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2025-02-12T11:26:51+0000

Reparatur mit Gebrauchtteilen: „Nicht marktrelevant, zu viele offenen Fragen“

_Die Instandsetzung mit gebrauchten Ersatzteilen sorgt weiter für Diskussionsstoff. Der Bundesverband der Partnerwerkstätten stellt den generellen Einsatz von Gebrauchtteilen nicht in Frage, fordert aber einen Prozess, der in die Werkstattwelt passt. Zudem muss die Haftungsfrage klar geklärt sein. Im schaden.news-Interview erläutern BVdP-Geschäftsführer Michael Pinto und Vorstandsvorsitzender Reinhard Beyer, welche offenen Fragen beim Einsatz von Gebrauchtteilen noch geklärt werden, es keinen Kostenvorteil gibt und warum Zeitstudien zum Thema ihrer Meinung nach noch verfrüht sind. _ __Wie beurteilt der BVdP die tatsächliche Relevanz der Instandsetzung mit gebrauchten Ersatzteilen derzeit für den Schadenmarkt? __ __Reinhard Beyer: __Die Relevanz des Einsatzes von Gebrauchtteilen wird unserer Ansicht nach öffentlich unglaublich gepusht. Doch momentan sind sowohl diese Teile rar und es gibt auch noch keinen klar definierten Prozess für den Umgang damit. Wir vom BVdP arbeiten daran, dass ein vernünftiger Prozess für die Werkstätten geschaffen wird, um mit gebrauchten Teilen zu reparieren. Denn dass die Verwendung von gebrauchten Teilen nachhaltig ist und ein Zukunftsthema darstellt, das steht außer Frage. __Wo hakt es denn momentan konkret?__ __Reinhard Beyer:__ Unter anderem am Bestellprozess. Daten müssen bisher oftmals händisch in das System übertragen werden, was Aufwand bedeutet und Fehlerquellen birgt. Zudem ist auch die Frage noch offen, in welcher Qualität die Teile in den Betrieb kommen. Darüber hinaus ist nicht geklärt, wer die Verantwortung trägt, wenn gebrauchte Teile verbaut werden. Und wer übernimmt dieKommunikation mit dem Endverbraucher? Bei all diesen Fragen muss es Klarheit geben – denn Stand jetzt, bleiben sie alle an der Werkstatt hängen, das geht nicht. __Michael Pinto:__ Wir sind bereits letzten Sommer und damit sehr früh in das Thema eingestiegen und haben gerade das Argument der Kosteneinsparung klar in Frage gestellt. Denken wir doch einfach einmal an die zahlreichen Beispiele für Zusatzarbeiten, die bei der Verwendung von Gebrauchtteilen entstehen können, bei Neuteilen aber nicht anfallen würden. Nicht von der Hand zu weisen ist, dass durch den Einsatz von Gebrauchtteilen Ressourcen und Energie und Aufwendungen, die bei der Produktion eines Neuteils anfallen würden, eingespart werden können. Wichtig ist für uns, dass es sinnvoller ist, in die Diskussion einzusteigen, bevor das Thema jemandem übergestülpt wird. Dabei haben wir auch klar gefordert, dass die Kommunikation zum Einsatz von Gebrauchtteilen zwischen Versicherer und Versicherten erfolgen muss und nicht als zusätzlicher Aufwand wieder einmal bei der Partnerwerkstatt hängen bleiben darf. __Der Allianz Vorstandsvorsitzende Frank Sommerfeld spricht davon, dass beim Tausch einer VW Golf 7 Fahrertür gegen ein Gebrauchtteil gegenüber eines Originalteils 7,3 Prozent der Kosten eingespart werden… __ __Michael Pinto: __So viele Reparaturen mit gebrauchten Türen des genannten Modells haben sicherlich noch gar nicht stattgefunden. Zudem ist es unmöglich, bei der Reparatur mit Gebrauchtteilen die Kosten zu pauschalisieren. Denn nicht jedes Teil kommt in gleichem Zustand in der Werkstatt an. Nicht jedes Teil ist gleich zerlegt, es sind Zusatzarbeiten in ganz unterschiedlichem Maße nötig, das lässt sich schlecht an einer Zahl festmachen.
__In unserer letzten Web-TV-Ausgabe 2024 hatten wir darüber berichtet, dass die Allianz das Thema Reparatur mit Gebrauchtteilen stark vorantreibt. Doch damals gab es noch keine Police, in der der Einbau von Gebrauchtteilen schriftlich verankert ist. Hat sich daran etwas geändert? __ __Reinhard Beyer: __Wir kennen noch keine entsprechende Police, weder von der Allianz noch von einem anderen Kfz-Versicherer. __Der Prüfdienstleister IcamSystems schaut sich derzeit im Rahmen einer Zeitstudie an, wie die Arbeitszeitwerte beim Einsatz von Gebrauchtteilen sich entwickeln. Wie bewertet der BVdP solche Erhebungen? __ __Reinhard Beyer:__ Eine Zeitstudie macht aus unserer Sicht momentan noch nicht wirklich Sinn, das ist deutlich verfrüht. Das würde bedeuten, dass es festgelegte Zeiten gibt, die beim Einsatz einer gebrauchten Tür in der Unfallschadenreparatur anfallen. Diese Zahlen kann es – Stand jetzt – noch gar nicht geben. Momentan bekommt der Betrieb beispielsweise eine komplette Tür, inklusive Fensterhebern und weiteren Bauteilen. Beulen, Blessuren oder Reste von Gummi erfordern ebenfalls einen anderen Zeitaufwand, um das Ersatzteil erst einmal für den Einbau vorzubereiten. Wir setzen uns in den Gesprächen dafür ein, dass die gebrauchten Teile zerlegt, also in Rohform, in die Werkstatt kommen, was den zusätzlichen Aufwand deutlich verringern würde. Diese Beispiele zeigen: Die Arbeitszeitwerte beim Einsatz von Gebrauchtteilen lassen sich gar nicht pauschalisieren. Eine Zeitstudie wie von IcamSystems kann sich also immer nur auf das eine Teil beziehen und lässt sich aktuell nicht generalisieren. Zumal die Gebrauchtteile auch in verschiedenen Qualitätsabstufungen zur Verfügung stehen sollen. __Wie sähen diese Standards denn Ihren Vorstellungen nach aus?