2025-03-26T11:45:25+0000

Karosserie- und Schadenstage: „Es sind einfach noch zu viele Fragen offen“

Die rund 1.300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Würzburger Karosserie- und Schadenstagen erlebten in diesem Jahr eine Diskussion, die sich in weiten Teilen in einer Nische des Schadenmarktes bewegte. Es ging um den Einsatz gebrauchter Ersatzteile – und auch um die nachhaltige Unfallschadenreparatur insgesamt. Viele Referenten nutzten die Bühne, um ihren Standpunkt zu erklären: die Verbände, natürlich die Allianz aber auch Werkstattausrüster wie Carbon, der Teilelieferant Claim Parts und die Prüforganisation DEKRA oder Lackhersteller wie PPG sowie die Werkstattgruppe Fix Auto. Im Vogel Convention Center traf sich am 21. und 22. März 2025 der Schadenmarkt zu dem etablierten und besucherstarkem Branchenevent dieses Jahres. ## Verbände sind offen, sehen die Verwendung von gebrauchten Ersatzteilen aber kritisch In Würzburg stellte ZKF-Präsident Arndt Hürter gleich zu Anfang klar, dass die Rahmenbedingungen für die Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen noch nicht stimmen. „Es sind einfach noch zu viele Fragen offen“, erklärte er bei den Würzburger Karosserie- und Schadenstagen. Bei Themen wie Teilezustand, Haftungsfragen, Liefersicherheit und Marge sowie Dokumentation bestehe noch erheblicher Diskussionsbedarf. Auch BVdP, BFL und ZDK stellten klar, dass man der Instandsetzungsmethode zwar offen gegenüberstehe, doch deutlich sei auch: „Die Reparatur von Fahrzeugen ist per se nachhaltig, wir sprechen hier über einen sehr kleinen Ausschnitt der Instandsetzung.“ BFL-Präsident Steven Didssun berichtete in Würzburg positiv von seinen Erfahrungen, die er als Betriebsinhaber im Rahmen eines Pilotprojektes von Innovation Group und Allianz Versicherung mit der Instandsetzung von Gebrauchtteilen gemacht hatte. Die Verbände kritisierten dennoch die fehlende Definition der Teilequalität und forderten von Kfz-Versicherern entgegenkommen bei Stundensätzen und Teilemargen. Bundesinnungsmeister Detlev Peter Grün setzte die Branchendiskussion ins Verhältnis zum globalen Klimaschutz: „In Deutschland werden jährlich 673 Mio. Tonnen CO2 emittiert. Wenn jetzt durch die Verwendung von Gebrauchtteilen 400.000 Tonnen CO2 eingespart werden, dann sind das lediglich 0,06 Prozent Reduktion.“ ## AZT: „Die Werkstätten sollen nicht schlechter gestellt sein“ Der Leiter des Allianz Zentrums für Technik (AZT) Dr. Christian Sahr stellte sich der für ihn nicht immer ganz leichten Diskussion. „Wir als Versicherer wollen natürlich Risiken minimieren. Doch die Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen ist für die Allianz auch eine Herzensangelegenheit.“ Dr. Christian Sahr erklärte, er wolle in Würzburg vor allem zuhören, diskutieren und mitnehmen was gehe und was eben nicht gehe. Klar stellte der AZT-Chef: Für ihn hat die Instandsetzung von beschädigten Fahrzeugkomponenten vor dem Teiletausch immer Priorität (also das Prinzip „I statt E“). „Wenn aber Teile getauscht werden müssen, dann sollten es Gebrauchtteile sein.“ Die Allianz rechnet damit, dass
„Used Parts“ bei rund zehn Prozent aller Unfallschadenreparaturen eingesetzt werden können. Dr. Christian Sahr räumte aber ein: Viele Themen seien noch ungeklärt, wie Verfügbarkeit oder Qualitätsstandards. Moderator und Rechtsanwalt Henning Hamann (Kanzlei Voigt) hakte gerade bei der Reduzierung von Schadenkosten und Ersatzteilmarge nach. Ob Schadenkosten tatsächlich reduzierbar wären, sei derzeit noch offen, erklärte der AZT-Chef. Das AZT führe hierzu nach eigenen Angaben gerade eine Studie durch. Grundsätzlich ist Dr. Christian Sahr aber der Meinung: „Es müsse mindestens Kostengleichheit gegenüber der Reparatur mit Originalersatzteilen hergestellt werden.