2015-06-02T07:50:28+0000
# Agenda 2020 kommt in Fahrt Die Stimmung in Heidelberg war gut. In diesem Jahr stand deutlich mehr „Netzwerken“ auf dem Programm als früher. Die Themen beim ZKF-Branchentreff trafen den Nerv der Teilnehmer. ZKF-Präsident Peter Börner legte in seiner Grundsatzrede die Schwerpunkte auf die Herausforderungen für Karosserie- und Lackierbetriebe und fand für Fehlentwicklungen im Markt und speziell bei der Schadenregulierung klare Worte. ## Tiefgreifende Veränderungen durch eCall, Telematik und Big Data Der Markt entwickle sich rasanter denn je, betonte Peter Börner: „Gerade in der fortschreitenden Digitalisierung, der elektronischen Fahrzeugtechnik und Telematik sowie im demografischen Wandel liegen die größten Herausforderungen für unser Handwerk.“ „Der Treibstoff der Zukunft sind Daten und das Wissen, was daraus gewonnen wird“, erklärte er. Künftig würden nicht nur neue Automobilhersteller wie Apple oder Google auf den Plan treten, vor allem die Lenkung in Service-Werkstätten durch Telematik sowie Unfallvermeidungstechnik würden den Markt tiefgreifend verändern. Seine Einschätzung: „Heute sind etwa 800.000 vernetzte Fahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs. Experten schätzen, dass es bis zum Jahr 2025 rund 18 Millionen Autos sind.“ Vor allem der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) habe sich in Brüssel sehr engagiert dafür eingesetzt, dass die Fahrzeugdaten auch für freie Betriebe zugänglich sind.
„Die Schnittstellen bei Telematik oder eCall und anderen Konzepten werden laut Beschluss der EU-Kommission offen sein. Jetzt kommt es darauf an, dass wir in der Praxis damit umgehen können.“ ## „Rechnungskürzungen akzeptieren wir nicht“ Klare Kante zeigte Peter Börner in Sachen Rechnungskürzungen bei der Unfallschadenreparatur. „Uns wurde seitens der Prüfdienstleister in den letzten Jahren erklärt, dass mit Ausnahme von Glasschäden keine Rechnungen gekürzt, sondern Kostenvoranschläge geprüft würden. Diese Aussage ist seit wenigen Wochen Makulatur.“ Seit Kurzem würden bei Rechnungen von Haftpflichtschäden Stundenverrechnungssätze, Ersatzteilpreise, Lackmaterialindex, Mietwagen, Beilackierung oder Verbringungskosten gekürzt. „Eine Unverschämtheit, denn an einer Rechnung, die die erforderlichen Reparaturarbeiten enthält, gibt es keinen Grund zur Kürzung. Dieses Unrecht werden wir nicht akzeptieren und vehement dagegen vorgehen“, erklärte der ZKF-Präsident. Auch die Beilackierung thematisierte Peter Börner. Er riet den Mitgliedsbetrieben schon im Kostenvoranschlag, auch wenn noch keine Farbmuster erstellt sind und die Betriebe die Einlackierung für erforderlich halten, diese unbedingt zu berücksichtigen. „Nur wenn die Beilackierung von Anfang an Bestandteil der Kalkulation ist, dokumentieren Sie, dass diese Tätigkeiten für die fachgerechte Instandsetzung notwendig sind.“
## Antworten liefert die Agenda 2020 In Zeiten des modernen Wandels soll die Agenda 2020 des Zentralverbandes Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft geben. „Der Vorstand hat sich in diesem Jahr intensiv mit der Umsetzung der Agenda beschäftigt“, unterstrich der ZKF-Präsident und konkretisierte: „Zu den wichtigsten Projekten zählen 1. die Etablierung des Verbandes als anerkannter Daten- und Know-how-Provider der gesamten Unfall- und Nutzfahrzeugherstellerbranche, 2. die Schaffung regionaler Kompetenzzentren, 3. die Einführung des neuen Diagnose- und Reprogrammierungstools EuroDFT, 4. die Umstellung unserer Kommunikation auf neue Medien sowie 5. die Erweiterung von Dienstleistungen für die Innungen.“ ## Online-Lösungen werden vorangetrieben Als eines der zentralen Projekte stellte ZKF-Präsident Peter Börner erstmals „repair.pedia“ in seiner Grundsatzrede vor. „Wir arbeiten sehr konkret daran, alle Reparaturinformationen der gesamten Branche zusammenzutragen und online zur Verfügung zu stellen.