2024-08-21T09:08:28+0000

Quotenvorrecht und Kasko-Abtretungserklärung: „Kaum genutzt, hier wird viel Geld verschenkt“

Im Fokus der dritten Web-TV kompakt-Ausgabe, die seit dem 15. August online zu sehen ist, standen dieses Mal zwei rechtliche Dauerbrenner-Themen: das Quotenvorrecht und die Abtretungserklärung im Kaskofall. Beide erklärte Rechtsanwalt Henning Hamann im 20-minütigen Talk mit den Moderatoren Carina Hedderich und Christian Simmert. ## „15 Prozent aller Unfälle in Deutschland sind Quotenfälle“ Los ging es mit dem sogenannten Quotenvorrecht. Gemeint ist eine kombinierte Inanspruchnahme der gegnerischen Haftpflichtversicherung und der eigenen Kaskoversicherung. Diese ist immer dann möglich, wenn beide Unfallbeteiligten für den Schaden haftend gemacht werden können. Der Rechtsanwalt nannte als Beispiel zwei Fahrzeuge, die beim Rückwärts-Ausparken auf dem Supermarkt-Parkplatz gegeneinander fahren. „15 Prozent aller Unfälle in Deutschland sind Quotenfälle.“ Jedoch würden nur die wenigsten auch als solche abgerechnet, weiß der Anwalt aus Erfahrung. ## Das Quotenvorrecht in der Theorie In Konstellationen, bei denen das Quotenvorrecht greifen würde, werde der Fall wie ein Haftpflichtschadenfall behandelt. Heißt konkret: „Wir empfehlen einen Sachverständigen einzuschalten. Es wird auf Haftpflicht-Basis ein Gutachten erstellt, repariert und abgerechnet“, erklärt Henning Hamann. Der Haftpflichtversicherer sei dann verpflichtet, die Kosten gemäß der Haftungsquote zu bezahlen. Danach wird der Kaskoversicherer in Anspruch genommen, der die quotenbevorrechtigten Positionen ebenfalls gemäß der Haftungsquote ausgleicht. Zu den quotenbevorrechtigten Positionen gehören laut Henning Hamann beispielsweise das Sachverständigengutachten, die Reparatur selbst, aber auch die Wertminderung oder eventuelle Abschleppkosten. Mietwagen- und Nebenkosten zählen hingegen nicht dazu. ## Anschauliches Rechenbeispiel Welche Vorteile diese Form der Abrechnung für Kunden und Werkstatt bringen, verdeutlichte der Geschäftsführer der Kanzlei Voigt anhand eines Rechenbeispiels. Angenommen wird eine feststehende Haftung von 50 Prozent beider Unfallbeteiligten. „Bei einer Schadensumme von 5.000 Euro mit einer Selbstbeteiligung von 500 Euro, zuzüglich Gutachterkosten, Wertminderung und Mietwagenkosten von je 500 Euro sowie Nebenkosten in Höhe von 25 Euro ergibt sich eine Gesamtschadensumme von 6.525 Euro. Im Falle einer Abrechnung über die gegnerische Haftpflichtversicherung bekommt der Kunde also 3.262,50 Euro.“ Anschließend zahlt die Vollkaskoversicherung die quotenbevorrechtigten Positionen, also Reparatur- und Sachverständigenkosten sowie die Wertminderung. In dem Rechenbeispiel ergibt das weitere 3.000 Euro. Lediglich 262,50 Euro bleiben offen. ## „Triple-Win-Situation, die leider oft übersehen wird“ Henning Hamann verdeutlicht noch einmal, was das konkret bedeutet: „Das Quotenvorrecht ermöglicht eine Gesamterstattung von 96 Prozent des entstandenen Schadens!“ Zudem habe das Quotenvorrecht einen Mehrwert für alle Beteiligten: Für den Kunden entfällt die Selbstbeteiligung und der Schaden wird fast vollständig erstattet. Der Werkstatt werden die kompletten Reparaturkosten erstattet und trotzdem spart
der Kaskoversicherer. Denn wenn dieser direkt in Anspruch genommen worden wäre, hätte er die Reparaturkosten abzüglich der Selbstbeteiligung mit 4.500 Euro bezahlen müssen. „Es ist eigentlich eine Triple-Win-Situation. Leider wird diese Möglichkeit so oft übersehen, da wird viel Geld verschenkt“, resümiert Henning Hamann. ## Abtretungserklärung im Kaskoschadenfall Im zweiten Teil der rund 20-minütigen Sendung ging es um die Abtretung im Kaskofall. Denn das, was im Haftpflichtschadenfall inzwischen nicht mehr ratsam ist, ist im Kaskoschadenfall ein gutes Mittel für Werkstätten, um gekürzte Rechnungspositionen einzufordern. Möglich ist das jedoch erst seit Inkrafttreten des Gesetzes für faire Verbraucherverträge im Oktober 2021. Dieses Gesetz soll Verbraucher vor unbillig langen Vertragsverlängerungsklauseln schützen, aber es untersagt seit dem auch das bis dato übliche Abtretungsverbot. „Das hat zur Folge, dass die Werkstätten sich jetzt auch im Kaskofall die Ansprüche des Werkstattkunden abtreten lassen können“, erklärt Henning Hamann und fügt hinzu: „Dafür ist es aber wichtig, dass die Werkstatt nicht mit veralteten RKÜ arbeitet.“ Genau dies sei jedoch häufig der Fall. Der Anwalt appellierte deswegen an die Zuschauerinnen und Zuschauer, umgehend zu prüfen, ob das Formular den aktuellen Anforderungen entspricht und dieses gegebenenfalls zu ersetzen. Die aktuelle Version der RKÜ können sich Betriebe beispielsweise im Mitgliederbereich des ZKF herunterladen. ## „Gibt es keine Regelung in den AKB, gilt das Schadenrecht“ Die Möglichkeit der Abtretung im Kaskoschadenfall hat die Situation der Werkstätten aus Sicht des Rechtsanwalts erheblich verbessert. Dennoch nutzen viele Betriebe diese Option nicht. Aus Sicht des Experten eine verschenkte Gelegenheit, denn die Chancen, die gekürzten Rechnungspositionen zugesprochen zu bekommen, stünden sehr gut. Henning Hamann erklärt warum: „Laut einer Entscheidung des BGH gilt im Kaskobereich das gleiche wie im Haftpflichtbereich, es sei denn, es ist in den Versicherungsverträgen etwas anderes geregelt. Ich habe alle AKB der Versicherer durchgesehen, zu den üblichen Kürzungspositionen gibt es keine Regelungen. Das heißt, es gilt das Haftpflichtschadenrecht und das kann man dann auch gerichtlich durchsetzen.“ Anwaltliche Unterstützung sei schon deshalb immer ratsam für Werkstätten, weil die Rechtsexperten in diesen Fällen nicht nur unterstützen, sondern auch die komplette Abwicklung mit den Kfz-Versicherern übernehmen können. Abschließend richtete Henning Hamann das Wort noch einmal direkt an die zuschauenden Betriebsinhaberinnen und -inhaber: „Lassen Sie sich im Kaskobereich nicht auf die Kürzungen ein, wehren Sie sich!“
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