2025-03-05T11:44:53+0000

Rote Linien bei der Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen

Seit einigen Wochen testet und kalkuliert das Team von ClaimsControlling und IcamSystems in der eigenen Versuchswerkstatt des Leipziger Prüfdienstleisters die Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen. Gleichzeitig repariert der Karosserie- und Lackierbetrieb Peter Vogel in Meschede unter Praxisbedingungen die Instandsetzung mit „Used Parts“. Sie wollen mehr Klarheit über den konkreten Zeitaufwand für diesen Reparaturweg und die daraus resultierenden erforderlichen Abläufe gewinnen. Nach Angaben von IcamSystems lautet das konkrete Ziel: „Aus diesen Erfahrungen und Ergebnissen wollen wir eine automatisierte Kalkulationsunterstützung beim Einsatz von Gebrauchtteilen entwickeln, welche den Reparaturbetrieben und den Sachverständigen sämtlichen Zusatzaufwand beim Erstellen einer Reparaturkalkulation mit gebrauchten Ersatzteilen erspart.“ Die bisherigen Erfahrungen in Sachsen und im Sauerland zeigen, wo die Grenzen des Einsatzes gebrauchter Ersatzteile in der Unfallschadenreparatur tatsächlich verlaufen, und an welchen Stellschrauben gedreht werden muss. ## Wie groß ist der zusätzliche Arbeitsaufwand? Im Redaktionsgespräch mit Frank Hoffmann (Geschäftsführer der ClaimsControlling GmbH und der IcamSystems GmbH), Uwe Schmortte (Leiter der IcamSystems GmbH) und Betriebsinhaber Peter Vogel diskutierte schaden.news exklusiv erste Ergebnisse der Studie. „Grundsätzlich haben wir festgestellt, dass es bei verschiedenen Reparaturszenarien einen tatsächlichen Mehraufwand bei einer Instandsetzung mit Gebrauchtteilen im Vergleich zum Einsatz von OE-Neuteilen gibt“, erklärt Frank Hoffmann. Doch wo liegt der Mehraufwand konkret? „Zuerst bei der Schichtdickenmessung gelieferter lackierter Bauteile, um deren Qualität zu beurteilen“, erklärt Uwe Schmortte und begründet: „Bei der Schichtdickenmessung gelieferter Stoßfänger ist diese Qualitätssicherung sogar am aufwändigsten. Sie liegt in der Regel beim doppelten Aufwand einer Tür.“ Die Schichtdickenmessung sei wichtig, da sich nur so der Lackaufbau und damit der Anlieferungszustand einwandfrei bestimmen lasse. „Die Dokumentation der Messergebnisse ist auch bedeutend, um später mit etwaigen Reklamationen umgehen zu können.“ Hinzu kommen ebenfalls zusätzliche Arbeitszeiten für eine Reinigung der Gebrauchtteile. Frank Hoffmann erklärt dazu: „Bei gebrauchten Heckklappen und Seitentüren ist zudem ein nicht unerheblicher Aufwand für die Demontage sämtlicher Anbauteile erforderlich. Da selbstverständlich die bisherigen Bauteile des verunfallten Fahrzeuges aus den beschädigten Türen und Heckklappen in das bei der Reparatur verwendete Gebrauchtteil eingebaut werden, insofern sie nicht ebenfalls beschädigt sind.“ Dies sei erforderlich, um eine einwandfreie Funktionstüchtigkeit dieser Anbauteile sicherzustellen. „Außerdem könnte es auch beim Anlernen fremder Elektronikbauteile zu ernsthaften Problemen führen. Darüber hinaus fällt bei einigen Fahrzeugtypen ein zusätzlicher Aufwand für die Entfernung von Kleberesten geklebter Dichtungen an“, heißt es in Leipzig. ClaimsControlling, IcamSystems und Betriebsinhaber Peter Vogel sind sich zudem einig: Ganz entscheidend für die Bestimmung des exakten zusätzlichen Aufwands ist vor allem die Qualität der gelieferten Gebrauchtteile. „Nur mit sogenannter A-Qualität lässt sich der zu erwartende Zusatzaufwand verbindlich prognostizieren und somit wirtschaftlich arbeiten“, betont
