2024-05-22T09:07:20+0000

Schaden-Chefs und Sachverständige diskutierten bei Solera

Es ist ein sehr persönliches Treffen, eine in der Branche einzigartige Runde, bei der sich führende Entscheider aus der Kfz-Versicherungswirtschaft zum Meinungsaustausch zusammenfinden: Mitte Mai trafen sich in Düsseldorf mehr als 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur bereits 44. Auflage der Benutzergemeinschaft (BGA) von Solera Audatex AUTOonline, um verschiedenste Entwicklungen im Schadenmarkt zu besprechen. HUK-Coburg, Allianz, Generali, Provinzial, DEVK, Öffentliche Versicherung, Axa oder VGH - die Liste der anwesenden Assekuranzen war noch viel länger. ## Asiatische Automobilhersteller im Fokus Die neu aufgestellte Geschäftsleitung mit Vice President Dr. Ingo Blöink, Erik Jahn und Sven Leyens-Wiedau zeigte am malerischen Tagungsort direkt am Rhein auf, welche Trends den Schadenmarkt verändern. Besonderes im Fokus standen die wachsende Bedeutung neuer asiatischer Automobilhersteller und die Folgen für den Unfallschadenmarkt. Norbert Meyer, Business Development Manager und verantwortlich für den Kontakt zur Automobilwirtschaft betonte: „Die neuen chinesischen Hersteller erobern immer stärker den europäischen und deutschen Markt.“ Die Herausforderung bestehe für Solera vor allem darin, dass die technischen Daten wie Reparaturanleitungen, Teileinformationen und -preise, Reparatur- und Servicezeiten etc. rechtzeitig, sowie im ausreichenden Umfang und Qualität auf den höchstmöglichen Branchenlevel zu bringen. BYD, SAIC mit der Marke MG, NIO oder Geely entwickeln sich in kurzer Zeit sehr stark. „Das erfordert von Solera ein Höchstmaß an Einsatz, um realistische Arbeitszeitwerte in den Kalkulationssystemen bereit zu stellen.“ Zuletzt habe das Beispiel Tesla gezeigt, wie aufwendig dieser Prozess sein kann und dass man mit viel Beharrlichkeit am Ende ein für alle Seiten zufriedenstellendes Ergebnis erzielt. ## „Wir rechnen mit einer Stabilisierung der Schadenkosten auf hohem Niveau“ Erik Jahn stellte der Runde in Düsseldorf anhand der Datenlage von AUTOonline die aktuelle Entwicklung der Schadenkosten sowie von Rest- und Wiederbeschaffungswerten vor. „Keiner von uns hat im vergangenen Jahr damit gerechnet, dass die ohnehin schon hohen Reparaturkosten noch einmal drastisch steigen könnten“, erklärte der Solera Manager. Gemessen an dem Zeitpunkt vor der Corona-Krise im Januar 2020 seien die Schadenkosten sowie Rest- und Wiederbeschaffungswerte in einem Korridor von 120 bis fast 150 Prozent gestiegen. Erik Jahn rechnet nun damit, dass sich das hohe Kostenniveau stabilisiert. Allerdings seien sichere Prognosen angesichts der globalen Unsicherheiten und der dynamischen Marktentwicklung kaum möglich. ## Zukunft der Schadensteuerung in der Diskussion Während der BGA trafen in einer Talkrunde auch der Bundesverband der Partnerwerkstätten (BVdP) auf die Schadensteuerer SPN und Innovation Group. Geschäftsführer Michael Pinto kritisierte die Direktkundenregelung deutlich, forderte bessere Konditionen für Betriebe und einfach Prozesse in der Schadenregulierung. Mark Alagna, Vorstandsvorsitzender bei Innovation Group, sicherte in der Talkrunde zu, dass die Stuttgarter mit der Einführung von Easy Repair den administrativen Aufwand deutlich reduzieren wollen. Er gab vor den Schaden-Chefs der mehr als 20 anwesenden Kfz-Versicherer auch bekannt, dass es künftig für Direktkunden einen höheren Stundensatz geben wird. SPN-Geschäftsführerin Dimitra Theocharidou-Sohns sieht ebenfalls die
Notwendigkeit der Reduzierung des administrativen Aufwandes für die Partnerwerkstätten, legte aber besonderen Wert darauf, dass die Betriebe auch den Blick auf die „Customer Journey“ richten müssen, die für die Kfz-Versicherungswirtschaft von enormer Bedeutung für die Kundenbindung sei. Darüber hinaus zeigte sich die Chefin des SPN Service Partner Netzwerkes überzeugt, dass der Schadensteuerer den Verlust der Reparaturaufträge der Allianz Versicherung nutzt, um neue Wege zu gehen – sowohl was die Kundenstruktur als auch die Prozessorganisation angeht. Bei Innovation Group hat das „umgelenkte“ Reparaturvolumen der Allianz laut Mark Alagna für ein Wachstum bis zu 30 Prozent gesorgt, das jetzt durch bessere Rahmenbedingungen und der Zahlungszusage bei Auftragsvergabe (Easy Repair) handelbar werden soll. Mit funktionierenden Systemen und einem größeren Werkstattnetz sei mehr Geschwindigkeit in der Schadenlenkung erreichbar – bei gleichbleibender Vermittlungsqualität. Key Account Manager Bernd Albrecht (Solera Audatex AUTOonline) zeigte