verneinte dies klar, faktisch sei es nicht möglich, innerhalb der Steuerung einen Kunden zu priorisieren. Angesprochen auf ein Schreiben an Werkstätten in diesem Jahr räumte er allerdings ein, dass die Innovation Group aktuell Gespräche initiiert und Angebote unterbreitet, um sich zusätzliches Reparaturvolumen bei den Werkstätten zu sichern. ## Wer steigt bei SPN mit ein? Neue Eigentümerverhältnisse gibt es seit diesem Jahr außerdem bei Riparo sowie dem Service Partner Netzwerk (SPN). Während Provinzial, Württembergische und R+V bei dem Holzgerlinger Schadensteuerer als Gesellschafter eingestiegen sind, hat die Allianz ihre Gesellschafteranteile bei SPN abgegeben. SPN-Geschäftsführerin Dimitra Theocharidou-Sohns gab sich in Frankfurt positiv und betonte, dass der Ausstieg der Allianz womöglich neue Chancen eröffne. Wie sich die Gesellschafter-Struktur der SPN künftig verändern wird, dazu äußerte sich die Geschäftsführerin im Schadentalk nicht. Bei Riparo sind die Eigentümerverhältnisse unterdessen klar abgesteckt: Jeder der drei Versicherer hält als Gesellschafter 25 Prozent, die restlichen 25 Prozent die Riparo-Geschäftsleitung. Riparo-Geschäftsführer Jürgen Schmidt sagt in diesem Zusammenhang: „Die drei Versicherer wollten gar nichts ändern, im Gegenteil. Es gibt eine Vereinbarung, dass sie nicht ins operative Geschäft eingreifen und von daher läuft für uns alles ganz normal weiter.“ Zudem betont er noch einmal, dass prozessual keine Chance bestehe, Aufträge der Gesellschafter oder Eigentümer innerhalb der Steuerung zu bevorzugen. In einer durchaus komfortablen Situation wähnt sich aktuell der Schadensteuerer DMS, der nicht von einem Kfz-Versicherer, sondern vom Werkstattnetz G.A.S. übernommen wurde. „Die eine oder andere Assekuranz weiß es durchaus zu schätzen, dass wir an der Stelle unabhängig sind“, führte hingegen Kai Gräper aus, der seit März 2023 die Geschicke des Schadensteuerers DMS leitet. ## Der Kostenentwicklung im Ersatzteilbereich entgegenwirken – aber wie? Neben den knappen Reparaturkapazitäten stellen zudem die kontinuierlich steigenden Schadenkosten eine große Herausforderung für die Kfz-Versicherer dar. Nach dem Negativ-Rekord 2023 drohen laut GDV auch in diesem Jahr erneut massive Verluste. Hauptkostentreiber sind unter anderem die immer teurer werdenden Ersatzteile. Sowohl
die HUK-Coburg als auch die Allianz Versicherung setzen deshalb einen starken Fokus auf die Verwendung von Gebrauchtteilen. Mit Blick auf die Nachhaltigkeit seien diese weiterhin ein interessantes Thema, betonte Martin Schneider, Leiter Werkstattnetze bei der HUK-Coburg. Allerdings sei kurz- bis mittelfristig nicht absehbar, wie Logistik, Qualitätskontrolle und Distribution geregelt werden können, um Gebrauchtteile für die Reparatur massenmarkttauglich zu machen. Das Mittel der Wahl sei daher nach wie vor Instandsetzen vor Erneuern, so der HUK-Werkstattnetzeleiter. Kai Gräper, Geschäftsführer des Schadensteuerers DMS, brachte zudem einen anderen Lösungsansatz in die Diskussion mit ein. Um nicht länger dem „Diktat des OEMs“ zu unterliegen, appellierte er in die Runde, bei der Ersatzteilversorgung einen Wettbewerb mit GVO-konformen Teilen zuzulassen. Da der Schadensteuerer zu Global Automotive Service (G.A.S.) und damit auch zur Unternehmensgruppe des Kfz-Teile-Spezialisten Coparts gehört, können – sofern der Auftraggeber das wünsche – GVO-konforme Teile tagesaktuell mit OE-Teilen verglichen werden. Die Verwendung gleichwertigerer, aber günstigerer Ersatzteile ist aus Sicht von Kai Gräper eine echte und zielführende Alternative, um die Kostenentwicklung aufzuhalten. ## Zahlungsverzug bringt Werkstätten in Bedrängnis Auf einer zweiten, kleinen Bühne – der sogenannten Speakers Corner – positionierten sich schließlich die Branchenverbände ZDK, BVdP und ZKF. Die Verbandsspitzen fanden dabei nicht nur deutliche Worte, sondern formulierten auch ganz klare Forderungen in Richtung der Auftraggeber. So monierte BVdP-Geschäftsführer Michael Pinto beispielsweise den Zahlungsverzug und betonte: „Die Zahlungsgeschwindigkeit muss steigen“. Spätestens am 10. Werktag nach Rechnungseingang sollte aus seiner Sicht die Rechnung beglichen sein. Ein Umstand den auch ZKF-Präsident Arndt Hürter untermauerte. Als Betriebsinhaber kennt er die angesprochenen Probleme nur zu gut. „Aus eigener Erfahrung muss ich leider sagen, dass die Versicherer mit ihren Zahlungen teilweise bis zu vier Monate zurückhängen und wir in so große Vorfinanzierungs-Schwierigkeiten kommen, dass das so nicht tragbar ist.“ Er brachte deshalb eine Art Abschlags- oder Vorschusszahlung ins Spiel, um die Kosten auf der Seite der Betriebe abzufedern. Die Reaktion der Versicherer und Schadensteuerer kam prompt. So wandte sich Stefan Artz von der Allianz direkt an den ZKF-Präsidenten: „Wenn die Zahlungsmoral aus ihrer Sicht ein Thema ist, dann können wir sicher sehr zügig daran arbeiten, weil das verhältnismäßig einfach zu automatisieren ist. Das ist ein Thema, an dem wir ganz konkret und zügig arbeiten können.“ Unabhängig davon arbeite auch die Innovation Group an der Zahlungsgeschwindigkeit. Laut Mark Alagna liege diese bei Easy Repair inzwischen