“ Klar stellte der AZT-Chef auch: „Die Werkstätten sollten keine Nachteile haben.“ Wie der Weg jedoch genau aussieht, konnte auch Dr. Christian Sahr nicht beantworten. „Wir sind hier, um offene Punkte zu diskutieren und arbeiten daran, dass die Technik funktioniert.“ [Konkret ging Dr. Christian Sahr auf die Kritik des Zentralverbandes Karosserie- und Fahrzeugtechnik ein.](https://www.schaden.news/de/article/link/44353/gebrauchte-ersatzteile-zkf-warnt-betriebe-vor-negativen-auswirkungen) In Würzburg stellte sich das AZT auf den Standpunkt, dass es eine Kompensation bei Margenverlust geben müsse. Die Gebrauchteilkosten benannte Dr. Christian Sahr mit 50 Prozent des Neuteilepreises. ## Web-Portal für Nachhaltigkeitsberichte der Betriebe In Würzburg stellte Julian Eisenhardt (Bundesverband Farbe, Gestaltung und Bautenschutz) die EU-Gesetzgebung vor und betonte: „Die Handwerksbetriebe sind nur indirekt vom Lieferkettengesetz und der Nachhaltigkeitsberichterstattung betroffen.“ Es gehe hier vor allem um die Kfz-Versicherer. Allerdings seien die Werkstätten Teil der Lieferkette der Assekuranzen und könnten künftig nach festgelegten Vorgaben Auskunft geben. An dem von der EU vorgelegten Standard habe man sich für das Kfz- und Reparaturgewerbe orientiert und branchenspezifische Kriterien erstellt. Im Rahmen des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks hat Julian Eisenhardt mit seinem Team ein Webportal entwickelt, das Werkstätten nutzen können, um einen Bericht nach EU-Standard für kleine und mittlere Unternehmen zu erstellen. ## „Warum sollten Betriebe die Berichtspflicht der Kfz-Versicherer erfüllen?“ Eine spontane Diskussion zwischen Moderator Henning Hamann und dem früheren Allianz-Strategen Dominik Hertel zeigte, wo die roten Linien zwischen Kfz-Versicherern und Werkstattwelt tatsächlich verlaufen. Dominik Hertel, der seine Tätigkeit für die Allianz Versicherung Ende Februar beendet hatte und nach eigener Aussage in der Branche weiter tätig bleibt, stellte klar, dass der von Julian Eisenhardt vorgestellte Ansatz den Kfz-Versichern nicht ausreichen würde. Henning Hamann fragte in dem Wortwechsel: „Warum sollten Betriebe die Berichtspflicht der Kfz-Versicherer erfüllen und detailliert Auskunft über ihre Betriebsdaten geben?“ Diese kurze Diskussion machte sehr deutlich, wie stark die Interessensunterschiede in der Branche wirklich sind. ## Claim Parts stellt sich und die Kreislaufwirtschaft vor Ein starkes Interesse am Vertrieb von gebrauchten Ersatzteilen hat naturgemäß der Teilelieferant Claim Parts, der in Würzburg seinen Vertriebsansatz vorstellte. Grundsätzlich stünden ausreichend gebrauchte Ersatzteile zur Verfügung, erklärten Joachim Bruck und Oliver Hallstein (Claim Parts). „Es dauert 30 Tage von der Zerlegung
bis die Gebrauchtteile zur Verfügung stehen“, hieß es. Zu jeder Fahrzeugkomponente seien auch alle Fahrzeugdaten erhältlich. BVdP-Vorstand Reinhard Beyer forderte in Würzburg: „Das gebrauchte Ersatzteil soll so zerlegt sein, wie wir es bei der Reparatur brauchen.“ Zudem forderten Teilnehmer, dass die Lieferanten „Used Parts“ in A-Qualität zur Verfügung stellen müssten. Claim Parts versicherte, dass eine qualifizierte Einstufung in einem sogenannten „Qualitätshandbuch“ sichergestellt sei. Allerdings wurde in Würzburg kritisiert, dass diese Einstufung von den Händlern selbst vorgenommen werde. BFL-Präsident Steven Didssun berichtete von positiven Erfahrungen aus dem Pilotprojekt der Innovation Group. „Wir haben immer Gebrauchtteile in A-Qualität erhalten.