sich während der Diskussion überzeugt, dass gerade durch die elektronische Beauftragung viele Herausforderungen bewältigt werden könnten. Schon vor 15 Jahren hatte Audatex diese digitale Vermittlungsstrecke für die HUK-Coburg entwickelt. ## CO2-Emissionen werden messbar Auch der von der Allianz Versicherung angekündigte Einsatz von gebrauchten Ersatzteilen bei bestimmten Komponenten im Rahmen der Unfallschadenreparatur wurde in Düsseldorf thematisiert. Hinter den Kulissen wurde der Weg von einigen Teilnehmern als unrealistisch und in der Praxis als nicht oder nur schwer umsetzbar kritisiert. Mark Alagna betonte während der Podiumsdiskussion, dass der Einsatz von gebrauchten Ersatzteilen eine Möglichkeit für mehr Nachhaltigkeit sei, man aber abwarten müsse, wie sich Strukturen überhaupt erst entwickeln lassen. Passend zum Thema Nachhaltigkeit präsentierte Dr. Ingo Blöink im Rahmen der 44. BGA Ergebnisse der Lösung „Sustainable Estimatics“, mit dem die CO2-Emissionen einer Instandsetzung erstmals messbar werden. Der dazu entwickelte Algorithmus sei einzigartig und als erstes Unternehmen nach ISO 14064 zertifiziert. Als Beispiel nannte der Vice President von Solera die Reparatur an einem Toyota Yaris (UK) mit einem Heckschaden. Nach seinen Angaben werden beim Verbau eines Ersatzteiles (Stoßstange) insgesamt 63,86 kg CO2-Emissionen freigesetzt. Bei der Verwendung eines gebrauchten Ersatzteiles (Green Parts) sind es 54,91 kg und bei der Instandsetzung des beschädigten Fahrzeugteils ohne Tausch reduziert sich die CO2-Emission auf 45,35 kg. „Der Algorithmus basiert auf realistischen Daten und verifizierten Berechnungen, ist also schon sehr nahe an der Realität“, betonte Dr. Ingo Blöink. „Basis der Berechnungen sind Durchschnittswerte, die wir bisher für acht Automobilhersteller durchgeführt haben. Wir werden das System jetzt weiter justieren.“ Die Angaben berücksichtigen die Emissionen die bei Produktion, Verbringung und Instandsetzung entstehen. Als Feature in der Schadenkalkulation von Audatex soll „Sustainable Estimatics“ im Verlauf des Jahres 2024 eingeführt werden. ## Qapter als Treiber für Innovation Neben der Nachhaltigkeit setzt Solera die Weiterentwicklung von Qapter Claims fort. „Über verschiedene Accounts lässt sich Qapter flexibel auf individuelle Anforderungen von Kfz-Versicherern, Sachverständigen und Werkstätten einstellen“, erklärte Training Specialist Steffen Baum. Konkrete bedeutet das: Jeder Akteur im Schadengeschäft kann sich die Anwendungen mit verschiedenen Modulen zusammenstellen lassen. Eine neue Funktionalität erhöht zudem die Prozessgeschwindigkeit. Mit der Anwendung „Intelligent Estimation“ ist es möglich dem Fahrer eines Autos im Schadenfall eine SMS mit einem Link auf sein Handy zu senden, damit er selbst verwertbare Schadenbilder anhand einer
Fahrzeugmaske unter automatisierter Anleitung erstellt. Diese Fotos werden dann in Qapter Claims gespeichert und verarbeitet. Das System findet dann eigenständig das betroffene Bauteil, schätzt den Reparaturaufwand und erstellt automatisch eine Vorabkalkulation, die es den Sachverständigen oder der Werkstatt erleichtern eine Berechnung der Instandsetzungskosten vorzunehmen. Steffen Baum zeigte den Teilnehmern auch eine optimierte 3D Darstellung von Fahrzeugkomponenten, die eine vollständige Auswahl noch verbessert. „Mit Qapter Claims sind jetzt auch einzelne Bereiche von beschädigten Fahrzeugteilen markierbar für die Reparaturkosten automatisiert ermittelt werden.“ Auch der Vergleich verschiedener Kostenvoranschläge ist bei einer strukturierten Datenübertragung möglich, sodass verschiedene Reparaturwege abgeglichen werden können. Alle Features lassen sich darüber hinaus in verschiedenen Sprachen anzeigen. ## In welche Richtung geht die Entwicklung? Beim Treffen in Düsseldorf warf das Solera-Team auch einen Blick in die Zukunft der Schadenaufnahme und -kalkulation. Neben der konkreten Messung von Nachhaltigkeitszielen durch „Sustainable Estimatics“ wird es künftig mit Qapter Claims auch möglich sein, einen Schaden in verschiedene Schadenbereiche mit differenzierten Kalkulationsabschnitten zu unterteilen. Außerdem werden Arbeitspositionen bei Verbundarbeiten künftig flexibel auswählbar. So können dann auch Tätigkeiten individuell bezeichnet und Arbeitszeitwerte vergeben und als freie Arbeitspositionen in die Schadenkalkulation eingefügt werden. Damit will Solera den Weg zu mehr Flexibilität und individuelle Anpassung an spezifische Anforderungen seiner Kunden weiter ebnen.
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