2024-08-14T08:57:13+0000

BGH-Entscheidung zur Wertminderung: Was Werkstätten und Sachverständige wissen sollten

In gleich drei Verfahren (AZ VI ZR 205/23, VI ZR 239/23 und VI ZR 243/23) hat sich der Bundesgerichtshof kürzlich mit der Wertminderung befasst und sorgt mit seinen Entscheidungen nun für Klarheit. schaden.news hat alle wichtigen Informationen rund um die Wertminderung, die neuen Entscheidungen und die Bedeutung für die Praxis zusammengefasst. ## Was ist die Wertminderung und warum ist sie wichtig? Unfallfahrzeuge sind selbst nach vollständiger Reparatur weniger wert als unfallfreie Fahrzeuge, weil Käufer oft Bedenken hinsichtlich versteckter Mängel haben. Dieser Wertverlust, auch „merkantiler Minderwert“ genannt, kann vom Geschädigten als Schadensersatz verlangt werden. Die Wertminderung entspricht also der Differenz zwischen dem Marktwert des Fahrzeugs vor und nach dem Unfall – und diese ist grundsätzlich erstattungsfähig. In den Entscheidungen des BGH heißt es dazu wörtlich: „Diese Wertdifferenz stellt einen unmittelbaren Sachschaden dar.“ Für die Erstattung ist es dabei auch unerheblich, ob der Geschädigte das Fahrzeug weiternutzt oder dieses verkaufen möchte. Auch dazu hat sich der BGH klar geäußert: „Denn wenn sich der Geschädigte entschließt, sein Fahrzeug weiter zu gebrauchen, so begnügt er sich mit der Benutzung eines Fahrzeugs, dessen Wert nach der allgemeinen Verkehrsauffassung geringer ist als der eines unfallfrei gefahrenen Fahrzeugs." ## Das Problem bisher Zu Streitigkeiten führte bisher jedoch vor allem die Berechnung der Wertminderung bei vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten. Henning Hamann, Geschäftsführer der Kanzlei Voigt, erklärt dazu: „Die Versicherer, aber auch eine Vielzahl an Gerichten, haben sich in den letzten Jahren auf den Standpunkt gestellt, dass sich beim Vorsteuerabzugsberechtigten, der das verunfallte Fahrzeug verkauft, die Mehrwertsteuer in einer Vermögensbilanz doch bemerkbar macht und daher von vornherein bei der Entschädigung abgezogen werden muss.“ Die Kernfrage – die der BGH zu klären hatte – lautete also: Ist die Wertminderung brutto oder netto zu erstatten? ## Hypothetischer Verkauf dient als Berechnungsgrundlage „Weder noch, sagt der BGH, denn es kommt darauf gar nicht an – und setzt uns allen damit eine ganz neue Brille auf“, so Rechtsanwalt Henning Hamann. Tatsächlich sei es aus Sicht des obersten deutschen Gerichts sogar „zumindest missverständlich, beim merkantilen Minderwert von einem Brutto- oder Nettominderwert zu sprechen." Rechtsexperte Henning Hamann erklärt dazu: „Es kommt nämlich nach der Entscheidung des BGH überhaupt nicht auf die Wertminderung selbst an, sondern vielmehr auf die Berechnungsgrundlage für die Wertminderung. Also ganz konkret: Wurde die
Wertminderung anhand von Netto, oder von Bruttoverkaufspreisen ermittelt? Und das ist der überraschende Teil in dieser Entscheidung.“ Der BGH stellt klar, dass bei der Bemessung der Wertminderung ein hypothetischer Verkauf des Fahrzeugs herangezogen wird. Dies gilt auch, wenn der Geschädigte das Fahrzeug behält. Da bei einem tatsächlichen Verkauf durch einen gewerblichen Verkäufer die Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt werden müsste, erhält der Verkäufer in der Realität nur den Nettobetrag. Würde man dem Geschädigten den Bruttobetrag als Schadensersatz zugestehen, käme es zu einer Überkompensation, was der Grundidee des Schadensersatzes widerspricht: Der Geschädigte soll finanziell so gestellt werden, wie er vor dem Unfall war, aber nicht besser. ### Bedeutung für die Praxis Konkret heißt das: „Wurde die steuerneutrale Wertminderung also anhand eines Netto-Verkaufspreises ermittelt, dann ist die ermittelte Wertminderung vom Versicherer in ungekürzter Höhe zu bezahlen. Wurde die Wertminderung aber fälschlicherweise anhand eines Brutto-Verkaufspreises ermittelt, dann ist sowohl beim Vorsteuerabzugsberechtigten, als auch beim Privaten, von der Wertminderung ein Umsatzsteueranteil in Höhe von 19 Prozent abzuziehen“, erklärt Kanzlei-Geschäftsführer Henning Hamann. Für die tägliche Praxis bedeutet das, dass Sachverständige in ihren Gutachten klarstellen sollten, dass die Wertminderung auf Basis des Netto-Verkaufspreises ermittelt wurde. Dies verhindert Diskussionen mit Versicherern und sorgt für klare Verhältnisse. Die Rechtsexperten der Kanzlei Voigt geben Gutachtern folgende Formulierung mit an die Hand: „Der merkantile Minderwert unterliegt nicht der Umsatzsteuer. Er wurde anhand des Netto-Verkaufspreises ermittelt.“ Rechtsanwalt Henning Hamann bilanziert: „Die BGH-Entscheidungen setzen klare Maßstäbe für die Berechnung der Wertminderung nach einem Unfall. Sofern die Wertminderung künftig nicht nur auf Basis des Netto-Verkaufspreises ermittelt, sondern dieses auch klar im Gutachten vermerkt wird, sollten sich die bisherigen Probleme damit grundlegend erledigt haben.“