2021-10-27T08:36:39+0000

Gesetzesänderung: Profitieren K&L-Betriebe durch neues Kaufrecht?

Von „gewaltigen Auswirkungen für den gesamten Fahrzeughandel, aber auch für das Schadenrecht und damit für den Bereich Aftersales“ sprach die ETL Kanzlei Voigt in ihrer Ankündigung für ein Sonder-Webinar zum neuen Kaufrecht. Vergangene Woche (20. Oktober) erklärte Geschäftsführer Henning Hamann schließlich, welche Auswirkungen das konkret sind und wie sich das Kaufrecht ab dem kommenden Jahr verändert. Unsere Redaktion hat die wichtigsten Aussagen des Rechtsexperten für Sie noch einmal zusammengefasst. ## Änderung Sachmangelbegriff Mit Inkrafttreten des neuen Kaufrechts zum 1. Januar 2022 wird zunächst einmal ein neuer Sachmangelbegriff vom Gesetzgeber eingeführt. Demnach ist eine Ware frei von Sachmängeln, „wenn sie bei Gefahrenübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht.“ Neu ist hier die Gleichgewichtung der Anforderungen, die massiven Änderungen betreffen aber ausschließlich den Verbrauchsgüterkauf, also den Verkauf einer Sache durch einen Unternehmer an einen Verbraucher. So wird zum einen der noch bis Jahresende geltende §442 zum „Kauf in Kenntnis eines Mangels“ künftig beim Verbrauchsgüterkauf ausdrücklich ausgeschlossen. Zum anderen formuliert der Gesetzgeber in §476 zur Stärkung des Verbraucherschutzes eine vorvertragliche Informationspflicht. „Der Gesetzgeber möchte, dass der Verbraucher vor Vertragsschluss eigens informiert wird und später im Vertrag noch einmal ausdrücklich und gesondert auf eventuelle Abweichungen oder Mängel der Ware hingewiesen wird“, erklärt Rechtsanwalt Henning Hamann im Rahmen seines Vortrages. ## Neue Formulare notwendig Aber was heißt das konkret? Soll zum Beispiel ein Auto mit einem reparierten Heckschaden verkauft werden, dann reicht es jetzt nicht mehr aus, dem Käufer das im Kaufvertrag mitzuteilen. „Nein, sie müssen den Käufer vor und eigens über diesen reparierten Heckschaden und über jede andere Abweichung von der üblichen Beschaffenheit informieren“, erklärt der Rechtsanwalt. Im Gesetzesentwurf heißt es dazu: „Für den stationären Verkauf wird davon ausgegangen, dass der Händler ein vorgedrucktes Formular mit der Darstellung der negativen Beschaffenheit verwendet, auf dem vor Ort die Zustimmung des Verbrauchers unter Angabe von dessen persönlichen Daten vermerkt wird.“ Wie so ein entsprechendes Musterformular aussehen kann, zeigte Henning Hamann direkt im Anschluss. Auch der Onlinehandel muss eine Lösung – z.B. durch anklickbare Schaltflächen – hierfür finden. Zudem müssen alle Abweichungen noch einmal ausdrücklich und gesondert im Kaufvertrag aufgeführt werden, also insbesondere drucktechnisch hervorgehoben werden. ## Auch Gutachter sind gefragt Eine Gefahr sieht der Fachanwalt darin, dass bestimmte Käufergruppen versuchen könnten, aus kleinsten – nicht dokumentierten – Kratzern Profit zu schlagen. Deswegen
appellierte der ETL-Geschäftsführer an die zusehenden Sachverständigen: „Stärken Sie ihr Gebrauchtwagencheck-Produkt, man wird es brauchen.“ Bestenfalls sollte die Dokumentation durch einen Sachverständigen sogar mit in die vorvertragliche Information und den Kaufvertrag aufgenommen werden, so der Rechtsexperte. ## Updateverpflichtung für Kaufsachen mit digitalen Elementen Besondere Vorschriften gelten ab nächstem Jahr auch für den Kauf einer Sache mit digitalen Elementen – zu denen laut Gesetzesentwurf aus Sicht des Gesetzgebers auch Autos gehören. Für sie soll künftig eine Aktualisierungspflicht gelten. Demnach soll der Verbraucher in einem Zeitraum von 5 Jahren nach dem Kauf erwarten dürfen, dass Aktualisierungen – sprich Softwareupdates – für die Kaufsache kostenfrei bereitgestellt werden und dass der Verbraucher über diese Aktualisierungen informiert wird. ## Aktualisierungspflicht