2021-02-24T13:41:47+0000

Schadentalk: „Die Lage ist katastrophal“

Die Bewertung der aktuellen Lage im Unfallschadenmarkt ist eindeutig: Alle Verbände waren beim Schadentalk der Meinung, dass sich die wirtschaftliche Situation der Fachbetriebe im Januar und Februar dieses Jahres aufgrund des Lockdowns deutlich verschlechtert hat. „Die Betriebe sind leer“, erklärte ZKF-Präsident Peter Börner in der Talkrunde. „Die Situation wird von Tag zu Tag schlimmer. Die Kurzarbeit hält die Betriebe aber noch über Wasser.“ Er sehe schwere Zeiten auf die Branche zukommen, da sich selbst bei einem zeitigen Ende des zweiten Lockdowns der Unfallschadenmarkt nur schwer vom fehlenden Reparaturvolumen erholen könne. ## Partnerwerkstätten härter getroffen als Betriebe ohne Schadensteuerung Nach Berechnungen von schaden.news fehlt der Branche derzeit ein Reparaturvolumen von bis zu 1,1 Mrd. Euro. Die Redaktion hat dabei nur den Zeitraum der bisher vorliegenden [offizielle Statistik von Destatis der Monate Januar bis November 2020](https://www.schaden.news/de/article/link/42114/blechschaeden-november-2020) in die Berechnung einbezogen. Der tatsächliche Verlust dürfte um einiges höher liegen. Nach Einschätzung des BVdP-Vorstandsvorsitzenden Reinhard Beyer sind große Betriebe und vor allem Partnerwerkstätten härter von der Corona-Krise betroffen als Betriebe ohne Schadensteuerung. „Viele Kfz-Versicherer und Schadensteuerer haben zwar schnell reagiert und Pauschalen gezahlt. Der Januar und Februar ist für uns allerdings jetzt eine Vollkatastrophe. Die Schäden sind zurückgegangen, die Steuerer haben jetzt nichts mehr in der Hinterhand.“ Auch Reinhard Beyer geht davon aus, dass sich die Lage kaum auf absehbare Zeit verbessern wird. Anders als in der Schadensteuerung scheinen kleine Betriebe ohne gesteuertes Geschäft besser durch die Pandemie zu kommen. Das betonte der Präsident der Bundesfachgruppe der Fahrzeuglackierer (BFL) während der Sendung: „Die Problematik ist bei den reinen Lackierbetrieben nicht ganz so schlimm“, erklärte Paul Kehle. „Werkstätten ohne Schadensteuerung sind breiter aufgestellt, haben auch Kunden und Aufträge aus der Industrie oder setzen auf andere Geschäftsfelder wie Werbetechnik.“ Eine Pleitewelle erwarten die Verbände derzeit nicht. „Wir verlieren wahrschlich um die fünf Prozent der Betriebe“, schätzte Peter Börner die Folgen des Lockdowns ein. Es sei jedoch schon jetzt feststellbar, dass den Betrieben zusehends die Liquidität ausgeht. ## Margen-Krise absichtlich von der Automobilindustrie verursacht ZDK-Vorstandsmitglied Stefan Vorbeck betonte beim Schadentalk, dass der freie Markt, zumindest was Wartung und Inspektion anging, stabiler gelaufen sei als das Geschäft bei fabrikats- oder markengebundenen Betrieben. „Die unabhängigen unternehmergeführten Werkstätten verfügen über top ausgebildete Mitarbeiter und passen sich Marktveränderungen schnell und flexibel an, das ist jetzt in der Krise das richtige Konzept.“ Allerdings dürfe den Betrieben nicht die Marge genommen werden. Während der Live-Sendung diskutierte die Talkrunde auch über die Auswirkungen der Veränderten Rabattstaffeln von Volkswagen und der PSA-Group. ZKF-Präsident Peter Börner zeigte sich überzeugt, dass die Automobilindustrie die Margen-Krise im Ersatzteilgeschäft für den freien Markt ganz gezielt so herbeigeführt habe. „Natürlich möchten VW und Opel das Geschäft, das im freien Markt stattfindet, in die eigene Organisation lenken. Wir müssen uns davon befreien, zum UPE der Industrie zu verkaufen, mit der wir gar nichts zu tun haben.