2024-12-18T12:32:44+0000

Allianz greift bei Innovation Group durch

Am Nikolaustag informierte Innovation Group seine Kooperationsbetriebe über die nun endlich ab dem 1. Januar 2025 geltende neue Direktkundenregelung. Schon beim [Schadentalk während der Automechanika hatte Vorstands-Chef Mark Alagna die Änderung angekündigt](https://www.schaden.news/de/article/link/44209/innovation-group-kippt-bisherige-direktkundenregelung). In der Mitteilung, die der Redaktion vorliegt, heißt es: „Haftpflichtschäden können nun von Ihnen mit den ausgehängten Stundensätzen zzgl. Lackmaterial abgerechnet werden.“ Die Konditionen seien Innovation Group in den letzten sechs Monaten gemeldet und freigegeben worden. Bei Kaskoschäden gilt weiterhin die Abrechnung nach vereinbarten Stundenverrechnungssätzen. Zur Erklärung: Bei der Direktkundenregelung verpflichtet sich der Kooperationsbetrieb dazu, zu den mit der Innovation Group vereinbarten Stundensätzen auch bei solchen Kunden abzurechnen, die ohne von dem Schadensteuerer in die Betriebe gelenkt worden zu sein sowieso als Kunden gekommen wären und daher eigentlich zu den Aushangpreisen abgerechnet werden könnten. ## Kaskoschäden der Allianz müssen künftig zu reduziertem Stundensatz repariert werden Und genau hier liegt Zündstoff. Denn in der gleichen Mitteilung kündigt Innovation Group an, dass künftig auch die Allianz Versicherung unter die Direktkundenregelung fällt. Zwar können nach der Neufassung die Haftpflichtschäden der Münchener nach dem ausgehängten Stundensatz abgerechnet werden, alle Kaskoschäden der Allianz müssen künftig jedoch anders als bisher zum reduziertem Stundensatz repariert werden. „Das kann für Betriebe richtig teuer werden“, erklärt ein Brancheninsider gegenüber schaden.news. „Vor allem in Regionen mit einem hohen Anteil an abgeschlossenen Kasko-Policen der Allianz wird die Direktkundenregelung für Partnerwerkstätten zum Minusgeschäft, weil sie eben jetzt zu den günstigeren Stundensätzen abrechnen müssen.“ ## Ergo, Bavaria Direkt und R+V haben Konsequenzen gezogen Auf der Direktkundenliste, die schaden.news ebenfalls vorliegt, finden sich 41 Kfz-Versicherer, davon haben 32 Assekuranzen die Direktkundenregelung vereinbart. Die Ergo, Bavaria Direkt und auch R+V fehlen auf der Übersicht, die den Kooperationsbetrieben am 6.12. zugeschickt wurde. Der Grund: [Ergo und Bavaria Direkt wechseln im neuen Jahr 2025 zum Schadensteuerer SPN.](https://www.schaden.news/de/article/link/44312/ergo-und-bavaria-direkt-wechseln-zu-spn) Die R+V lässt den Löwenanteil ihres gesteuerten Schadengeschäftes künftig über Riparo lenken, an dem sich der Kfz-Versicherer Anfang des Jahres beteiligt hatte. Die Kfz-Versicherer ziehen damit wohl ihre Konsequenzen aus nach der Übernahme von Innovation Group durch die Allianz Versicherung, die nun immer stärker ihre Interessen in Stuttgart durchsetzt. ## Zweifelhafte Erklärung von Versicherten zu gebrauchten Ersatzteilen Noch ein Thema dürfte die Kooperationsbetriebe von Innovation Group im nächsten Jahr schwer beschäftigen: Die Instandsetzung mit gebrauchten Ersatzteilen. Denn bei von Innovation Group vermittelten Unfallschadenreparaturen im Rahmen des Allianz Komfort-Tarifs sollen die Versicherungsnehmer zur Kenntnis nehmen, dass mit gebrauchten Ersatzteilen repariert wird, obwohl es dazu keine entsprechende Vereinbarung in der Police der Allianz gibt. Die Redaktion bezieht sich auf eine entsprechende Erklärung im