2019-09-25T11:42:17+0000

Beilackierung: Was bringt ein Kasko-Urteil des Amtsgerichts?

Das Amtsgericht Northeim hat in seinem Urteil vom 13.08.2019 klar zu Gunsten der Beilackierung im Kaskoschadenfall entschieden, dies meldete der Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) vor einigen Tagen. „Grund der Klage war die Weigerung des Kaskoversicherers die Kosten der Beilackierung zu übernehmen. Zur Begründung führte der Versicherer an, diese Kosten seien nicht versichert, weil sie nur der Vermeidung eines Farbunterschieds dienten und der Kunde eine Minderung an Aussehen und Wert nach den AKB hinzunehmen habe.“ Diese Ansicht teilte das Amtsgericht Northeim nicht und sprach sich für die Notwendigkeit der Beilackierung aus. ## Welche Relevanz hat das Urteil für K&L-Betriebe? Im Gespräch mit schaden.news bewertete Henning Hamann, Geschäftsführer der Kanzlei Voigt, die Entscheidung des Amtsgerichtes und kommt zum Schluss, dass das Urteil des Northeimer Richter keine überregionale Bedeutung hat. „Zur Einordung des Urteils müssen wir uns in Erinnerung rufen, dass Kaskorecht Vertragsrecht ist. Es gilt also in erster Linie das, was die Vertragsparteien, also der Kaskoversicherte mit seinem Kaskoversicherer, vereinbart haben.“ Hintergrund: In Altverträgen sei in § 13 Abs. 6 AKB mitunter geregelt gewesen, dass „Minderungen an Wert, äußerem Ansehen oder Leistungsfähigkeit nicht erstattet werden.“ Daraus hätten die Versicherer seinerzeit den Schluss gezogen, dass Kosten der Beilackierung nicht zu erstatten seien, erklärte Henning Hamann. Diese Klausel ist in den aktuellen Versicherungsbedingungen aber meistens nicht mehr existent.
## „Jeder Richter entscheidet unabhängig“ Warum hat das Urteil des Amtsgerichtes keine überregionale Bedeutung? „Jeder Richter ist nach dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit frei in seiner Entscheidung und nur an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebunden, nicht aber an die eines anderen Amtsgerichts“, betont der Geschäftsführer der Kanzlei Voigt. „Nur, weil das Amtsgericht Northeim in meinen Augen richtigerweise die Kosten der Beilackierung zugesprochen hat, müssen die Amtsgerichte in Dortmund oder München das nicht zwangsläufig auch so sehen.“ Die Entscheidung sollte gleichwohl inhaltlich dazu verwendet werden, die eigenen Argumente gegenüber dem Versicherer zu unterstützen, rät Rechtsanwalt Henning Hamann den Betrieben. ## Alle Argumente nutzen! „Die Entscheidung des Amtsgerichts Northeim ist erfreulich, weil das Gericht in erfrischender Deutlichkeit die Notwendigkeit der Beilackierung für eine ordnungsgemäße und vollständig fachgerechte Reparatur erkannt und herausgestellt hat“, heißt es von der Kanlzei Voigt. Und genau darauf hat der kaskoversicherte Kunde, ebenso wie ein Unfallgeschädigter im Haftpflichtbereich, schließlich einen Anspruch, meint Henning Hamann und empfiehlt den Betrieben, darauf Bezug zu nehmen. Er liefert zudem weitere Argumente, die K&L-Betriebe im Streitfall nutzen können: „Versicherer bzw. die beauftragten Prüfdienstleister übersehen gerne, dass sich die Reparaturlackierung diametral von der Neulackierung im Werk unterscheidet. Der Neulack wird im Werk in eine Richtung aufgetragen, die Farbpigmente richten sich entsprechend aus und bilden für das Auge ein homogenes Farbbild. Die Reparaturlackierung hingegen wird durch die handwerkliche Applikation der
Lackiererhand mit der Spritzpistole aufgebaut.“ Daraus folgt laut Argumentation von Henning Hamann: „Die Farbpigmente sind dabei zwangsläufig nicht in eine Richtung ausgerichtet. Das führt bei dem im Zuge einer Reparaturlackierung bearbeiteten Bauteil nahezu zwingend zu einer Farbabweichung gegenüber dem restlichen Fahrzeug, die weder der Unfallgeschädigte, noch der kaskoversicherte Kunde hinnehmen muss.“ ## Beilackierung schaden- und versicherungsrechtlich erforderlich Grundsätzlich gilt nach Ansicht der Kanzlei Voigt: „Nach dem schadenrechtlichen System sollte der Geschädigte durch den Unfall nicht schlechter gestellt sein, als er es vor dem Unfall war.“ Das bedeutet: Der kaskoversicherte Kunde erhält nach der vertraglichen Vereinbarung die erforderlichen Kosten der Wiederherstellung ersetzt. Henning Hamann folgert daraus abschließend: „Die Vereinheitlichung des Lackierbildes durch Beilackierung der angrenzenden Bauteilte ist also schadenrechtlich wie versicherungsrechtlich erforderlich. Das gilt also für Haftpflichtgeschädigte gleichermaßen wie für Kaskokunden.“