2022-02-09T10:49:48+0000

Neues Kaufrecht: Droht Händlern und Werkstätten eine Klagewelle durch Verbraucherschützer?

Zum 1. Januar trat das neue Kaufrecht in Kraft – das Auswirkungen auf den Fahrzeughandel und auch das Schadenrecht hat. Im Interview mit schaden.news fasst Rechtsanwalt Henning Hamann, Geschäftsführer der ETL Kanzlei Voigt, die wichtigsten Neuerungen zusammen und erklärt, warum seine Kanzlei täglich Aufklärungsarbeit leisten muss. ___Herr Hamann, das neue Kaufrecht gilt seit Jahresbeginn. Was hat sich damit konkret geändert und wer ist von diesen Änderungen betroffen?___ __Henning Hamann:__ Betroffen ist jeder Unternehmer, der an einen Verbraucher verkauft. Also Fahrzeughändler, aber auch K&L-Werkstätten, die beispielsweise Kfz-Teile oder Zubehör anbieten. Geändert haben sich drei wesentliche Faktoren: Zum einen der Sachmangelbegriff. Die Ware muss jetzt sowohl den subjektiven als auch den objektiven Anforderungen entsprechen. Zudem gilt die Vorschrift „Kauf in Kenntnis eines Mangels“ jetzt nicht mehr bei Verbrauchsgüterkäufen. Das heißt, selbst wenn der Kunde wissentlich ein Auto mit fehlendem Lenkrad kauft, dann ist das Auto trotzdem mangelhaft, weil ein Fahrzeug ohne Lenkrad nicht den objektiven Anforderungen entspricht. Gerettet werden kann all das nur durch eine verpflichtend neue, sehr umfangreiche, vorvertragliche Informationspflicht des Händlers, die mit zeitlichem Abstand zum Kaufvertrag erfolgen muss. ___Die zweite Änderung betrifft die Beweislastumkehr, richtig?___ __Henning Hamann:__ Genau. Um die Verbraucher zu stärken, wurde die Beweislastumkehr von sechs auf 12 Monate verlängert. Das heißt, der Verbraucher kann nach dem Kauf 12 Monate lang einen Schaden an seinem Fahrzeug geltend machen und eine Reparatur durch den Händler verlangen, solange der Händler nicht beweisen kann, dass das Fahrzeug bei Übergabe mangelfrei war. Das ist vor allem für Gebrauchtwagenhändler ein extremer Risikofaktor. Denn in der Regel kann der Händler nicht beweisen, dass der Sachmangel nicht schon zum Zeitpunkt der Fahrzeugübergabe vorhanden war, sondern durch den Fahrer selbst verursacht wurde. Deswegen appellieren wir an Händler und Werkstätten: Arbeiten Sie intensiv mit Sachverständigen zusammen und lassen Sie vorab für jedes Fahrzeug einen Gebrauchtwagencheck durchführen und den Zustand des Wagens durch Fotos dokumentieren. ___Und die dritte Änderung?___ __Henning Hamann:__ Diese betrifft die sogenannte Aktualisierungspflicht für Sachen mit digitalen Elementen, zu denen auch Autos mit Motorsteuergeräten, Navigationsgeräten etc. gehören. Der Händler ist seit Jahresbeginn verpflichtet, sicherzustellen, dass das Fahrzeug bei der Übergabe den aktuellsten Software-Stand hat. Zudem steht er in der Pflicht über zwei Jahre alle eventuellen Updates kostenfrei durchzuführen. Zwar kann diese Aktualisierungspflicht vertraglich einvernehmlich ausgeschlossen werden – und
laut unserer Kenntnis wird dies aktuell auch überall so gehandhabt – aber es ist fraglich, ob Kunden von jungen Gebrauchtwagen fortan freiwillig auf kostenfreie Updates verzichten. ___Die Aktualisierungspflicht ist ja – vor allem für Mehrmarkenhändler – mit einem enormen zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden. Wie können die Händler das denn stemmen?___ __Henning Hamann:__ Nicht nur die Aktualisierungspflicht, auch die verlängerte Beweislastumkehr stellt ein erhebliches finanzielles Risiko dar. Die Händler werden nicht umhinkommen, diesen Aufwand einzupreisen und auf die Fahrzeugpreise aufzuschlagen. Und das bei den ohnehin gerade schon erhöhten Gebrauchtwagenpreisen. Die Updatepflicht hat zudem bereits dazu geführt, dass große Markenhändler nur noch Eigenmarken vertreiben. Wir kennen auch Beispiele, bei denen der Handel komplett eingestellt wurde. ___Jede Neuerung für sich hat also enorme Auswirkungen auf Händler und Werkstätten. Sie stehen ja täglich in Kontakt mit diesen, wie ist ihr Eindruck, ist die Branche gut auf die Änderungen vorbereitet?___ __Henning Hamann:__ Nein, die Branche ist überhaupt nicht gut vorbereitet. Wir leisten nicht nur hier am Standort in Dortmund, sondern deutschlandweit an jedem Standort, täglich Aufklärungsarbeit. Die Zugriffszahlen auf die Aufzeichnung des Sonder-Webinars, welches wir im Herbst dazu veranstaltet haben, sind enorm_ __(siehe dazu Infobox links)___. Wir können nur weiter appellieren: Nehmen Sie die Änderungen ernst, befassen Sie sich damit und passen Sie ihre Formulare entsprechend an. Es ist damit zu rechnen, dass Verbraucherschutzanwälte verstärkt auf dieses Thema aufspringen und Verbraucher auch bewusst auf ihre Rechte aufmerksam machen. ___Herr Hamann, herzlichen Dank für das Gespräch!___
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