2023-03-29T12:10:09+0000

AZT-Studie: „Jedes Ersatzteil, das nicht produziert, gelagert oder transportiert werden muss, ist ein Gewinn“

Mit den stockenden Lieferketten für Ersatzteile rückte die Methode „Instandsetzen vor Erneuern“ wieder stärker in den Fokus der Branche. Gemäß den Ergebnissen der aktuellen schaden.news-Konjunkturumfrage setzen 50 Prozent der befragten Betriebe durch die Lieferverzögerungen noch stärker auf „I statt E“ als vorher. Dass diese auch unter nachhaltigen Gesichtspunkten zu bevorzugen ist, bestätigen nun auch die Ergebnisse der Studie „Repair or Replace“, die im letzten Jahr vom Allianz Zentrum für Technik (AZT), der Allianz SE sowie den Partnern Metsims Sustainability Consulting und Oakdene Hollins durchgeführt wurde [(die komplette Studie finden Sie hier)](https://www.azt-automotive.com/_Resources/Persistent/dc786fc06510f5a0024ac0d8be9a8ec64fe7b43f/2023_Repair%20or%20Replace%20Project%20Report_AZT.pdf). Diese belegen eindrücklich, wie viel CO2-Emission sich im direkten Vergleich von Instandsetzen und Erneuern tatsächlich einsparen lässt. Hierfür hat das Projektteam die Ökobilanzen für die Reparatur beziehungsweise den Austausch an neun Fahrzeugteilen eines VW ID.3 ermittelt. „Mit Blick auf den steigenden Anteil von Elektrofahrzeugen im Fahrzeugbestand und der Unfallreparatur haben wir uns bewusst für einen VW ID.3 als Referenzfahrzeug entschieden“, erklärt AZT-Referatsleiter Thomas Behl im Gespräch mit schaden.news. ## Vergleich: Reparatur vs. Austausch an neun Fahrzeugteilen Bei den Fahrzeugteilen handelt es sich dabei um die statistisch gesehen am häufigsten beschädigten Teile: eine Vorder- und Hintertür, eine Seitenverkleidung, Scheinwerfer, eine vordere Stoßfängerverkleidung, eine Heckstoßfängerverkleidung, eine Windschutzscheibe, eine Motorhaube sowie einen Kotflügel. Im Rahmen der Studie verglichen die Experten die CO2-Emissionen, die einerseits während der Reparatur und andererseits innerhalb der Fertigung des jeweiligen Ersatzteils bis hin zu dessen Verbau entstehen. Die Ergebnisse sind deutlich, „für jedes analysierte Teil ist die Reparatur mit einem geringeren CO2-Fußabdruck verbunden als Ersatz“, heißt es in der Studie. „Die prozentuale Einsparung der CO2-Emissionen liegt je nach Fahrzeugteil zwischen 4 und 99 Prozent. Mit 99 Prozent war diese bei der Windschutzscheibe am größten“, so Thomas Behl. Vor dem Hintergrund, dass die Hälfte aller Kaskofälle Glasschäden seien, ergebe sich daraus „ein erhebliches Einsparpotenzial“ ## Betrachtung des gesamten Lebenszyklus Für jedes Fahrzeugteil beschreibt die Studie dabei ein detailliertes Reparaturszenario. Für den vorderen Stoßfänger wird beispielsweise eine durchschnittliche reparierbare Beschädigung angenommen, im Zuge derer der Stoßfänger demontiert und mit einem Kunststoffschweißverfahren (Polypropylen-Verstärkungsstreifen und zweiteilige Polyurethan-Reparaturklebstoff) inklusive anschließendem Spachteln, Lackieren und
Aushärten repariert wird. Auch für den Austausch dokumentiert das Projektteam die jeweils spezifischen Annahmen zum CO2-Ausstoß von der Rohstoffgewinnung über die Herstellung bis hin zum Transport zur Werkstatt. ## Keine signifikanten Unterschiede im Lackierprozess Für die Reparatur gingen die Experten jeweils von einer Ganzteillackierung aus. „Dabei zeigte sich, dass es im Lackierprozess – also Grundierung, Lackierung und Aushärtung – zeitlich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Szenarien „Erneuerung“ und „Reparatur“ gibt. Für die Reparatur lag der Zeitaufwand bei durchschnittlich 1,56 Stunden, für die Lackierung eines Neuteils im Rahmen eines Austauschs bei 1,53 Stunden.“ Die CO2-Äquivalente des Lackierprozesses variieren je nach Fahrzeugteil: Bei den Kunststoff-Stoßfängerverkleidungen wird während der Reparaturlackierung mehr CO2 emittiert als bei der Neuteillackierung, bei der Seitenverkleidung ist es genau andersherum. Dennoch sorgen die Einflüsse rund um die Produktion des Ersatzteils am Ende dafür, dass die Reparatur in allen Fällen nachhaltiger ist als der Austausch. Mit 99 Prozent ist die Reduktion der CO2-Emission bei der Reparatur von Scheinwerfern und Windschutzscheiben am höchsten, gefolgt von 62 Prozent bei Türen und 56 Prozent bei der Seitenwand. Am niedrigsten war die Reduktion mit 4 Prozent beim Kotflügel. ## Hoher Ressourcenverbrauch bei Ersatzteilproduktion „Es ist also die Produktion des Ersatzteils, die den Unterschied macht“, resümiert der AZT-Referatsleiter und fügt hinzu: „Jedes Ersatzteil, das nicht produziert, auf Lager gehalten und transportiert werden muss, ist ein Gewinn.“ Gleichwohl die Ergebnisse letztlich nicht überraschen, belegen sie doch eindeutig, welches Potenzial in der Reparatur beschädigter Fahrzeugteile steckt. Mit dieser lassen sich nicht nur erhebliche Mengen des Treibhausgases CO2 einsparen, sondern auch die Kosten minimieren. Zwar wurde im Rahmen der Studie nicht die konkrete Kostenersparnis ermittelt, [jedoch zeigte das Allianz Zentrum für Technik bereits beim 10. Allianz Autotag im vergangenen Jahr auf, dass beispielsweise mit der Reparatur einer Windschutzscheibe bis zu 1.200 Euro und mit der Instandsetzung eines Scheinwerfers bis zu 1.000 Euro eingespart werden können.](https://schaden.news/de/article/link/43146/allianz-autotag-2022-azt-thematisiert-nachhaltige-unfallschadenreparatur) Da Reparaturkosten ein wesentlicher Einflussfaktor bei der Versicherungsprämie sind, hätte dies somit einen weiteren positiven Effekt. ## Grundlage für weiterführende Untersuchungen Die Studie markiert laut Thomas Behl nun den Auftakt für weitere Untersuchungen: „Die Zeichen der Zeit sind eindeutig, im Schadengeschäft muss sich etwas ändern. Wir werden uns Allianz- seitig weiter mit der Nachhaltigkeit beschäftigen. Unser Ziel ist es, gemeinsam mit Branchenverbänden, einen Nachhaltigkeitsstandard für Werkstätten zu schaffen. Zudem soll es weitere CO2-Vergleiche zum Beispiel auch speziell rund um den Austausch und die Reparatur von HV-Batterien geben.“
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