2023-05-31T08:30:34+0000

„Energiepreispauschale ist gerade bei schwankenden Kosten ein probates Mittel für Werkstätten“

_Die massive Verteuerung der Energiepreise im letzten Jahr hat zu einer noch nie dagewesenen Kostenbelastung bei den Karosserie- und Lackierbetrieben geführt. Um diese stemmen zu können, haben viele Werkstätten ihre Stundensätze erhöht, andere setzten auf eine sogenannte Energiepreispauschale. Ähnlich wie die coronabedingten Desinfektionskosten versuchen Kfz-Versicherer jedoch, auch die Energiepreispauschale zu kürzen. Ein erstes Urteil könnte hier nun richtungsweisend sein. Rechtsanwalt Henning Hamann, Geschäftsführer der Kanzlei Voigt, erklärt im Interview, wie das Gericht entschieden hat, warum die Pauschale ein probates Mittel für Werkstätten ist und worauf Betriebe bei der Erhebung achten sollten. _ ___Herr Hamann, um die explodierten Energiekosten stemmen zu können, haben einige K&L-Betriebe im letzten Jahr eine sogenannte Energiepreispauschale im Rahmen der Reparatur berechnet. Das Amtsgericht Duisburg-Hamborn beschäftigte sich in einem aktuellen Fall mit der Kürzung der Reparaturrechnung und der Energiekostenpauschale.___ __Henning Hamann: __Richtig, eine Werkstatt im Einzugsgebiet des AG Duisburg-Hamborn hatte ihrem Kunden eine Energiekostenpauschale in Höhe von 15 Euro netto zzgl. MwSt, in Summe also 17,85 Euro, in Rechnung gestellt. Zusätzlich waren diese Kosten im allgemeinen Preisaushang bekannt gemacht und der Preisaushang war über die Allgemeinen Reparaturbedingungen wirksam in den Werkstattauftrag einbezogen. Im Sachverständigengutachten waren diese Kosten allerdings nicht enthalten. Das Amtsgericht Duisburg-Hamborn hat diese Energiekostenpauschale gleichwohl als grundsätzlich berücksichtigungsfähig gewertet und verweist zur Begründung auf ein Urteil des BGH vom 18.02.2020, VI ZR 115/19, nach welchem auch eine Verteuerung der Wiederherstellungskosten, etwa durch Preissteigerungen, zu Lasten des Schädigers gehen. ___Verhält es sich mit der Energiekostenpauschale also ähnlich wie mit der Pauschale zur Fahrzeugdesinfektion während der Corona-Pandemie?___ __Henning Hamann:__ Genau. Spätestens seit der Desinfektionskostenentscheidung des BGH (Urteil vom 13.12.2022, VI ZR 324/21) ist das Argument der Versicherer, dass diese Kosten unter die Allgemeinkosten der Betriebe fallen, auch vom Tisch. Der BGH hat dazu in der Entscheidung, in der ein Sachverständiger dem Kunden Kosten für die Desinfektion des Fahrzeugs berechnet hat, wie folgt ausgeführt: „Ebenso wie die Wahl seines individuellen Hygienekonzepts selbst steht auch die betriebswirtschaftliche Entscheidung, ob die hierfür anfallenden Kosten gesondert ausgewiesen oder als interne Kosten der Arbeitssicherung in die Kalkulation des Grundhonorars ‚eingepreist‘ werden, grundsätzlich dem Sachverständigen als Unternehmer zu. Angesichts der nur vorübergehenden Natur jedenfalls der verschiedenen Phasen der Corona-Pandemie mag es sogar ein Ausdruck des Bemühens um Kostentransparenz sein, die Pauschale für die Dauer ihres Anfallens gesondert auszuweisen. Entgegen den Zweifeln des Berufungsgerichts begegnet es daher keinen grundsätzlichen Bedenken, dass der Sachverständige die Corona-Desinfektionspauschale gesondert berechnet hat“. Ich gehe zwar nicht davon aus, dass die massive Verteuerung der Energiekosten insgesamt nur von vorübergehender Natur ist, aber wie dargestellt gibt es auch hier
verschiedene Phasen der Teuerungsraten, die über eine variable Pauschale sehr gut abgebildet werden können. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten die Betriebe diese Kosten in den allgemeinen Preisaushang mit aufnehmen. ___Was heißt das konkret für die Werkstätten?___ __Henning Hamann:__ Während viele Werkstätten in den letzten Monaten ihre Stundenverrechnungssätze erhöht haben, ist das Thema Energiekostenpauschale in der Branche noch immer nicht so richtig angekommen. Dabei ist es gerade bei schwankenden Kosten ein aus meiner Sicht sehr probates Mittel, um diese Kosten moderat und fair weiterzugeben. Die Versicherer versuchen sich aktuell zwar – wie üblich – dagegen zu wehren, rechtlich dürften die Werkstätten aber die bedeutend besseren Karten haben. ___Worauf sollten die K&L-Betriebe bei der „Einpreisung“ der Energiekostenpauschale achten?___ __Henning Hamann:__ Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes haben sich im industriellen Bereich bei Erdgas und Heizöl die Kosten im Vergleich zu 2021 mehr als verdoppelt, teilweise verdreifacht. Auch die Stromkosten sind massiv, teilweise um bis zu 50 % und mehr gestiegen. Sommer und Winter haben darauf nur einen kleinen Einfluss. Natürlich kommen im Winter noch zusätzliche Heiz- und Stromkosten für Beleuchtung hinzu, weil es nicht nur kälter, sondern auch früher dunkel und später hell wird. Die Energiekosten sind aber auch im Sommer deutlich höher als noch vor zwei Jahren. Nach meiner festen Überzeugung können und sollten die Betriebe mithin auch in den nominell warmen Monaten diese gestiegenen Energiekosten in Form einer Pauschale weiterberechnen, auch wenn diese Pauschale im Sommer eben etwas geringer ausfallen kann als im Herbst oder im Winter. Und eines muss aus klar sein: Es darf nicht zwei verschiedene Preislisten geben. Eine für „normale“ Kunden, und eine für solche Kunden, bei denen am Ende der Versicherer zahlen muss. Wenn sich ein Betrieb für eine Erhöhung der Stundenverrechnungssätze oder eine Energiekostenpauschale entscheidet, dann müssen diese Kosten für alle Kunden gleichermaßen gelten. ___Vielen Dank für das Interview!___
Lesens Wert

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