__ __Reinhard Beyer: __Der Idealfall wäre tatsächlich, dass die Teile komplett zerlegt kommen. Denn durch die Zerlegung entsteht der Werkstatt wieder Zusatzaufwand und zudem viel entsorgungspflichtiger technischer Abfall. Das muss vermieden werden. Alternativ sollte der Betrieb die Wahl haben, ob das Gebrauchtteil zerlegt oder komplett kommt – das ist sicher auch vom Reparaturfall abhängig. Aber das vollständig zerlegte Gebrauchtteil in der Schadensteuerung ist unserer Meinung nach ein unbedingtes Muss. __Wir haben bei Leasingrückläufern auch schon Diskussionen beim Thema Instandsetzung vor Erneuern gesehen. Laufen Leasingnehmer bei der Rückgabe nicht Gefahr, dass bei der Verwendung von Gebrauchtteilen hohe Nachzahlungen erfolgen?__ __Reinhard Beyer:__ Ein Gebrauchtteil darf nur eingebaut werden, wenn der Leasinggeber zustimmt. Wer das ohne Zustimmung des Kunden durchführt, ist selbst schuld und steht in der Haftung. Eine einfache Zurkenntnisnahme reicht nicht aus, hierfür muss es eine klare Unterschrift geben, in der die Leasinggesellschaft zustimmt. __Aber im von Innovation Group vermittelten Reparaturauftrag der Allianz Versicherung steht immer noch, dass der Autofahrer eine Reparatur mit Gebrauchtteilen zur Kenntnis nimmt.__ __Michael Pinto: __Wir fordern ganz klar, dass diese Zustimmung noch einmal konkreter und für die Werkstatt rechtssicherer formuliert wird und sind in einem intensiven Diskurs mit der Innovation Group zu diesem Thema. __Noch einmal kurz zusammengefasst: Was sind die Grundvoraussetzungen, damit die Reparatur mit Gebrauchtteilen überhaupt funktioniert? __ __Michael Pinto:__ Die richtige Kommunikation mit den Versicherten an der richtigen Stelle und nicht zu Lasten der Werkstätten. Eine weitere wichtige Voraussetzung ist die Sicherheit für die Werkstätten. Hier muss ganz klar über Garantie und Gewährleistung
gesprochen und vertraglich fest verankert werden, damit die Werkstatt weiß, worauf sie sich einlässt. Zudem brauchen wir einen einfachen Bestellprozess, der in die Werkstattwelt passt, mit der Übernahme von notwendigen Daten aus dem DMS. Auch müssen wir über erhöhte Standzeiten reden, mit denen auch höhere Kosten für Mobilität einhergehen. Es muss selbstverständlich so bleiben, dass erforderliche Zusatzarbeiten auch bezahlt werden. __An der Studie von IcamSystems nimmt unter anderem auch ein BVdP-Vorstandsmitglied teil. Welchen Anteil hat der BVdP an dieser Studie?__ __Michael Pinto:__ Diese Zeitstudie ist kein BVdP-Projekt! Wie bereits erwähnt, halten wir es derzeit für noch zu früh, um solche Erhebungen durchzuführen, weil viele Punkte noch nicht so umgesetzt wurden, wie sie in der Werkstatt notwendig sind. Nichtsdestotrotz ist es sicher interessant, auf den Ist-Zustand der Debatte zu schauen, um einen Eindruck zu haben, in welchem Rahmen die Kosten derzeit überhaupt liegen und wie stark der Umweltgedanke wirklich zum Tragen kommen kann. Entscheidend ist und bleibt aber, dass die erforderlichen Zusatzarbeiten bezahlt werden. __Sollte nicht die Interessengemeinschaft für Fahrzeugtechnik und Lackierung (IFL) in zukünftige Studien viel stärker eingebunden werden?__ __Michael Pinto: __Das wäre bestimmt sinnvoll. Darüber hinaus kann ich mir gut vorstellen, weitere Parteien aus der Branche in eine solche Studie einzubinden, um Akzeptanz auf allen Seiten zu schaffen. Das wäre durchaus auch ein Projekt, an dem wir als BVdP mitwirken würden. __Wie geht es jetzt weiter mit dem Thema? Womit rechnet der BVdP in diesem Jahr?__ __Michael Pinto:__ Momentan beobachten wir bei den Versicherern eine eher abwartende Haltung bzw. Zurückhaltung. Nichtsdestotrotz glauben wir, dass es notwendig ist, das Thema Reparatur mit Gebrauchtteilen aus allen Perspektiven intensiv zu diskutieren, um Fehler bei der Umsetzung bereits jetzt schon erkennen und vermeiden zu können. Und bei aller Diskussion um Gebrauchteile dürfen wir die nachhaltigste Reparaturmethode nicht vergessen, und die heißt I vor E. __Vielen Dank für das Interview!__
Lesens Wert

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