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2020-06-03T10:09:42+0000

Kürzungen Corona-Schutzmaßnahmen: ZKF rät zur Klage

Bereits seit mehreren Wochen beschäftigt der Umgang mit Corona-Desinfektionsmaßnahmen die Branche. [Einige Versicherer kürzen den berechneten Mehraufwand aus der Rechnung, weil sie die Kosten bereits in den Gemeinkosten verankert sehen oder eine Corona-Pauschale als unüblich erachten.](https://schaden.news/de/article/link/41706/corona-massnahmen-wer-zahlt-wer-zahlt-nicht) Bereits Anfang März hatte das Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sowie die Berufsgenossenschaften Handlungsempfehlungen zu Hygiene- und Schutzmaßnahmen veröffentlicht, an denen der Zentralverband für Karosserie- und Fahrzeugtechnik auch jetzt festhält und die Grundlage für die entsprechende[ Technische Mitteilung Nr. 04/2020 der Interessengemeinschaft Fahrzeuglackierung (IFL) ist](https://schaden.news/download/link/jYB7). Im Falle der Kürzungen rät der Zentralverband jetzt zur Klage – sowie zur Anpassung des vereinbarten Stundensatzes bei Kfz-Versicherern, erklärte Hauptgeschäftsführer Thomas Aukamm gegenüber schaden.news. ## „Schutzmaßnahmen nach wie vor notwendig“ Denn nach Meinung des ZKF sowie der Interessengemeinschaft für Fahrzeugtechnik und Lackierung IFL sind die zusätzlichen Desinfektionsmaßnahmen nach wie vor notwendig und eine Berechnung des Mehraufwandes durch die Betriebe dementsprechend gerechtfertigt. ZKF-Hauptgeschäftsführer Thomas Aukamm beruft sich dabei auf die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, sowie die aktuellen, erweiterten Handlungshilfen der Berufsgenossenschaften und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). So heißt es in der Handlungshilfe der Berufsgenossenschaft Holz und Metall, dass „im Falle einer Fahrzeugaufbereitung das Wageninnere komplett zu reinigen“ sei. „Jeglicher direkte Kontakt mit dem Fahrzeuginnenraum ist dieser Situation gleichzusetzen“, sind sich Thomas Aukamm und Stephan Kolodzinski vom Referat Technik beim ZKF im Gespräch mit der Redaktion einig. Tatsächlich ist nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts nach wie vor die „Übertragung durch kontaminierte Oberflächen insbesondere in der unmittelbaren Umgebung des Infizierten nicht auszuschließen, da vermehrungsfähige SARS-CoV-2-Viren unter bestimmten Umständen in der Umwelt nachgewiesen werden können“, heißt es [auf der ständig aktualisierten Website des Instituts](https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html). Daher führt die IFL in der Technischen Mitteilung Nr. 4/2000 den Mitarbeiterschutz und den Fahrzeugnutzer als Grund für die Durchführung der Desinfektions- und Reinigungsmaßnahmen an. „Zum einen wird dies bedingt durch die Fürsorgepflicht des Betriebsinhabers gegenüber seinen Mitarbeitern, zum andern natürlich gegenüber den Kunden, also den Versicherten. Die Reinigungsmaßnahmen sind somit für beide Seiten sinnvoll, um die Sicherheit aller Beteiligten zu gewährleisten und eine Ansteckung mit dem Corona-Virus durch Fahrzeugoberflächen zu vermeiden“, führt Stephan Kolodzinski aus. ## Zusatzaufwand für Mitarbeiterschutz war laut ZKF nicht vorhersehbar Kfz-Versicherer und Prüfdienstleister wie Control Expert streichen jedoch die Position immer häufiger aus der Werkstattrechnung und begründen dies damit, dass der Mitarbeiterschutz unter die Gemeinkosten der Betriebe falle. So erklärt die Allianz in einem der Redaktion vorliegenden Schreiben an einen K&L-Betrieb: „Wenn die Desinfektion dazu dienen soll, die Werkstattangestellten (die mit dem Kfz in Verbindung