“ [Eine andere Erfahrung hatte der frühere BVdP-Vorstand und Betriebsinhaber Peter Vogel im Rahmen einer Studie von Icam Systems gesammelt. Hier wurden Gebrauchtteile für verschiedene Unfallschadeninstandsetzungen in A-Qualität bestellt, aber nur in B-Qualität geliefert.](https://www.schaden.news/de/article/link/44434/rote-linie-bei-reparatur-mit-gebrauchten-ersatzteilen) ## DEKRA klärt Schadenkosten mit Gutachten Während der Karosserie- und Schadenstage wurde auch eine Live-Reparatur mit CBR-System von Carbon an beschädigter Seitentür und Kotflügel (VW Passat) durchgeführt. Bernd Grüninger, Bereichsleiter Gutachten und Mitglied der Geschäftsleitung DEKRA Automobil GmbH, benannte weitere Herausforderungen, die noch zu klären seien. „Wie kann man sicherstellen, dass bei der Schadenbegutachtung vorhandene Gebrauchtteile auch im Moment der Reparatur tatsächlich verfügbar sind? Stehen auch tatsächlich die richtigen Ersatzteile bei so vielen verschiedenen Modellvarianten bereit?“ Nur einige Fragen, die Bernd Grüninger stellte. DEKRA lieferte in Würzburg aber auch konkrete Fakten. Anhand einer Gegenüberstellung der Reparaturkosten wurde deutlich, wie sich die Schadenkosten genau unterscheiden. Grundlage war das Gutachten für die Live-Reparatur am VW Passat. Während bei der Erneuerung mit Originalersatzteilen Reparaturkosten in Höhe von 6.292,71 Euro aufgerufen wurden, waren es bei der Instandsetzung 5.484,85 Euro und beim Teiletausch mit „Used Parts“ 5.782,01 Euro (alle Angaben in Bruttopreisen). Klare Position bezog Bernd Grüninger auch beim Thema sicherheitsrelevante Teile: „Wir lehnen die Verwendung von Gebrauchtteilen bei Fahrzeugkomponenten, die für die Sicherheit ausschlaggebend sind ab.“ An diesem Punkt sind sich auch Verbände und Allianz einig. ## „Es gibt keine Vorgaben für die Arbeitszeitwerte“ Gemeinsam mit F+K-Chefredakteur Konrad Wenz moderierte Branchenanwalt Henning Hamann (Kanzlei Voigt) die Karosserie- und Schadenstage. In seinem Vortrag über Arbeitszeitwerte stellte der Schadenrechtsexperte fest: „Weder für den Einbau gebrauchter Ersatzteile noch für die Instandsetzung gibt es verbindliche Vorgaben für Zeiten, die bei der Instandsetzung eingehalten werden müssen.“ Henning Hamann konkretisierte: Es gebe keine rechtlich verbildlichen Arbeitszeitvorgaben der Kalkulationsanbieter. Doch wie sollen die Werkstätten nun mit dem Thema umgehen? Sein Fazit lautet: Die Reparaturleitfäden der Automobilhersteller sollten beachtet werden. Abweichungen von Herstellervorgaben müsse die Werkstatt am besten immer
begründen und dokumentieren. Der Branchenanwalt der Kanzlei Voigt betonte: „Am Ende ist der tatsächliche Aufwand zu vergüten. Das kann mehr, aber auch weniger sein als vom Schadengutachter kalkuliert.“ Zu den Kalkulationsprogrammen sagte er: „Sie sind eher Arbeitszeitrichtwertkataloge“. ## Rund eine Stunde Mehrarbeit für Gebrauchtteil-Lackierung Dass es beim Einsatz gebrauchter Ersatzteile zu einem Mehraufwand kommt, steht außer Frage. Wie groß dieser im Bereich der Lackapplikation ist, demonstrierten in Würzburg die Trainer Roger Hengst und Sasche Petschke von Lackhersteller PPG | Nexa Autocolor. Im Vorfeld der Würzburger Karosserie- und Schadenstage hatte das Team in Hilden den direkten Vergleich gemacht. Lackiert wurden KTL-Neuteile und Gebrauchtteile, jeweils ein Kotflügel und eine Tür. Allein die Demontage der Anbauteile der gelieferten gebrauchten Tür bezifferte das Team mit rund 30 Minuten. Weitere 25 Minuten dauerte die Vorbereitung des Gebrauchtteils, dazu gehörten konkret: die Entfernung der Kleberest, das Reinigen der Oberfläche und der Anschliff der Teile. Roger Hengst betonte in diesem Zusammenhang: „Beim KTL-Teil haben wir bereits einen optimalen Untergrund, da müssen wir maximal etwas anköpfen. Bei den Gebrauchtteilen muss alles geschliffen werden, jede Falz, jede Ecke.