Von
 
2023-11-08T11:10:00+0000

So tickt der Unfallschadenmarkt in Griechenland

Ein ganz normaler Freitagvormittag auf den Straßen Athens. Stockender Verkehr, plötzliche Spurwechsel, Vespas, die die Fahrbahn durchkreuzen, parkende Autos in mindestens zweiter Reihe, ständig hupt jemand. Wir sind auf dem Weg in einen griechischen K&L-Betrieb. Im Rahmen des Acoat Selected Partner Club Treffens in Athen Mitte September hat schaden.news die einmalige Gelegenheit, sich in der Werkstatt mit dem Namen Lamda Star umzusehen. Sie liegt in Kifisia, einem Vorort der griechischen Hauptstadt Athen, normalerweise rund 20 Minuten Fahrzeit vom Zentrum entfernt. Mit Stau sind es mehr als eine Stunde – wo wir schon mitten im Thema sind. Gerade in Athen ist die Fahrzeugdichte recht hoch. Da liegt die Vermutung nahe, dass auch die Blechschädenhäufigkeit hier überdurchschnittlich ist. Doch wie tickt die Unfallreparaturbranche in Griechenland überhaupt? Endlich im Betrieb angekommen, gibt Kostas Hatzimanolis einen Überblick über den Kfz-Unfallschadenmarkt in der hellenischen Republik. Kostas Hatzimanolis ist Digital and Business Services Manager bei AkzoNobel Coatings und hat den Kontakt zu Lamda Star für unseren Besuch an diesem Tag hergestellt und organisiert. ## Hohes Fahrzeugalter, Zurückhaltung bei Elektroautos Und von ihm wird der Zuhörer zunächst eines Besseren belehrt. Gerechnet auf gesamt Griechenland ist der Motorisierungsgrad nämlich gar nicht so hoch, wie es der Straßenverkehr im Ballungsgebiet Athen zunächst vermuten lässt. Auf tausend Einwohner kommen in Griechenland 486 Fahrzeuge. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 659. Bemerkenswert ist allerdings das Fahrzeugalter. Das liegt in Griechenland nämlich im Schnitt bei 16 bis 18 Jahren. „Dadurch haben OEMs hierzulande einen nicht so hohen Einfluss auf den Markt wie in Deutschland“, erklärt Kostas Hatzimanolis. Ihm zufolge kommt aber der Neuwagenverkauf seit einigen Jahren in Schwung. Vor allem die Nachfrage für Benziner und Hybridfahrzeuge steigt. Der Anteil benzinbetriebener Fahrzeuge liegt demnach bei 95 Prozent. Beim Kauf von E-Fahrzeugen sind die Griechen Kostas Hatzimanolis zufolge hingegen noch zurückhaltend. ## Hoher Preisdruck bei der Reparatur Was die Schadenhäufigkeit betrifft, so sei diese 2020 durch die Pandemie – ähnlich wie in Deutschland – eingebrochen und im Jahr darauf um 11,1 Prozent angestiegen. 2021 gab es insgesamt 482.747 Unfälle mit Sachschäden. Aktuellere Zahlen gibt es für den griechischen Markt bis dato noch nicht. Interessant: Die Schadenhöhe für Kfz-Sachschäden liegt zwischen 891 und 935 Euro. „Der Druck der Versicherer auf den Reparaturpreis ist enorm“, schildert der AkzoNobel-Manager die Lage auf dem griechischen Markt. Der Grund dafür liege in den Strukturen bei der Schadenabwicklung: Direkt nach einem Unfall komme ein Mitarbeiter der Versicherung oder ein vom Versicherer entsendeter Sachverständiger zum beschädigten Fahrzeug und nehme den Schaden selbst auf. „Somit haben die Kfz-Versicherer die komplette Kontrolle über den gesamten Schaden und den Preis. Zur Wehr setzt sich aber kaum jemand. Die Werkstätten schließen sich nicht zusammen, organisieren sich nicht und führen keine Diskussion mit ihren Versicherungskollegen über ihre Kosten und die Notwendigkeit einer vernünftigen und gesunden Rentabilität. Jeder kämpft für sich allein“, erklärt Kostas Hatzimanolis. ## 1.300 Euro monatlicher Bruttolohn für Fahrzeuglackierer Diese Preispolitik hat auch Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation in den Betrieben. Der durchschnittliche Reparatur Stundensatz liegt bei 39 Euro. Ein griechischer Fahrzeuglackierer verdient rund 1.300 Euro brutto – das sind 8 Euro pro Stunde. Allerdings ist es an dieser Stelle wichtig zu erwähnen, dass das Lohngefüge in Griechenland generell niedriger ist als in Deutschland. Zum wirtschaftlichen Vergleich mit Deutschland lässt sich an dieser Stelle das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf nennen. Dies lag 2022 in Griechenland bei rund 19.700 Euro. In Deutschland waren es im gleichen Jahr 46.000 Euro. Zurück zum Preisdruck und Mitarbeiterlohn: Beide Komponenten sorgen für eine hohe Fluktuation unter den Mitarbeitern in den griechischen Betrieben, was wiederum zu einer Verschärfung des Fachkräftemangels beiträgt, der auch in Griechenland präsent ist. ## Markenbetrieb im Vorort von Athen Doch wie sieht die Situation beim Betrieb Lamda Star konkret aus? Dieser ist sozusagen ein Vorzeigebetrieb, als Markenwerkstatt angeschlossen an ein gleichnamiges Autohaus. Laut After Sales Director Vakon Vagenas existiert diese Filiale seit mehr als 30 Jahren und ist seit rund zehn Jahren in erster Linie auf den Verkauf und Service an Mercedes Benz-Fahrzeugen ausgerichtet, als eine von vier Standorten innerhalb der Lamda Star Gruppe. Ebenfalls im Service-Portfolio sind aber auch die Marken Smart und Toyota. In der Werkstatt arbeiten elf Mitarbeiter, davon acht produktive. Die Halle ist voll und wirkt im Reparaturprozess dennoch aufgeräumt und sauber. Angesichts der Markenstrategie ist es kaum überraschend, dass es sich dabei in erster Linie um Fahrzeuge mit geringem Alter handelt. Rund 110 Durchläufe schafft der Betrieb laut Betriebsleiter John Gortsas im Monat. Das sind rund fünf Fahrzeuge pro Tag, der Trend geht jedoch nach oben. Zu 95 Prozent werden die Schäden direkt von Versicherern beauftragt und bezahlt, die fünf restlichen gehören zum Leasinggeschäft. Einen Eindruck von der Situation auf den Straßen der griechischen Hauptstadt an einem ganz normalen Freitagvormittag erhalten Sie in unserem Zeitraffervideo oben.
Lesens Wert

Mehr zum Thema