“ Sein Standpunkt: Künftig müssten die Betriebe auf den Preis der Industrie die Kosten für Aufwand, Entsorgung, Fracht und Gewinn kalkulieren und aufschlagen. Reinhard Beyer warnte davor nun einseitig eine Diskussion über die Reduzierung der Ersatzteil-Provisionen im gesteuerten Schadengeschäft zu führen. [Der Schadensteuerer Riparo hat diese Vorgehensweise angekündigt, um den Margen-Verlust für Partnerwerkstätten aufzufangen.](https://schaden.news/de/article/link/42170/riparo-reduziert-provisionen) „So
dankenswert diese Lösung ist, so gefährlich ist sie auch“, erklärte der BVdP-Vorstandsvorsitzende. „Denn dieser Weg verdeckt das eigentliche Problem und es wird nur verschoben. So lange das Schadensteuerungsgeschäft ein Profit-Geschäft ist, solange muss es auch für alle Beteiligten möglich sein, eine Marge zu erwirtschaften.“ Die Verbände kündigten in der TV-Sendung an, dass man gemeinsam gegen die Margen-Krise im Ersatzteilgeschäft vorgehen wolle. ## Erstmals seit Jahrzehnten geht das gesteuerte Schadengeschäft zurück In der Schadensteuerung stehen die Zeichen derzeit eher auf Rot. Klar scheint: In den jetzt startenden Jahresgesprächen hat die HUK-Coburg, laut Informationen die schaden.news vorliegen, die Umsatzziele für 2021 um bis zu 20 Prozent reduziert. Reinhart Beyer hofft, dass „die Partnerwerkstätten, die in den letzten Jahren viel investiert haben, um das stetig steigende Reparaturvolumen bewältigen zu können, die Krise überleben.“ Erstmals seit Jahrzehnten gehe das gesteuerte Schadengeschäft jetzt zurück. Nachdenklich merkte Reinhard Beyer während des Talks an: „In den vergangenen Jahren haben sich die Steuerungsbetriebe stark spezialisiert und sich immer mehr aus anderen Geschäftsbereichen zurückgezogen, mit denen man vielleicht noch Geld verdienen könnte.“ Das schwäche die Partnerwerkstätten in einer ohnehin schon wirtschaftlich prekären Lage. [Denn laut aktueller Kostenstudie des BVdP sei die Betriebsleistungseffizienz der Betriebe mit Schadensteuerung nur bei 11 Prozent der Partnerwerkstätten positiv, alle anderen Werkstätten würden nicht mehr kostendeckend arbeiten.](https://www.schaden.news/de/article/link/42151/kostenstudie-bvdp-anzahl-verkaufter-reparaturstunden-bricht-ein) ## Chancen für freie Betriebe stehen gut Angesichts der momentan erneut steigenden Corona-Infektionszahlen ist kaum abschätzbar, wie sich die Mobilität und damit auch das Unfallgeschehen grundsätzlich weiterentwickelt. BFL-Präsident Paul Kehle ging in der Talkrunde davon aus, dass das Auto angesichts der Pandemie künftig eine bedeutende Rolle spielen wird. Auch ZDK-Vorstand Stefan Vorbeck zeigte sich mittelfristig optimistisch: „Die freien Betriebe haben alle Chancen. Allerdings müssen sich die Werkstätten dringend mehr um die digitalen Themen kümmern.“ Dies betreffe sowohl die Werkstattprozesse als auch das Marketing. Insgesamt zeigten sich die Verbandsvertreter einig darin, dass die Betriebe nun viel stärker Eigeninitiative ergreifen müssen, um einigermaßen unbeschadet aus der Krise heraus zu kommen. Gleichzeitig versprachen Peter Börner, Paul Kehle, Stefan Vorbeck und Reinhard Beyer sich für die Interessen des freien Marktes und der Betriebe einzusetzen. Sie riefen dazu auf, sich auch stärker in den Verbänden zu engagieren. Die Chancen für freie Werkstätten stünden grundsätzlich gut, dass würden auch die[ Ergebnisse des aktuellen DAT-Reports 2021 zeigen](https://www.schaden.news/de/article/link/42138/dat-report-2021).
Lesens Wert

Mehr zum Thema