2024-02-07T11:17:06+0000

Personalmangel: Sind freie Mitarbeiter die Lösung?

Sie nennen sich Lacksöldner, Miet-Lackierer oder Freelancer – die freien Mitarbeiter in der K&L-Branche. Sie stoßen trotz zahlreicher Nutzen, die mit ihrem Einsatz verbunden sind, bei manchen Betriebsinhabern nach wie vor auf Skepsis. Doch dabei könnten gerade diese flexibel einsetzbaren Arbeitskräfte einen Teil dazu beitragen, in Zeiten von Fachkräftemangel und Mitarbeiterschwund betriebliche Engpässe abzufedern. Denn gegenüber den bisher bekannten Zeitarbeitern besteht oftmals der Vorteil, dass ein Freelancer universeller im Lackierablauf einsetzbar ist und je nach Bedarf, ohne lange Einarbeitungszeit, in den entsprechenden Prozessschritten hin und her wechseln kann. ## Nicht immer erkennen Betriebe die Vorteile Steffen Bolze ist einer dieser freien Lackierer. Der Fahrzeuglackiermeister und ehemalige Lacktechniker aus der Nähe von Berlin hat schon in vielen K&L-Werkstätten gearbeitet und klärt auf: „Betriebsinhaber sollten bei der Buchung eines Freelancers nicht vordergründig nur die eventuell geringere Marge ins Visier nehmen. Vielmehr bietet es Unternehmen auch eine Chance, mit der man sich als Arbeitgeber zugleich attraktiver für die eigenen Mitarbeiter aufstellen kann“. Als Beispiel führt er dabei an, dass auf der einen Seite moderne Arbeitszeitmodelle für Fachkräfte immer interessanter werden, auf der anderen Seite die Arbeit natürlich trotzdem erledigt werden müsse. Hier würde das flexible Konzept eines Miet-Lackierers ansetzen, welches den Reparaturbetrieb gezielt dann unterstützt, wenn die eigenen Mitarbeiter in Elternzeit gehen wollen, einen längeren Urlaub antreten oder vielleicht eine größere Operation an Schultern oder Knien ansteht. Der Endvierziger, der bundesweit mit seiner Firma lacksöldner.com gebucht wird, beschreibt die Praxis so: „Es ist zu beobachten, dass es besonders in den Urlaubsmonaten und Zeiten mit erhöhtem Krankenstand immer wieder zu echten Engpässen komme, in denen ich zu Hilfe gerufen werde“. Doch bei den Verhandlungen zur Entlohnung des Freelancers, stößt Steffen Bolze, nach eigenen Angaben, gelegentlich auf Unverständnis. Anders als in anderen Branchen sei im K&L-Bereich das Mieten eines Lacksöldners noch nicht so verbreitet. Er habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass besonders Partnerbetriebe diesen Service in Anspruch nehmen, um weiterhin einen reibungslosen Reparaturprozess zu gewährleisten. Auf der anderen Seite würden einige Unternehmen die Vorteile für sich nicht erkennen, sondern vergleichen nur den reinen Stundenlohn eines festen Angestellten gegenüber den deutlich höheren Kosten des freien Mitarbeiters. „Wenn man bedenkt, was man für einen Maurer, Elektriker oder Fliesenleger aufwenden muss und sich das jedem erschließt, kann hier nicht mit zweierlei Maß gemessen werden“, so der Lackierermeister. Man müsse sehen, dass er seine Einkünfte auf ein ganzes Jahr verteilt kalkuliert, denn ein Freelancer sei schließlich nie voll ausgebucht. Die Gründe, warum sich der Fahrzeuglackiermeister trotzdem für dieses Arbeitsmodell entschieden hat, beschreibt er so: „Als Techniker konnte ich mir meine Kunden nicht aussuchen. Jetzt habe ich die Freiheit, selbst zu steuern, wann und für wen ich arbeite, unabhängig, loyal, auf Augenhöhe und weiterhin unterwegs, um neue Menschen und Techniken kennen zu lernen“. ## Vielseitigkeit legt Grundstein für Tätigkeit als freier Lackierer Einer, der sich ebenfalls schon viele Jahre als Freelancer im Lackierhandwerk auskennt ist Peter Litger. Der Fahrzeuglackiermeister aus Lohmar ist bereits seit 1980 immer schon selbstständig in seinem Beruf gewesen. Dabei hat der 61-Jährige so ziemlich alles