kommen) zu schützen, kann es sich nur um Gemeinkosten der Werkstatt handeln, die auch nicht gesondert erstattet werden, sondern im Stundensatz enthalten sind.“ ZKF-Hauptgeschäftsführer Thomas Aukamm meint : „Es gibt natürlich Maßnahmen, wie Desinfektionsmittel oder Atemmasken, die zum Mitarbeiterschutz zählen und dadurch tatsächlich in die Gemeinkosten fallen können.“ Er betont aber auch: „Die Gemeinkosten fallen in den vereinbarten Stundensatz zwischen Versicherer und Betrieb – und dieser kam vor der Corona-Krise zustande. Der Betrieb hat somit im Umkehrschluss nun die Veranlassung, seinen Stundensatz beim Versicherer zu erhöhen.“ ## „Aufwand für Fahrzeugreinigung nicht in Gemeinkosten enthalten“ Zudem, fügt Stephan Kolodzinski hinzu, sei die hygienisch einwandfreie Reinigung des Kundenfahrzeugs zur Sicherheit für den Versicherten und den Mitarbeiter mit einem Mehraufwand verbunden. Er stellt klar: „Dieser Aufwand ist ganz klar nicht in den Gemeinkosten enthalten“. Dazu gehören laut IFL unter anderem die Reinigung und Desinfektion der Zündschlüssel, Türgriffe und Mulden, des Lenkrads, Sitze, Schaltknauf, Handbremshebel oder Schalter. Gleiches gelte auch für die Reinigung eines Miet- oder Werkstattersatzwagens, falls dieser zum Einsatz kommen sollte. Ebenfalls gereinigt werden müssen alle anderen Fahrzeugteile, mit denen der Mitarbeiter im Zuge seiner Arbeiten in Berührung kommen kann. Auch beim Umgang mit angelieferten Ersatz- oder Neuteilen und deren Verpackungen sei darauf zu achten, dass z. B. die Verpackungen vorab gereinigt werden. Zudem empfiehlt die IFL, Neuteile, verpackt oder unverpackt, vorsorglich zu desinfizieren. ## Sachverständiger mit Beispielrechnung Für die gesamte Reinigung gehen der ZKF und die IFL von einem Aufwand von drei AW aus. Dem Sachverständigen Heinrich Kunz aus Ludwigsburg ist das zu pauschal: Er empfiehlt, je nach Auftrag und damit verbundenen notwendigen Maßnahmen einzelne Positionen auszuweisen. Dafür hat er eine Beispielrechnung aufgestellt, die der schaden.news-Redaktion vorliegt (siehe Leftbar). Werden alle angegebenen Schutzmaßnahmen durchgeführt, kommt der Sachverständige auf 100 Zeiteinheiten und somit eine Stunde Zusatzaufwand. Zudem rät Heinrich Kunz, je nach Verbrauch eine Pauschale für Schutzausrüstung sowie Reinigungsmittel in Höhe von 15 bis 25 Euro zu erheben. „Bereits jetzt kalkulieren mehrere Betriebe mit unseren Gutachten und der Beispielrechnung. In 90 Prozent der Fälle regulieren wir die Schäden sowieso mit einer Anwaltskanzlei. Bisher hat es noch keine Beschwerden seitens der Versicherer gegeben. Aber wenn es zu Kürzungen kommt, dann werden wir uns querstellen“, betonte Heinrich Kunz gegenüber schaden.news. ## ZKF kündigt Unterstützung bei Klagen an Auch Thomas Aukamm hält die prognostizierten Zeiten und die Materialpauschale für gerechtfertigt. Zudem wies der ZKF-Hauptgeschäftsführer darauf hin, dass die Rechnungskürzungen für Covid19-Schutzmaßnahmen sowohl im Haftpflicht- als