“ Beim Lackaufbau und der Applikation spiele es wiederum keine Rolle, ob KTL- oder Gebrauchtteil. Sascha Petschke resümierte am Ende: „Aus unserer Sicht sind Gebrauchtteile eine weitere Option in der Unfallreparatur – nicht mehr und nicht weniger.“ ## „Nachhaltigkeit ist mehr als die PV-Anlage auf dem Dach“ Um verschiedene Optionen und Ansätze ging es auch in der Podiumsdiskussion zum Motto „Nachhaltig durch effiziente Prozesse“. Fix Auto Deutschland-Chef Roy de Lange betonte zu Beginn: „Nachhaltiges Arbeiten in K&L-Betrieben geht weit über die PV-Anlage auf dem Dach hinaus. Nachhaltigkeit bedeutet, das Unternehmen gut für die Zukunft aufzustellen, dazu zählen neben Effizienz und Rendite auch die Mitarbeitenden – und genau dabei unterstützen wir unsere Betriebe.“ Und der Weg dahin ist vielschichtig, wie die drei Betriebsinhaber im Podium aufzeigten. So gab Martin Ploß, Inhaber von Fix Auto Fränkische Schweiz, zu, dass zu Beginn seiner Übernahme vor rund zwei Jahren vor allem die Optimierung der Prozesse im Fokus stand. Durch digitale Tools hat er vor allem die administrativen Zeiten stark reduziert und konnte das Team im Büro von ursprünglich sechs auf heute 2,5 Mitarbeitende reduzieren. In der Lackiererei setze er zudem auf energiesparende Materialien von Lackhersteller PPG. „Durch die schrittweise Optimierung wird mein Betrieb zunehmend sexy für neue Fachkräfte“, resümiert er. Auch Stefan Reich, Inhaber von Fix Auto Cottbus, sieht in der Digitalisierung und der Umstellung der Lackmaterialien einen großen Hebel, um den Energieverbrauch zu reduzieren und insgesamt effiizienter zu arbeiten. Deutlich wurde im Laufe der Diskussion: Nicht jeder Betriebsinhaber hat die Option, an-, um- oder neuzubauen, doch auch im laufenden Prozess gibt es viele kleine Stellschrauben die auf nachhaltiges Wirtschaften einzahlen. Anders bei Onur Cevik, Betriebsinhaber der MG Die Autolackierer GmbH im Rhein-Erft-Kreis. Mit einem Neubau in Höhe von rund vier Millionen Euro will der 37-Jährige seinen Betrieb für die Zukunft aufstellen, denn im aktuellen Mietobjekt ist das Team längst an Kapazitätsgrenzen gestoßen. „Nachhaltigkeit ist bei der Planung des Neubaus natürlich ein großes Thema gewesen, auch weil uns im aktuellen Werkstattalltag viele Dinge aufgefallen sind, die wir verbessern wollen“, erzählte er in Würzburg. Geplant sind u.a. Wärmepumpen und die Versorgung über Flüssiggas, aber auch eine überdachte Fläche für demontierte Fahrzeuge, die nicht in der Werkstatt stehen. Mit dem Neubau will der junge Betriebsinhaber dann auch den Schritt in die Schadensteuerung wagen. „Dafür müssen wir natürlich Personal aufstocken, aber aus vielen Gesprächen weiß ich, dass ein moderner Neubau sich unter Fachkräften in der Region schnell rumspricht.“ Der junge Unternehmer blickt demnach mehr als positiv ins neue Jahr, auch wenn der Neubau wohl noch einige schlaflose Nächte mit sich bringen wird. ## Die Diskussion wird weitergehen Die Karosserie- und Schadenstage in Würzburg waren Wegweiser für die weitere Entwicklung beim Thema Gebrauchtteile. Neben der Allianz und seinem Schadensteuerer Innovation Group werden auch weitere Kfz-Versicherer die Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen in den nächsten Monaten forcieren. Offen ist jedoch: Wie relevant „Used Parts“ in einigen Jahren tatsächlich sein werden. Bleibt das Thema in der Nische oder wird es eine kalkulierbare Größe in der Unfallschadenreparatur? Schon jetzt scheint hingegen klar, dass die Branche noch viel Zeit und Energie in die Etablierung von verlässlichen Strukturen stecken muss. Man darf sich fragen, ob sich der Aufwand lohnt.
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