lackiert, was man sich denken kann. Von Airbrush-Designs auf Trucks, Beschichtung spezieller Militärgüter bis hin zur Restauration hochpreisiger Oldtimer – vieles kam dem Fachmann schon vor die Lackierpistole. Sogar als Schulungsleiter und Anwendungstechniker eines großen Lackierherstellers war Peter Litger tätig. Dabei waren es die letzten 5 Jahre, die den Lackierermeister besonders prägten. Denn kurz vor Corona stand Peter Litger vor der Übernahme eines K&L-Betriebes und plante sogar den Umzug in eine neue Halle. Die Umstände, die dann folgten, nämlich der erste Lockdown und die Ungewissheit in der Branche, machten alles zunichte. Die Übernahme platzte und die geplante Immobilie stand plötzlich nicht mehr zum Verkauf. Also blieb dem Fahrzeuglackiermeister nichts anderes übrig, als sich mit Jobs als Mietlackierer durchzuschlagen. Hier erfuhr er besondere Unterstützung vom Lackhandel und durch Mundpropaganda. „Ich habe gefühlt wirklich überall dort ausgeholfen, wo es eng wurde. Die Erfahrung im Job half mir dabei, mich schnell auf unterschiedliche Situationen, Abläufe und Lacksysteme einstellen zu können“. Allerdings sei dieser Job nicht für jeden etwas. Eine hohe Reisebereitschaft und unternehmerisches Denken sind Voraussetzung für ein Bestehen am Markt, betont Peter Litger. ## Angebot guter Freelancer noch zu klein und nur regional Doch wie stehen diejenigen dazu, die es direkt betrifft – die derzeit nahezu voll ausgelasteten Reparaturbetriebe? Dies herauszufinden, zeigt sich schwieriger als gedacht, denn teilweise wollen Inhaberinnen und Inhaber nach außen gar nicht darüber sprechen, dass sie von Engpässen oder Fachkräftemangel betroffen sind. Dies könnte mitunter große Kunden abschrecken, befürchtet man. In Overath im Rheinisch-Bergischen Kreis sieht man das jedoch anders. Andreas Papandreou vom gleichnamigen Karosserie- und Lackierfachbetrieb spricht offen darüber, dass er schon mehrfach einen Freelancer zur Überbrückung knapper Kapazitäten gebucht hat. „Wir halten das für eine wirklich gute Geschichte“, meint der Unternehmer, ergänzt jedoch: „Man muss schon schauen, wofür man den freien Mitarbeiter einsetzt“. Er zielt dabei auf den Bereich von gesteuerten Schäden, bei denen die Verrechnungssätze nach eigenen Worten mitunter recht knapp kalkuliert seien. Trotzdem sei er froh, einen regionalen Miet-Lackierer zu kennen, der ihm regelmäßig dabei hilft, bestehende Termine einzuhalten oder Ausfallzeiten zu kompensieren. „Leider gibt es viel zu wenige von diesen Freelancern“, betont Andreas Papandreou abschließend. Das nordrhein-westfälische Familienunternehmen bietet seit mittlerweile 22 Jahren die Bereiche Unfallinstandsetzung, Lackierung und Smart-Repair sowie Caravan-Reparatur am Standort an. ## „Wir waren immer froh den Lacksöldner buchen zu können“ Wenn es auftragsmäßig oder zeitlich mal eng wird, greift auch Björn Garschhammer vom Berliner Lackierbetrieb „Die Lack Ambulanz“ gern auf die Manpower und Erfahrung eines freien Mitarbeiters zurück. Der Zwei-Mann-Betrieb hat dabei schon verschiedene Varianten durch: Angefangen bei einer generellen Verstärkung bis hin zur Urlaubs- und Krankheitsvertretung wurde ein Freelancer schon eingesetzt, sowohl in der Werkstatt als auch im Annahmebereich. „Wir waren immer froh den Lacksöldner buchen zu können, egal ob für zwei Tage, wochenweise oder bezogen auf ein bestimmtes Projekt“, erklärt der Inhaber und ergänzt: „Außerdem betreute er uns früher schon als technischer Außendienst unseres Lacklieferanten, daher gab es keine Berührungsängste zu ihm als Lacksöldner – wir kannten uns“. Mittlerweile käme es sogar vor, dass durch ein entstandenes Netzwerk mit anderen Firmen, der Freelancer bei Auftragsspitzen die Arbeit anderer mit in die LackAmbulanz bringe. Diese arbeite man gemeinsam – quasi als Partner – nach vereinbarten Konditionen ab. Umgekehrt funktioniere das genauso, betont Björn Garschhammer. Der 1995 gegründete K&L-Betrieb im Norden Berlins hat sich unabhängig von Versicherungsunternehmen und Schadensteuerern auf die Lackreparatur, Unfallinstandsetzung sowie die komplette Schadenabwicklung spezialisiert.
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