auch im Kaskoschadenfall einklagbar seien. Im schaden.news-Gespräch vergangene Woche (29.05.) wies er darauf hin, dass der Zentralverband seine Mitgliedsbetriebe bei einer solche Klage begleiten und unterstützen würde. Stephan Kolodzinski empfiehlt K&L-Werkstätten zudem, die Corona-Schutzmaßnahmen bereits als Sonderposition auf dem Auftrag zu vermerken. „Dadurch ist auch der Versicherte gleich im Bilde darüber, dass die Schutzmaßnahmen durchgeführt und abgerechnet werden. Zudem bietet diese
Ausweisung zusätzliche Rechtssicherheit im Falle einer Klage“, erklärt der Experte. ## DEVK: Berechnung der Schutzmaßnahmen sei „unüblich“ Einige Versicherer begründen die Kürzung der Posten „Corona-Schutzmaßnahmen“ in den Rechnungen mit der Aussage, dass dies unüblich sei. So schreibt die DEVK in ihrer Begründung zur Kürzung in einem Vollkaskoschaden-Fall: „In anderen Branchen, werden Corona-Schutzmaßnahmen nicht auf das Endprodukt oder die Dienstleistung umgelegt.“ Diese Begründung findet nicht nur der ZKF-Hauptgeschäftsführer „an den Haaren herbeigezogen“. „Beim Friseurbesuch genauso wie beim Reifenwechsel schlagen die Betriebe inzwischen Corona-Hygiene-Pauschalen auf die Dienstleistung oder das Endprodukt“, weiß er aus eigener Erfahrung. Tatsächlich ist die Begründung der DEVK nach schaden.news-Recherchen nicht zutreffend. Der Redaktion liegt inzwischen eine Friseurrechnung für einen Friseurbesuch im Bayrischen Tettnang vor, bei der einem Kunden zum Haarschnitt für 29 Euro und dem Waschen für 2 Euro auch eine Corona-Pauschale berechnet wurde. Und laut Deutschem Verband der Physiotherapeuten [erstatten die gesetzlichen Versicherer den Physiotherapeuten eine Pauschale für zusätzliche Corona-Hygienemaßnahmen](https://www.physio-deutschland.de/fachkreise/news-bundesweit/einzelansicht/artikel/gesetzliche-unfallversicherungstraeger-erstatten-hygienepauschale.html) . Zudem haben inzwischen auch zahlreiche Gastronomen eine Hygienepauschale für ihre Besucher. ## HDI verlängert „Corona-Pauschale“ Im Gegensatz zur DEVK und anderer Kfz-Versicherer hat das Werkstattnetz Schadenschutzverband vom HDI seine „Corona-Pauschale“ in Höhe von 50 Euro verlängert. In einem Schreiben an die Partnerwerkstätten, das der Redaktion vorliegt, heißt es: „Gemäß Bund-Länder-Beschluss vom 26.Mai bleiben die bundesweiten Kontaktbeschränkungen bis zum 29. Juni bestehen, ebenso die Hygiene- und Abstandsregeln. Infolgedessen bleibt die Abwicklung Ihrer Services im Zusammenhang mit der Fahrzeugübernahme/-Rückgabe und der Mobilität unserer Kunden im Juni mit einem erhöhten Aufwand für Sie verbunden. Wir möchten Ihnen hierfür auch im kommenden Monat gerne eine Aufwandspauschale von 50,00 Euro netto pro Schadenfall erstatten.“ ## „Kein Kommentar“ vom GDV Der Gesamtverband der Versicherer wollte sich auf Nachfrage von schaden.news nicht zu den Rechnungskürzungen und den damit verbundenen Begründungen der Versicherer äußern: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir als Verband die Schadenregulierungspraxis einzelner Versicherer nicht kommentieren“, hieß es seitens des Verbandes. Auf die Frage der Notwendigkeit von besonderen Schutzmaßnahmen in der Corona-Krise ging der Gesamtverband ebenfalls nicht ein.
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