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2025-06-11T09:41:43+0000

GDV: Wer hat Schuld an steigenden Reparaturkosten?

In der vergangenen Woche (2. Juni) hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) deutlich steigende Reparaturkosten prognostiziert. In einer aktuellen Hochrechnung auf Basis des ersten Quartals rechnet der Verband demnach damit, dass die Versicherer für Schäden rund 4,5 Prozent mehr ausgeben müssen als im Vorjahr. ## Hauptgrund „teure Werkstattarbeiten“ sorgt im Markt für Unverständnis Der GDV führt die erneute Teuerung insbesondere auf steigende Preise für Ersatzteile und Werkstattarbeiten zurück. „Wir beobachten seit Jahren, dass sowohl die Werkstattkosten als auch die Ersatzteilpreise viel schneller steigen als die allgemeine Inflation – und sehen jetzt die ersten Anzeichen dafür, dass diese Entwicklung auch 2025 weitergeht“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV. Die pauschale Aussage, dass die Werkstattpreise eine Ursache für die Reparaturkosten sei, sorgte im Unfallschadenmarkt für Kritik. ## BVdP-Geschäftsführer mahnt zur differenzierten Betrachtungsweise Michael Pinto, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Partnerwerkstätten (BVdP), mahnte in einem Kommentar auf der Business-Plattform LinkedIn zu einer differenzierten Betrachtungsweise, insbesondere im Hinblick auf die Werkstattarbeiten: „Denn nicht nur Ersatzteilpreise, sondern auch der technische Fortschritt bei Fahrzeugen trägt maßgeblich zu den Kostensteigerungen bei. Was früher Hightech in der Oberklasse war – wie Fahrerassistenzsysteme, komplexe Lichttechnologien oder umfangreiche Sensorik – gehört heute vielfach zur Serienausstattung. Das erhöht den Reparaturaufwand, stellt neue Anforderungen an Qualifikation und Ausstattung der Werkstätten und führt zwangsläufig zu höheren Arbeitskosten.“ Zudem sei zu beachten, dass Werkstattkosten nicht im luftleeren Raum entstünden: „Sie sind das Ergebnis technischer, regulatorischer und betriebswirtschaftlicher Entwicklungen – und betreffen alle Werkstattformen, ob markengebunden oder unabhängig, ob mit oder ohne Schadensteuerung – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung.“ Nicht zuletzt beeinflusse auch der Reparaturweg die Werkstattkosten maßgeblich, fügte Michael Pinto hinzu. „Instandsetzen vor Erneuern“ ist dabei in den meisten Fällen nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch der sinnvollste Weg – vorausgesetzt, die richtigen Rahmenbedingungen sind gegeben. ## ZKF-Präsident: „Schere zwischen freien und Markenbetrieben wächst“ Auch ZKF-Präsident Arndt Hürter wünscht sich eine differenziertere Betrachtung von Seiten der Versicherungswirtschaft. Schon Ende letzten Jahres appellierte er dafür, den „schwarzen Peter nicht immer den Werkstätten zuzuschieben“. Gegenüber schaden.news machte der Verbandspräsident zudem auf ein grundlegendes Problem zwischen freien und markengebundenen Betrieben aufmerksam, die Schere klaffe hier nämlich immer weiter auseinander: „Hersteller- und Markenbetriebe tragen mit Verrechnungssätzen zwischen 300 und 400 Euro zusätzlich zur Verschärfung der Situation bei. Während die Versicherer hier tiefer in die Tasche greifen, ziehen sie die Daumenschrauben bei den freien und Partnerbetrieben massiv an“, so Arndt Hürter. ## Wie setzt sich die Berechnung zusammen? Die schaden.news-Redaktion hat deshalb in der GDV-Pressestelle nachgefragt, wie sich
die prognostizierte Preissteigerung von 4,5 Prozent konkret zusammensetzt. Wie hoch ist dabei der Anteil an Ersatzteilpreisen und an Werkstattkosten konkret? Und wie setzen sich die Werkstattkosten im Detail zusammen, wird bei der Berechnung des Verbandes nach Markenwerkstätten und freien Betrieben unterschieden? Bis zum Redaktionsschluss am Mittwochmittag äußerte sich der GDV nicht dazu. ## „Steigerung der Werkstattkosten ist gerechtfertigt“ Marina Markanian, Unternehmensberaterin bei der bpr Mittelstandsberatung, erklärt im Gespräch mit schaden.news, dass die Stundensätze in den Werkstätten inflationsbedingt natürlich in den vergangenen Jahren gestiegen seien – und zwar gerechtfertigt. „Personalkosten, Dienstleister, Energie, Mietkosten, Versicherungsprämien – all das fließt in die Ermittlung des Stundensatzes eines Betriebes ein und muss selbsverständlich auch den Gegebenheiten angepasst werden. Schließlich hat ein Unternehmen auch immer die Pflicht zur Gewinnabsicht – sprich: Die Werkstatt muss Geld mit der Reparatur verdienen.“ ## Kritik des GDV geht auch an OEMs In der Pressemmitteilung kritisierte GDV-Chef Asmussen darüber hinaus auch den Designschutz für Autohersteller: „Dieses Quasi-Monopol für sichtbare Ersatzteile wie Kotflügel, Scheinwerfer oder Kofferraumklappen hat sich zu einer regelrechten Kostenfalle für Autofahrer entwickelt, da die Hersteller die Preise fast nach Belieben diktieren können.“ Zwar habe die Bundesregierung im Jahr 2020 eine Reparaturklausel eingeführt; dank ausufernder Übergangsfristen werde es einen wirklich freien Wettbewerb auf dem Ersatzteilmarkt aber nicht vor 2045 geben. „Nach Auswertungen des GDV waren Ersatzteile im Jahr 2024 rund 75 Prozent teurer als 2014“, so Asmussen. Die allgemeine Inflation betrug im selben Zeitraum hingegen nur rund 28 Prozent. ## GDV: „Kfz-Versicherer sollten 2025 keine weiteren Verluste schreiben“ [Die Kfz-Versicherer hatten aufgrund der rasant steigenden Reparaturkosten in den vergangenen zwei Jahren Verluste in Höhe von fast fünf Milliarden Euro hinnehmen müssen](https://schaden.news/de/article/link/44407/gdv-bilanz-2024-ergebnisse-kraftfahrtversicherung) und darauf ihrerseits mit Beitragserhöhungen reagiert. Nach der aktuellen GDV-Hochrechnung sollten die Kfz-Versicherer 2025 unter dem Strich keine weiteren Verluste schreiben; nur in der Vollkaskoversicherung dürften die Ausgaben für Schäden und Verwaltung weiterhin die Beitragseinnahmen übersteigen. Das Ergebnis hänge hier unter anderem vom Verlauf der Hagel- und Unwetter-Saison im Sommer ab. „Unsere ersten Zahlen zeigen, dass der Preisdruck in der Kfz-Versicherung auch im laufenden Jahr hoch bleibt“, so Asmussen. Wie sich diese Entwicklung auf die Prämien der Kfz-Versicherung konkret auswirken wird, bleibt jedoch der Entscheidung jedes einzelnen Versicherers überlassen. Nicht zuletzt erwartet auch die Versicherungsaufsicht BaFin von den Kfz-Versicherern, die Schadeninflation bei der Kalkulation ihrer Prämien angemessen zu berücksichtigen.
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