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2025-03-19T13:06:22+0000

Kfz-Versicherer: Druck zum Einsatz von Digitalisierung und KI steigt

Gut gefüllte Gänge und Säle im lichtdurchfluteten Congress Center Leipzig (CCL) am Dienstag und Mittwoch in dieser Woche (18. und 19. März 2025). Laut den Veranstaltern, den Versicherungsforen Leipzig, kamen rund 1.400 Teilnehmende beim Messekongress für Schadenmanagement & Assistance zusammen, darunter die Schadenchefs der Kfz-Versicherer, Prüfdienstleister, Schadensteuerer und -dienstleister, aber auch andere Player aus dem Kfz-Unfallschadenmarkt. ## Ehrliche Worte vom Versicherungskorrespondenten Als Keynote-Speaker zur Eröffnung haben die Veranstalter mit Herbert Fromme eine Koryphäe in der Versicherungsbranche gewinnen können. Der Wirtschaftsjournalist ist unter anderem Versicherungskorrespondent bei der Süddeutschen Zeitung und darüber hinaus Herausgeber des Fachmagazins Versicherungsmonitor. Herbert Fromme nahm in seiner Redezeit kein Blatt vor den Mund und bemängelte die zersplitterte Versicherungslandschaft, die schlecht ausgebaute IT in den Häusern und nicht zuletzt die „schlechten Vorstände“ in den Assekuranzen. Er prognostizierte dem Publikum eine „gewaltige Marktkonsolidierung“, schon allein deshalb, weil sie viele Versicherer die Grunderneuerung ihrer IT-Abteilungen kaum noch leisten könnten. Neben der Digitalisierung müsse zudem auch die Kostensenkung kommen müssen. Der Einsatz von KI sei dabei ein logischer Schritt, um Vorteile auf Seiten der Versicherungskunden zu generieren und dadurch zu einer laut dem Journalisten notwendigen Vertrauensoffensive gegenüber den Versicherungsnehmern beizutragen. Wie stark Digitalisierung und KI mit der Versicherungswelt verknüpft ist und wie stark Angebot uind Nachfrage für Bits & Bytes in der Schadenabwicklung bereits heute sind, wurde den Kongressbesucherinnen und -besuchern auf den drei Ebenen des Congress Centers in Leipzig deutlich. Kaum ein Vortrag, in dem nicht die Worte KI, Automatisierte Schadenbearbeitung, Connected Car oder Digitalisierung vorkamen. Und auch auf der umfangreichen Fachausstellung mit rund 90 Ausstellern drehte sich vieles um die Frage, wie die Schadenregulierung durch den Einsatz von digtialen Tools beschleunigt werden kann. ## DEKRA und Ergo stellen digitales Schadenmanagement Hagelschaden vor Ein Vortrag, der sich in Leipzig mit der Digitalisierung von Prozessen in der Schadenregulierung beschäftigte, stieß bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf
starkes Interesse: Die Prüforganisation DEKRA und der Kfz-Versicherer ERGO stellten gemeinsam das System des digitalen Schadenmanagements für Hagelschäden vor. „Wir wollen auf diesem Weg die Sachverständigen und Sachbearbeiter der Kfz-Versicherer entlasten sowie die Regulierung für Versicherungsnehmer beschleunigen“, erklärte Bernd Grüninger, Bereichsleiter Gutachten und Mitglied der Geschäftsleitung DEKRA Automobil. Christoph Mennicken, Head of digital Service DEKRA Automobil GmbH, ergänzte: „Es geht nicht darum ein Schadengutachten zu erstellen, sondern um die schnelle und zuverlässige Sortierung von verschiedenen Schadenklassifizierungen, damit die Abläufe in der Schadenregulierung bei Großschadenereignissen durch sinnvollen Einsatz von Digitalisierung erleichtert werden.“ Totalschäden, Notreparaturen bei Glasschäden, Vorschadenanalyse oder tatsächlich reparierbare Hagelschäden – mit Unterstützung von KI durch Bildanalyse, der Kalkulation von Schadenkosten und dem Vergleich mit Restwerten können mit dem System von DEKRA automatisierte Einschätzungen getroffen werden, die Warte- und Bearbeitungszeiten deutlich verkürzen. Das bestätigte Markus Bielenberg, Abteilungsleiter Dienstleister und Prozessmanagement der ERGO Group AG. Das digitale Schadenmanagement von DEKRA wurde in einem Pilotprojekt der ERGO bei 1.537 Beauftragungen getestet. „Die KI Bilderkennung der Schäden sowie automatisierte Kostenkalkulation anhand von Fotos und die daraus resultierenden Einschätzungen sind schon sehr genau“, lautet das Ergebnis. Nach Aussagen von DEKRA wurden Hagelschadenfälle nachbesichtigt und die von der KI getroffenen Einschätzungen bestätigt. Das Ziel für Kfz-Versicherer: Wartezeiten für Besichtigungen reduzieren, Auszahlungen an die Geschädigten zu beschleunigen und einen besseren Überblick über die tatsächlich reparierbaren Hagelschäden zu erhalten, um diese schneller für die Instandsetzung in der Werkstatt zu beauftragen. DEKRA will das digitale Schadenmanagement für Hagelschäden nun mit weiteren Kfz-Versicherern im Schadenmarkt etablieren. ## FIASCO: Mit Fuchs Sofia zur exakten, automatisierten Schadenkalkulation Um die KI-basierte