Uwe Schmortte von IcamSystems. Denn schon bei Dellen, tiefen Kratzern oder angeschlagenen Kanten am gebrauchten Ersatzteil fallen unvorhersehbare Zusatzarbeiten an. ## Was sind die Unwägbarkeiten? „Wir haben in der Praxis leider häufig erlebt, dass uns Gebrauchtteile in A-Qualität zugesichert wurden, geliefert wurden tatsächlich Teile nur in B-Qualität“, berichtet Peter Vogel offen. In Meschede wurden 15 bis 18 Reparaturen durchgeführt, bei denen ein Monitoring durchgeführt wurde. Die konkreten Erfahrungen im Reparaturfachbetrieb lauten: „Gebrauchte Stoßfänger haben fast immer leichte Beschädigungen, gerade wenn die Teile schon fünf bis sechs Jahre oder länger am Fahrzeug waren.“ Nach Angaben von Peter Vogel ist die Verwendung von Gebrauchtteilen (z. B. Türen und Kotflügel), die über sechs Jahre alt sind aus Korrosionsschutzgründen grundsätzlich nicht für die Unfallschadenreparatur zu empfehlen. Ein weiteres Ergebnis aus dem Monitoring der Testreparaturen: „Stoßfänger haben zudem immer Steinschläge, die ausgeschliffen und somit aufwändiger lackiert werden müssen. Beim entsprechenden Neuteil ist das nicht der Fall.“ Darüber hinaus hatten nach Meschede gelieferte Seitentüren, Motorhauben und Heckklappen Dellen, die das Team von Peter Vogel instand setzen musste. Der Betriebsinhaber warnt außerdem: „Muss ein Gebrauchtteil neu lackiert werden, besteht die Gefahr des verminderten Korrosionsschutzes bei Durchschliffstellen insbesondere im Kantenbereich.“ ## Schadenkalkulation: „Gebrauchtteil nicht teurer als 50 Prozent des Neuteilpreises“ Natürlich spielt vor dem Hintergrund der Zusatzaufwände die Schadenkalkulation eine entscheidende Rolle. Frank Hoffmann und sein Team haben unterschiedliche Berechnungen unter verschiedenen Annahmen für den Tausch einer vorderen Seitentür eines VW Golf VII durchgespielt. Verglichen wurde eine Reparatur unter Einsatz eines OE-Neuteiles mit einer Gebrauchtteilreparatur unter Verwendung einer gebrauchten Tür beim gleichen Modell. IcamSystems gibt an: „Dabei wurde das Lacksystem AZT mit einem Lackindex von 100 Prozent kalkuliert. Das Einlackieren des vorderen Kotflügels und der hinteren Tür wurde mit Berücksichtigung der erforderlichen Ab- und Aufrüstarbeiten berechnet.“ Frank Hoffmann erklärt im Redaktionsgespräch mit schaden.news: „Unsere Testkalkulationen zeigen, dass das Gebrauchtteil eigentlich nicht teurer als 50 Prozent des Neuteilpreises betragen darf. Die Instandsetzung mit Used Parts ist vor allem dann wirtschaftlicher als die Reparatur mit Neuteilen, wenn der Recycler die Dokumentation der Schichtdickenmessung übernimmt, sämtliche Anbauteile der Seitentüren und Heckklappen vor Anlieferung entfernt sowie der Stundenverrechnungssatz und die Gebrauchtteilmarge der Werkstatt im Rahmen bleiben.“ Konkret hatte IcamSystems die Erneuerung der Fahrertür bei einem Golf VII als Gebrauchtteil kalkuliert und mit einer entsprechenden OE-Neuteilkalkulation verglichen. Das Ergebnis: Bei der Verwendung der Tür mit einem Neuteilpreis betragen die Brutto-Reparaturkosten 2.617,06 Euro. Die Vergleichskalkulation mit denselben Parametern, einem Gebrauchtteileinsatz und kalkulierten Zusatzaufwänden zeigt folgendes: Verbleiben alle Zusatzaufwände bei der Reparatur mit Gebrauchtteilen (A-Qualität) in der Werkstatt, ist die Instandsetzung im Vergleich zum OE-Teil um 0,85 Prozent günstiger – vorausgesetzt der Preis des Gebrauchtteils beträgt 50,00 Prozent des Originalteils. Höher sind die Einsparungen,