Reparaturauftrag. In einem Passus steht unter „Hinweis zur Verwendung von Gebrauchtteilen: „Sofern es gebrauchte, wiederaufbereitete Original-Ersatzteile für die Unfallreparatur gibt, kann die Werkstatt diese für die Durchführung einer fachgerechten Reparatur nach Herstellervorgaben verwenden. Weitere Informationen erhalten Sie von Ihrem Reparaturpartner oder über den nachfolgenden Link greencasion.de“ Darunter eine Box mit der Zeile: „Ich habe die Information über die optionale Verwendung von Gebrauchtteilen zur Kenntnis genommen.“ In den allgemeinen Bedingungen des Allianz Komfort-Tarifes heißt es laut Informationen, die schaden.news auch vorliegen, lediglich unter 1.5.2.: „Hinweis zur nachhaltigen Reparatur:
Wir unterstützen eine nachhaltige Reparatur und informieren Sie auf Wunsch, ob Ihr Schaden für eine nachhaltige Reparatur bei unseren Werkstattpartnern geeignet ist (z.B. Reparatur statt Austausch, Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen, Smart Repair für Kleinschäden).“ Ein entsprechender Hinweis findet sich auch in der Grund-AKB der Allianz. Zum Hintergrund: Bereits im Mai hatte Allianz Vorstandschef Frank Sommerfeld angekündigt, dass die Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen in allen 1.400 Kooperationsbetrieben von Innovation Group ab sofort durchgeführt werden. Die Allianz Versicherung greift damit jetzt direkt auf seinen im Jahr 2022 übernommenen Schadensteuerer durch. ## „Keine Legitimation zur Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen“ Die Unterlagen hat schaden.news dem Branchenanwalt Henning Hamann zur Prüfung vorgelegt. Für ihn ist das Vorgehen der Allianz rechtlich zweifelhaft. „Uns ist keine Police irgendeines Kfz-Versicherers bekannt, welche die Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen regelt“, erklärt der Geschäftsführer der Kanzlei Voigt. Zu dem Fall erklärt Henning Hamann in einer Stellungnahme gegenüber der Redaktion: „Der in den aktuellen Allianz-Versicherungsbedingungen (Stand Mai 2024) enthaltene Hinweis ist keinesfalls als Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Hinnahme einer solchen nachhaltigen Reparatur unter Verwendung von gebrauchten Ersatzteilen anzusehen“, heißt es in der Stellungnahme von Henning Hamann. „Wenn den Versicherungsnehmern nun ein Dokument vorgelegt wird, in dem die Versicherungsnehmer darauf hingewiesen werden, dass die Werkstatt gebrauchte, wiederaufbereitete Original-Ersatzteile verwenden kann, dann handelt es sich auch dabei um keine Vereinbarung zur Verwendung von gebrauchten Ersatzteilen, sondern lediglich um einen Hinweis darauf, dass das grundsätzlich möglich ist.“ Die Kanzlei Voigt stellt klar: „Ein solcher Hinweis ist jedoch nicht geeignet, um daraus eine Legitimation zur Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen abzuleiten. Auch die graphische Einbettung dieses Hinweises zwischen die Kundenzufriedenheitsbefragung und die Widerrufsbelehrung wird der Bedeutung der Sache keinesfalls gerecht.“ Henning Hamann hält diese Vorgehensweise ohne weitere Aufklärung des Kunden und ohne dessen ausdrückliches Einverständnis für bedenklich, weil sich daraus eine Vielzahl von rechtlichen Schwierigkeiten ergeben können. „Als Stichpunkte seien hier nur „Haftung der Werkstatt gegenüber dem Kunden“ und „Schwierigkeiten des Kunden gegenüber dem Leasinggeber, falls es sich um ein Leasingfahrzeug handelt“ genannt.