“ Über das webbasierende System sollen Betriebe künftig durch direkten Link, Text- oder Spracheingabe, Bilderkennung oder Suchfunktion per Ersatzteilnummer alle notwendigen Hersteller-Hinweise zur Instandsetzung erhalten. „Die Gespräche mit Daten-, Kalkulationsanbietern und Softwareentwicklern sind schon sehr weit vorangeschritten. Sie haben uns bestätigt: Wenn repair.pedia so kommt, wird dies ein sensationelles tägliches Arbeitsmittel für Karosserie- und Lackierbetriebe sowie handwerkliche Nutzfahrzeugaufbauhersteller.“
Der Zentralverband treibt auch weitere Weblösungen voran. So wurde bereits die Online-Plattforum www.fairgarage.de in das Internetangebot des ZKF www.autounfall.info integriert und die Mitgliederinformation um den Newsletter „ZKF-NEWS online“ samt jederzeit zugänglichem Archiv ergänzt. Der ZKF-Präsident selbst hat vor einigen Wochen einen Blog ins Internet eingestellt. ## Individualität ist die Stärke des Handwerks im Nutzfahrzeugbau Auch die Entwicklung der Betriebe im herstellenden Karosserie- und Fahrzeugbau werden von der Digitalisierung künftig stark beeinflusst. Peter Börner hob beim Branchentreff in diesem Zusammenhang hervor, dass gemeinsam mit der DAT eine Plattform für die Restwertermittlung von Aufbauten entwickelt werde. Zudem stellte er fest: „Den Preiswettbewerb mit der Serienproduktion im Nutzfahrzeugbau können wir nicht gewinnen. Beim Wettbewerb um die Individualität sind wir hingegen Spitze.“ Grundsätzlich gelte: Je mehr sich der handwerkliche Fahrzeugbau in der exklusiven Nische platziere, desto weniger seien die Betriebe von Marktschwankungen und Preistreiberei abhängig. ## Eigenständiger Unternehmer statt ferngesteuerter Dienstleister Abschließend warnte der ZFK-Präsident in seiner Grundsatzrede davor, dass die Unfallschadenreparatur immer stärker industrialisiert wird. „Wir sehen einen immer stärkeren Trend, dass unser Handwerk industrieller und die Betriebe damit vergleichbarer werden“, erklärte Peter Börner in Heidelberg.
Durch standardisierte Prozesse der großen Auftraggeber würden die Werkstätten vergleichbar, bewertbar und ließen sich leichter gegeneinander ausspielen. „Wir wollen den Mittelstand, den selbstständigen Handwerker als eigenständigen Unternehmer – nicht einen ferngesteuerten Dienstleister, der keine Rendite mit seinen handwerklichen Tätigkeiten erwirtschaftet.“ ## Klares Bekenntnis zum Meisterbrief Deutliche Kritik übte Peter Börner an der Umsetzung des Mindestlohngesetzes und dem bürokratischen Aufwand. Er forderte eine deutliche Vereinfachung für die Unternehmen. Ein klares Bekenntnis legte der ZKF-Präsident zum Meisterbrief ab. „Wir sagen deutlich Nein zur europäischen Harmonisierung der Handwerksordnung, die zum Ziel hat, den Meisterbrief abzuschaffen oder aufzuweichen“, unterstrich Peter Börner vor den Teilnehmern in Heidelberg. „Der Meister als Qualitätssiegel im Handwerk muss erhalten bleiben.“ Gleichzeitig betonte er, wie wichtig das duale Ausbildungssystem in Deutschland ist und forderte die Innungen auf, bei jungen Menschen mit der Ausbildungskampagne „WE WANT YOU!“ noch stärker für das Karosserie- und Fahrzeugbauerhandwerk zu werben. ## Konkrete Informationen in Workshops In Heidelberg diskutierten die Teilnehmer am zweiten Tag des Branchentreffs dann Schwerpunkte wie „Rechnungskürzungen vermeiden“, „Beilackierung“ oder „Klimakältemittel“ und „Reifendruckkontrollsystem RDKS“ in verschiedenen Workshops. Betriebe des herstellenden Karosserie- und Fahrzeugbaus informierten sich zudem über die „Restwertberechnung für Fahrzeugaufbauten“, „Smart-Repair bei Caravans“ sowie „Lastenverteilung und Ladungssicherung bei Kleintransportern“ und über das „Berufskraftfahrer-Qualifikationsgesetz“.
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