stellt Handel vor massive Probleme Die Aktualisierungsverpflichtung führt aus Sicht von Henning Hamann nicht nur zu einem „Dauerschuldverhältnis“, sondern auch dazu, „dass der Verkäufer dafür haftet, dass ein Dritter die Daten nicht mehr zur Verfügung stellt“. Zudem gehen weitere Probleme mit der Updateverpflichtung einher: Denn ab dem 1. Januar 2022 müssen sich Neu- und Gebrauchtwagenhändler stets informieren, für welches Modell es gerade ein Update gibt. Das ist nicht nur zeitaufwendig, sondern auch ressourcenbindend, insbesondere für Mehrmarkenhändler. ## Ausweg oder Sackgasse? Immerhin: Der Gesetzgeber gibt Händlern die Möglichkeit, die Aktualisierungspflicht auszuschließen oder zu verkürzen, sofern der Käufer darüber eigens vor Vertragsschluss in Kenntnis gesetzt wird und diese Abweichung im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wird. Der Rechtsanwalt äußerte allerdings seine Zweifel, dass Käufer eines Neuwagens oder jungen Gebrauchten freiwillig auf kostenfreie Updates durch den Händler verzichten. ## Beweislastumkehr birgt wirtschaftliche Gefahren für Händler Äußerst relevant für die Kfz-Branche ist die Umformulierung der Beweislastumkehr in § 477. Diese wird ab Januar 2022 von heute 6 Monate auf dann ein Jahr verlängert und nicht mehr als „Sachmangel“ sondern als „abweichender Zustand der Sache“ definiert. Was bedeutet das für den Autohandel? Henning Hamann bringt es auf den Punkt: „Ältere Gebrauchte werden damit wirtschaftlich zu tickenden Zeitbomben.“ Denn jede anfallende Reparatur innerhalb eines Jahres müsste dann vom Händler getragen werden, sofern dieser nicht beweisen kann, dass der Schaden durch den Käufer selbst verursacht wurde. ## Auswirkungen für den Fahrzeughandel Doch welche Folgen hat die Gesetzesänderungen nun für die Kfz-Branche ganz konkret? „Ab dem 1.1.2022 steigt der Aufwand für die Händler signifikant, es wird zu einer erheblichen Kostensteigerung auf Seiten des Handels kommen, die Margen im Gebrauchtwagenhandel werden massiv unter Druck gesetzt und sehr wahrscheinlich werden Teile der seriösen Gebrauchtwagenhändler genauso wie ältere Gebrauchtwagen
vom Markt verschwinden“, resümiert Henning Hamann. In einer während der Live-Veranstaltung durchgeführten Umfrage gaben bereits 7 % der Teilnehmer an, zukünftig auf den Handel mit Gebrauchtwagen verzichten zu wollen. In ihrer Gesetzesbegründung rechnet die Bundesregierung übrigens selbst mit einem einmaligen Umstellungsaufwand für die Formulare, AGB etc. von 18 Mio. Euro für den Handel sowie mit jährlichen Erfüllungskosten von rund 150 Mio. Euro für die Update-Bereitstellung und die vorvertragliche Informationspflicht. ## Werkstätten könnten profitieren Die logische Konsequenz laut Rechtsanwalt Henning Hamann: „Die Preise für gebrauchte Fahrzeuge werden deutlich steigen, denn die Händler müssen das mit der einjährigen Beweislastumkehr höhere Risiko irgendwie einpreisen.“ Und das, nachdem die Gebrauchtwagenpreise ohnehin in den letzten Monaten schon deutlich gestiegen sind. Denn, wie die Deutsche Automobil Treuhand (DAT) Anfang Oktober berichtete, sorgt die durch die Halbleiterkrise ausgelöste Angebotsknappheit seit Mitte des Jahres für wachsende Preise. Für die Werkstätten wäre diese Entwicklung jedoch sogar von Vorteil. Denn mit höheren Gebrauchtwagenpreisen steigen auch die Wiederbeschaffungswerte. Das wiederum würde zu mehr Reparaturschäden und weniger Totalschäden führen. „Wenn ich heute einen Reparaturwert von 2.500 Euro habe und einen Wiederbeschaffungswert von 1.800 Euro, ist das ein wirtschaftlicher Totalschaden. Wenn aber der Wiederbeschaffungswert in Folge der Marktverknappung auf 2.500 Euro steigt, dann habe ich einen Reparaturschaden“, erklärt der Experte Henning Hamann abschließend.
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