Von
 
2023-05-03T10:07:22+0000

Wie aus Custom-Car-Leidenschaft eine lebenslange Freundschaft wurde

Wenn Michael Scharnberg und Peter Behnke in Erinnerungen schwelgen, dann vergessen sie alles um sich herum. Auch, dass vielleicht noch eine Redakteurin von schaden.news dem Gespräch folgt. Die beiden schaffen es, mitzureißen und andere mit ihrer Begeisterung anzustecken – und mit ihrer Leidenschaft von ihrem Jugendtraum, individuelle Autos zu erschaffen. ## Der Traum: „Ein eigenes Auto, das kein anderer hat“ „Träume nicht von irgendwelchen Autos, die es nicht gibt – bau sie Dir einfach“, lautete das Motto der beiden vor mehr als 30 Jahren. Denn mit damals 18, 19, 20 wollten sie so ziemlich das selbe: „Ein eigenes Auto fahren, das kein anderer hat. Dabei hatten wir damals nie viel Geld auf der Tasche“, erinnert sich Peter Behnke. Kennengelernt haben sie sich über Umwege. Peter, auch Piet genannt, hatte Mitte der 1980er-Jahre einen Ford Capri-Club in der Nähe von Elmshorn. Ebenjenem Fahrzeugmodell war der junge Michael Scharnberg aus Lübeck damals verfallen und hatte in einer Zeitschrift namens Fantastic Cars, die sich umgebauten Fahrzeugen widmete, vom Club erfahren. Er rief den Verlag an, bekam Peters Nummer heraus und die beiden trafen sich und merkten schnell: „Wir waren auf der gleichen Wellenlänge.“ ## Dauergast auf dem Schrottplatz So begannen sie gemeinsam zu schrauben und zu tüfteln, um sogenannte Custom Cars zu kreieren: Autos, die so stark verändert wurden, dass kaum noch der Originalmarke zuzuordnen sind – und dadurch höchst individuell. Die Wochenenden gehörten nicht selten dem gemeinsamen Schrottplatzbesuch. „Dort waren wir schnell Stammkunden“, erinnert sich Peter Behnke. Ein runder Scheinwerfer statt eines eckigen? Oder ein komplett anderes Dach? Auf dem Schrottplatz wurden sie fündig – und flexten das gewünschte Karosserieteil auch gleich mal vor Ort ab. Auch in den Kofferräumen ausrangierter Fahrzeuge oder auf Flohmärkten fanden sie geeignetes Material. So entstanden zahlreiche fahrtüchtige Fahrzeuge, deren Ursprungsmarke kaum noch zu erkennen war. Wie beispielsweise der gelbe Ford Capri Mirage mit den Flügeltüren und gechopptem, also tiefergelegten Dach – „das war und ein echter Hingucker“, erinnert sich Peter Behnke an eines seiner für ihn wertvollsten Schätze, der immernoch in seinem Besitz ist. Oder der Ford Capri Classic Edition von Michael Scharnberg mit individueller Heckklappe, Soundsystem und brasilianischem Holz mit 118 PS. 5.000 Arbeitsstunden hat der damals 20-Jährige in den Wagen gesteckt: „Die Ästhetik und die Liebe zum Detail waren mir auch damals schon sehr wichtig“, führt er aus. ## Zahlreiche Pokale auf Custom Car-Treffen Geschraubt wurde hauptsächlich im Winter. Während der warmen Sommermonate waren die beiden in ganz Deutschland sowie den BeNeLux-Staaten unterwegs, um sich mit ihren individuellen Ford Capris zu zeigen. Denn fahrtüchtig und vom TÜV
zugelassen mussten die Fahrzeuge in jedem Fall sein. So kamen schnell mehrere 100.000 gefahrene Kilometer und zahlreiche Pokale zusammen. Michael Scharnberg stellt klar: „Rumheizen war gar nicht unser Ziel. Sondern vielmehr das Sehen und Gesehen werden.“ Um bei den Treffen auch günstig übernachten zu können, bauten sie sich auch Schlafgelegenheiten. Michael restaurierte und baute einen alten aus den 1960er-Jahren stammenden Eriba Puck um, der u.a verbreitert wurde und die gleichen Felgen wie das Zugfahrzeug bekam. „Innen wurde alles lackiert und mit Farbe ein Wurzelholz imitiert“, erinnert er sich. Peter Behnke baute sich einen Trailer, den er „The Ghost Train“ nannte, selbst, den er dann auf einem Ford Capri-Pick up-Sattelschlepper – dem kleinsten Sattelschlepper Deutschlands – hinter sich herzog. Später baute Michael Scharnberg auch einen alten US-amerikanischen Schulbus zum Foodtruck um. Damit ging es mit Cubanos und Burgern zu den einschlägigen Foodtruck-Festivals. ## Kein Plan und viel „trial and error“ Einer der beiden Freunde hat seine Leidenschaft von damals später zum Beruf gemacht: Michael Scharnberg ist Inhaber des K&L-Betriebs Jürs in Lübeck. Für Peter Behnke war das Schrauben, Schweißen und Tüfteln an Custom Cars hingegen immer nur ein Hobby, von Beruf war er Klepmner. „Vom Handwerk her waren wir zwei grundverschiedene Typen. Der eine ging eher bei der Karosseriearbeit auf, der andere in der Lackierung und im Airbrush“, erinnern sich die beiden. Die Freundschaft zwischen dem heute 56-jährigen Michael Scharnberg und dem 62-jährigen Peter Behnke war nach eigenen Aussagen geprägt vom Austausch und Teamgeist: „Was der eine nicht konnte, das hat der andere erledigt“, erinnert sich Peter Behnke im schaden.news-Gespräch. Und man stand zu seinem Wort, egal, wie lange die Bastelei am Auto dann tatsächlich dauerte. „Denn es gab keinen Plan. Nur sehr viel Trial and Error, also Versuch mach klug“, führt er aus. ## „Ein Auto macht er noch, der Piet“ Das Capri-Fieber war für Michael Scharnberg irgendwann vorbei. Doch auch heute noch ist er in der Custom Car-Szene aktiv. „Diese Leidenschaft lässt mich einfach nicht los“, betont er. Statt Ford Capri mit V6- oder V8-Motoren modifiziert er aber heute vorrangig Elektrofahrzeuge der Marke Tesla – sowohl im Auftrag von Kunden als auch für das eigene Sammlerherz. Und auch sein Sohn durfte davon profitieren: „Aus einem total verunfallten Tesla Model S habe ich ihm sein erstes, nicht auf den ersten Blick als Tesla zu erkennendes Auto gebaut“, erklärt Michael Scharnberg. Peter Behnke hingegegen hat sich inzwischen zur Ruhe gesetzt – sowohl, was seinen Beruf angeht, als auch, was sein Hobby betrifft. Kontakt hatten sie in den vergangenen 20 Jahren nicht. Doch kürzlich haben sie sich dann doch wieder zu einem Werkstattplausch getroffen „und es war so, als wären seit unserem letzten Treffen nicht 20 Jahre, sondern lediglich 20 Tage vergangen“, erzählt Michael Scharnberg. Der Betriebsinhaber ist sich zu 100 Prozent sicher: „Ein Auto macht er noch, der Piet“
Lesens Wert

Mehr zum Thema