Schadenbewertung ging es im Vortrag von Önder Aslan, Geschäftsführer der FIASCO GmbH und seinem Kollegen Sebastian Witt, Head of Fronted Design bei FIASCO. Sie stellten die selbst entwickelte KI „Sofia“ mit dem Avatar einen Fuchses vor. Diese erkenne automatisch einzelne Bauteile und Fahrzeugschäden auf Schadenbildern, könne Betrugsversuche aufdecken und geeignete Maßnahmen vor eine sinnvolle Fahrzeugreparaturmethode vorschlagen. Ein Alleinstellungsmerkmal des Dienstleisters sei dabei der praktische Hintergrund des Geschäftsführers: Önder Aslan ist selbst Inhaber eines K&L-Betriebs im Remstal (Baden-Württemberg) und weiß daher genau, worauf es beim Schadenabwicklungsprozess ankommt und wie sich dieser sowohl für Werkstätten, als auch für Kfz-Versicherer, Leasingunternehmen, Flotten durch eine automatisierte Schadenkalkulation effizienter gestalten lasse. 2021 als Startup gegründet, gehört FIASCO heute in der Schadenwelt übrigens zu einer festen Größe. Das
war auf dem Messekongress in Leipzig nicht zuletzt durch die konstant hohe Frequenz von Gesprächspartnern und Besuchern am Messestand zu erkennen. Doch zurück zur KI-basierten Schadenbewertung: Basis dafür sei die FIASCO-eigene Fahrzeugdatenbank, mit der „Sofia“ trainiert wurde. Dort sind rund 5,6 Millionen Bauteil-Fotos, 2 Millionen Schadenbilder sowie 120.000 Fotos von Glasschäden hinterlegt. Zusätzlich tragen laut Sebastian Witt neben den Schadenbildern auch die Schadenbeschreibungen zu einem möglichst präzisen Ergebnis bei. Das Ergebnis sei eine valide und sehr genaue Kalkulation des vorliegenden Schadens, die beispielsweise direkt in DAT oder Audatex angezeigt werde – „und zwar gerechnet und nicht geschätzt“, fügte Önder Aslan im Vortrag hinzu. Neben der beschleunigten Schadenabwicklung würden alle am Prozess Beteiligten von einer Genauigkeit und Objektivität bei der Datenbewertung profitieren, ihre Effizienz steigern, Kosten minimieren und im Endeffekt ihre Kundenzufriedenheit erhöhen. ## Nachhaltigkeit bei der Regulierung von Autoglasschäden Neben der Digitalisierung gab es auf dem Messekongress aber auch noch einige (wenige) andere Fokusthemen, beispielsweise die Nachhaltigkeit. So zeigten Matthias Wittenberg, Head of Key Acccount Management, sowie Jens Krees, Head of Communications, wie der Autoglas-Reparaturexperte Carglass durch gezielte Maßnahmen bei der Scheibenreparatur Kfz-Versicherer dabei unterstütze, Kosten zu minimieren und gleichzeitig die Umwelt zu schützen. So nutze das Unternehmen für seine Transportwege die Binnenschifffahrt, habe die Firmenflotte auf E-Fahrzeuge umgestellt und die Servicecenter energetisch modernisiert. Zudem lege Carglass den Fokus auf seine Repair-First-Strategie: „35 Prozent aller Fahrzeugscheiben sind reparabel. Dadurch lassen sich 80 Prozent an CO2-Emissionen einsparen, zudem reduzieren sich dadurch Aufwand und Kosten - und zwar nicht nur im Unternehmen selbst, sondern auch bei den angeschlossenen Prozessen. Schließlich ist Carglass selbst auch Bestandteil von Lieferketten bei Kfz-Versicherern und Flottendienstleistern“, erklärte Jens Krees dem Publikum. Und auch hinsichtlich des Scheibentauschs will Carglass zukünftig versuchen, den eigenen CO2-Fußabdruck zu verringern. Denn: 90 Prozent aller Emissionen bei Carglass kommen allein durch den Austausch von Autoscheiben zustande“. verdeutlichte Jens Krees. Grund dafür seien hohe Temparaturen bei der Produktion neuer Scheiben sowie Transport und Recycling des Glases. „Das ist ein riesiger CO2-Rucksack“, betonte der Head Communications im Vortrag. Deshalb arbeitet Carglass derzeit an einem Pilotprojekt: Das Unternehmen forscht am Einsatz von Recyclingglas bei der Produktion von Windschutzscheiben. „Dadurch könnte die CO2-Bilanz zukünftig noch verbessert werden, denn Recyclingglas hat einen niedrigeren Schmelzpunkt als für die Produktion einer neuen Fahrzeugscheibe notwendig ist.“ Bisher bestehe tatsächlich jede neu verbaute Windschutzscheibe aus vollkommen neuwertigem Glas. Momentan sei das Projekt in der Testphase, es wurden laut Carglass Windschutzscheiben für die Mercedes A-Klasse produziert. Diese werden nun durch das Qualitätsmanagement getestet. Alle Nachhaltigkeitsmaßnahmen hat Carglass in seinem aktuellen Nachhaltigkeitsbericht zusammengefasst, den Matthias Wittenberg und Jens Krees druckfrisch auf der Messe in Leipzig vorstellten. Neben zahlreichen Versicherern, Schadendienstleistern und Steuerern präsentierten sich beim Messekongress auch zahlreiche Aussteller aus dem Kfz-Unfallschadenmarkt, beispielsweise Lackhersteller AkzoNobel oder die Werkstattkette IRS mit seinen Smart Repair-Zentren Dent Wizard.
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