„wenn die meisten Zusatzaufwände, die durch die Verwendung eines Gebrauchtteiles entstehen, beim Recycler und nicht mehr bei der Werkstatt liegen. Dann sind wir bei der Schadenkalkulation im Vergleich zum OE-Neuteil um 4,03 Prozent günstiger, obwohl der Recycler in diesem Fall für die Tür 60,00 Prozent des Neuteilpreises berechnen könnte“, fasst Frank Hoffmann im Redaktionsgespräch zusammen. Die Annahme von IcamSystems bei der Kalkulation: Die Gebrauchtteilmarge beträgt 20,00 Prozent des Neuteilpreises, der Stundensatz 120,00 Euro (Karosserie) und 125,00 Euro (Lack). Zeitbasis 10 AW entspricht einer Stunde. ## Wie lautet das Fazit aus den Erfahrungen von ClaimsControlling und IcamSystems? Für ClaimsControlling und IcamSystems ergeben sich nach den ersten Testläufen und Schadenkalkulationen der Studie folgende Ergebnisse: „Wenn die Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen Kostenvorteile bringen soll, dann müssen Ersatzteile verlässlich in A-Qualität geliefert werden, um den Aufwand in der Werkstatt geringer zu halten“, stellt Frank Hoffmann fest. Weiterhin sollten nach Ansicht der Leipziger Fahrzeugtüren und Heckklappen bereits im demontierten Zustand ohne Anbauteile vom Handel an die Werkstatt geliefert werden. „Damit reduziert man den Aufwand der Demontage und einen nicht unerheblichen Entsorgungsaufwand in der Werkstatt. Außerdem sollte aus Recycler-Sicht das demontierte Bauteil deutlich günstiger anzubieten sein.“ Auch die Qualitätsprüfung durch Schichtdickenmessung müsste aus Sicht von ClaimsControlling und IcamSystems von den Recyclern durchgeführt werden. „Eine qualifizierte Qualitätsprüfung mit entsprechender Dokumentation durch die Recycler gibt der Werkstatt Sicherheit über den (Lack)Zustand des Gebrauchtteils und erspart Reklamationen im Fall, dass eine schlechte Qualität erst vom Reparaturbetrieb festgestellt wird“, erklärt Frank Hoffmann. Uwe Schmortte ergänzt: „Auch lassen sich die Investitionskosten für die Anschaffung eines hochwertigen Schichtdickenmessgerätes für jeden einzelnen Reparaturbetrieb vermeiden.“ ## Peter Vogel: „Es bleiben offene Fragen“ Für Peter Vogel steckt der Teufel grundsätzlich im Detail. Er meint: „Bisher gibt es keine einheitliche Prozessabläufe, die als Basis der Kalkulation der Werkstatt Sicherheit geben.“ Zudem fehlen aus seine Sicht verlässliche Standards für eine einwandfreie Qualität gebrauchter Ersatzteile, die „nicht nur auf dem Papier stehen, sondern auch in der Praxis stimmen“. Hinzu kommen für den Betriebsinhaber im Sauerland die Unwägbarkeiten in der Schadenkalkulation. „Nicht nur was den Aufwand angeht, sondern auch die tatsächlichen individuellen wirtschaftlichen Parameter wie Gebrauchtteilmarge und Stundensatz.“ Auch die Gebrauchtteilpreise kritisiert Peter Vogel im Gespräch mit schaden.news. „Vergleiche ich die Gebrauchtteilpreise von Ebay und Gebrauchtteilhändlern, so liegen dazwischen Welten.“ Insgesamt sieht Peter Vogel noch „viele offene Fragen“, er will sich der Reparatur mit Gebrauchtteilen aber nicht verschließen. ## „Wir brauchen branchenweit gültige Regeln“ IcamSystems und Peter Vogel sind sich zum jetzigen Zeitpunkt deshalb auch einig: Sie halten die Instandsetzung mit „Used Parts“ für sinnvoll. Allerdings muss die Instandsetzung mit gebrauchten Ersatzteilen für die Werkstatt zuverlässig funktionieren. Und da gebe es eben noch einen hohen Klärungsbedarf – von der Standardisierung von Gebrauchtteilqualitäten, der Definition der Arbeitspositionen für zusätzlichen Aufwand in der Schadenkalkulation, der Vereinbarung über einen einheitlichen Anlieferungszustand der gebrauchten Ersatzteile bis hinzu eindeutig festgelegten Prozessschritten. Offen sind nach wie vor auch rechtliche Fragen. Frank Hoffmann, Uwe Schmortte und Peter Vogel sind daher der Meinung, dass es einen Round Table geben muss, an dem alle beteiligten Parteien Platz nehmen und „branchenweit gültige Regeln“ vereinbaren.
Lesens Wert

Mehr zum Thema