bei 3 bis 8 Tagen. DMS-Geschäftsführer Kai Gräper spielte den Ball hingegen zurück und betonte, dass auch die Werkstätten ihren Beitrag zu einem reibungslosen Prozess leisten müssten: „Ich hätte nie gedacht, dass das Mahnwesen für zu erhaltende Rechnungen solche Ressourcen einnimmt, wie es aktuell ist. Deshalb der große Appell an alle Partnerbetriebe: Schickt uns bitte die Rechnung zeitnah und sofort!“ ## Kostenlose Ersatzmobilität und Direktkundenregelung: Es kommt Bewegung rein Ein weiterer Dauerbrenner ist aus Sicht des Bundesverbands der Partnerwerkstätten die kostenlose Ersatzmobilität. Laut verbandsinterner Umfrage unter den Partnerwerkstätten haben sich die Standzeiten der Fahrzeuge im Schnitt um 3 bis 4 Tage verlängert. Entsprechend sind auch die Kunden länger mobil zu halten und die Ersatzfahrzeuge länger gebunden. Wie Michael Pinto in einen Rechenbeispiel vorrechnete, führe das zu einer Stundensatzreduktion von 10 Euro pro Stunde. Deshalb forderte er eine „praktische Lösung zur Entlastung der Werkstätten“. Denkbar sei beispielsweise eine Mobilitätspauschale abhängig von der Schadenhöhe. Arndt Hürter pflichtete seinem Verbandskollegen bei: „Die Kosten für den Fuhrparkt, den wir vorhalten, sind so hoch, dass es einfach dort auch eine Entlohnung geben muss.“ Wie diese in der Praxis aussehen könnte, blieb beim Schadentalk zunächst offen. Sehr viel konkreter sah es da hingegen bei der Direktkundenregelung aus, deren Abschaffung der BVdP ebenfalls seit Längerem fordert. Mark Alagna bestätigte in diesem Zusammenhang, dass es dahingehend Veränderungen geben wird. [Wie diese im Detail aussehen sollen, lesen Sie hier.](https://schaden.news/de/article/link/44209/innovation-group-kippt-bisherige-direktkundenregelung) ## Rechnungskürzungen: „Das ist einfach unerträglich“ Ein nicht weniger heiß diskutiertes Thema brachte anschließend ZKF-Präsident Arndt Hürter aufs Tableau: Die seit Jahren andauernden Rechnungskürzungen. „Bei den freien Schäden sind die Rechnungskürzungen teilweise sowas von lächerlich und fressen so viele Zeitressourcen, das ist einfach unerträglich“, berichtete der Verbandspräsident aus seiner täglichen Erfahrung als Betriebsinhaber. Ähnliche Erfahrungen würden ihm durch die Mitglieder-Betriebe auch im gesteuerten Geschäft widergespiegelt. Besonders ärgerlich aus Sicht des Branchenexperten: Meist hätten die beanstandeten Positionen sowohl in den Rechnungskürzungen als auch in den Rechnungsprüfungen keine Grundlage. Deshalb resümiert er ganz klar: „Wenn wir von vertrauensvoller Zusammenarbeit für die Zukunft reden wollen, dann müssen solche Schwachstellen abgestellt werden.“ Dazu zählen aus seiner Sicht auch die Regress- und Vorschädenklagen der Kfz-Versicherer, die aktuell vermehrt geführt werden. ## Miteinander statt Gegeneinander Ob den Assekuranzen und Schadensteuerern tatsächlich an einem partnerschaftlichen Umgang in den nächsten Jahren gelegen ist, wird sich freilich erst noch zeigen müssen. Fakt ist: Alle Vertreter auf der Bühne betonten in ihrem Abschlussstatement, dass sie die Prozesse weiter verbessern möchten und eine respektvolle und faire Zusammenarbeit mit den Werkstätten anstreben. Wie gut das gelingt, wird sich spätestens beim nächsten Schadentalk zeigen. ## Verlosung zum 10-jährigen Schadentalk-Jubiläum Im Anschluss an die gut zweistündige Diskussion verloste die Redaktion von schaden.news anlässlich des 10-jährigen Jubiläums des Schadentalks noch Werkstattausrüstung und andere hochwertige Preise unter den Messebesuchern. Gemeinsam mit DTM-Neuling Ben Dörr zogen die Moderatoren Christian Simmert und Konrad Wenz live auf der Bühne die Gewinner. Verlost wurde u.a. Sets und Werkzeuge der Werkstattausrüster Mirka, SATA und Sika. Lackhersteller PPG | Nexa Autocolor und die Expertenorganisation DEKRA sponserten zudem Tickets für Fußballspiele und Rennveranstaltungen. Der Hauptpreis, ein Ausbeulsystem von Carbon im Wert von 15.000 Euro, ging an den Karosserie- und Lackierbetrieb Schad Originale, der unter anderem auf die Restaurierung und Instandsetzung von Oldtimern der Marken Porsche und Mercedes Benz spezialisiert ist.
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