“ ## Wie reagiert Innovation Group? „Die Innovation Group unterstützt den Ausbau nachhaltiger Reparaturen. Dies umfasst auch die Verwendung von „Green Parts“ bei Reparaturen. Dabei ermöglichen wir unseren Werkstattpartnern den Bezug wiederaufbereiteter Ersatzteile bei Kundenwunsch“, erklärt Vorstands-Chef Mark Alagna von Innovation Group auf Anfrage von schaden.news. In seiner Stellungnahme wird betont: „Alle Werkstätten, welche über die IG Parts Ersatzteile beziehen, können schon heute einfach und schnell gebrauchte Ersatzteile beziehen. In der Praxis wird dies bereits genutzt. Um die Rahmenbedingungen für den Bezug, Bestellung und Nutzung von "Green Parts" zu verbessern, arbeiten wir mit ausgewählten Werkstätten, dem BVdP und ClaimParts intensiv zusammen.“ Dies umfasse auch die Einfachheit der Bestellservices, die Abwicklung inklusive eventuellem Rückversand, die Abrechnung von Sonderaufwänden, etc. Weiterhin heißt es: „Dabei unterstützen wir unsere Werkstatt-Partner u.a. auch beim Thema Garantie. Die Rückmeldungen unserer Partner und die gemeinsamen Erfahrungen werden laufend ausgewertet und daraufhin die Prozesse angepasst.“ Mark Alagna äußert sich gegenüber der Redaktion auch zu dem von Branchenanwalt Henning Hamann kritisierten „Hinweis zur Verwendung von gebrauchten Ersatzteilen". Ziel dieses Hinweises sei es, „den gemeinsamen Kunden über die Möglichkeit einer Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen zu informieren. Sofern der Kunde daran Interesse hat, wird seine explizite Zustimmung eingeholt.“ Das Klickfeld dokumentiere somit die Beratung durch die Werkstatt und deren Kenntnisnahme - sofern diese erfolgt sei. „Ist der Kunde nicht mit der Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen einverstanden, bleibt das Feld leer; es erfolgt somit auch keine Reparatur unter Einsatz von Gebrauchtteilen.“ Weiterhin unterstreicht der Vorstandsvorsitzende von Innovation Group: „Unser Ziel ist es, ‚Nachhaltigkeit‘ zu fördern und neue Standards in Zusammenarbeit zwischen Werkstatt-Kunden, Werkstätten, Teile-Lieferanten und Versicherungen zu entwickeln.“ Für Henning Hamann, Geschäftsführer der Kanzlei Voigt, ist und bleibt die Formulierung zweifelhaft: „Wenn wirklich darin eine Einwilligung des Kunden zu sehen sein soll, dann müssten es auch ‚Einwilligung‘ und nicht ‚Hinweis‘ heißen. Im Text darf dann auch nicht stehen ‚Ich habe die Information für die optionale Verwendung von Gebrauchtteilen zur Kenntnis genommen‘, sondern ‚Ich bin mit der optionalen Verwendung von Gebrauchtteilen einverstanden‘“. ## Gebrauchte Ersatzteile in der Unfallschadenreparatur bleibt Streitthema Das Vorgehen der Allianz und von Innovation Group kann gerade deshalb für Werkstätten zu Schwierigkeiten führen, vor allem wenn Leasinggesellschaften den Verbau eines gebrauchten Ersatzteiles später reklamieren. Eben weil die Formulierungen nicht eindeutig sind. „Im Zweifel steht die Werkstatt in der Haftung, weil sie das Ersatzteil eingebaut hat“, hebt Henning Hamann nochmals hervor. Wie die Kooperationsbetriebe reagieren, ist bislang offen. Klar ist nur: [Bei der Stimmungs- und Konjunkturumfrage, die schaden.news Ende November durchgeführt hat, haben sich 63 Prozent der befragten Teilnehmer gegen den Einsatz von gebrauchten Ersatzeilen bei der Unfallschadenreparatur ausgesprochen.](https://www.schaden.news/de/article/link/44315/ergebnisse-stimmungsumfrage-november-2024) Das Streitthema wird im kommenden Jahr weiter Fahrt aufnehmen.
Lesens Wert

Mehr zum Thema