2023-02-01T11:37:41+0000

130-Prozent-Regelung bleibt bestehen, Fahrzeugdaten für alle gefordert

Von Mittwoch bis Freitag (25.-27.01.) letzte Woche fand der 61. Verkehrsgerichtstag in Goslar statt. Er zählt zu den wichtigsten Treffen von Verkehrsrechtlern und -sicherheitsexperten in Deutschland. Die traditionell zum Abschluss gegebenen Empfehlungen der insgesamt acht Arbeitskreise gelten als maßgeblich für die Gesetzgebung – sowohl in Deutschland als auch teilweise für die Europäische Union. Bei der 61. Auflage standen dieses Mal zwei für die K&L-Branche relevante Themen auf der Agenda: die 130-Prozent-Regelung im Totalschadenfall sowie die Frage, wer Zugriff auf die von Fahrzeugen erzeugten Daten haben sollte. ## Versicherer fordern Abschaffung der „überholten“ Regelung Vor allem die Reparaturklausel im Totalschadenfall rief ein erhöhtes Interesse hervor und bildete mit rund 500 Teilnehmern den größten Arbeitskreis. Die Versicherungswirtschaft, sprach sich im Vorfeld des Verkehrsgerichtstages für ein Ende der 130-Prozent-Regelung aus. Laut einem vom Gesamtverband der Versicherer (GDV) veröffentlichten Positionspapier sei die Regelung, die wirtschaftlich unvernünftig und ökologisch keine Vorteile habe, „aus der Zeit gefallen“ und „überholt“. Aus Sicht der Versicherer hätte die Abschaffung der Regel folgende Vorteile zur Folge: „Aus dem beschädigten Auto können diverse Teile für andere Reparaturen wiederverwendet werden, zudem wird der Eigentümer des beschädigten Autos in aller Regel als Ersatz ein moderneres Auto mit geringeren Emissionen anschaffen.“ Rechtsanwalt Henning Hamann, Geschäftsführer der Kanzlei Voigt, betont in diesem Zusammenhang: „Aus Sicht der Versicherer ist das durchaus verständlich, denn die 130-Prozent-Rechtsprechung ist der mit Abstand kostspieligste Weg der Schadenbeseitigung. Im Übrigen wird damit auch der schadenrechtliche Grundsatz gebrochen, nach welchem der Geschädigte nach dem Schadeneintritt nicht schlechter, aber eben auch nicht besser stehen soll als zuvor.“ ## Arbeitskreis hält an 130-Prozent-Regelung fest Doch gerade die Anschaffung eines neuen Fahrzeugs stellt Geschädigte aufgrund der angespannten Neu- und Gebrauchtwagensituation im Moment vor extreme Herausforderungen, [wie auch bei der Präsentation des DAT-Reports im Januar in Berlin verdeutlicht wurde.](https://schaden.news/de/article/link/43271/ergebnisse-dat-report-2023) Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass der Arbeitskreis die Regelung, dass Unfallgeschädigte ihr Fahrzeug auch dann reparieren lassen dürfen, wenn die Kosten den Wiederbeschaffungswert um 30 Prozent übersteigen, für sachgerecht halten. „Insbesondere wird vermieden, dass der Geschädigte mit Schwierigkeiten und Risiken konfrontiert ist, die mit der Ersatzbeschaffung verbunden sind“, verdeutlicht der Arbeitskreis seine Entscheidung in dem abschließenden Empfehlungsschreiben. „Insgesamt ist diese Empfehlung ein für die Geschädigten, aber auch für die Werkstätten, sehr erfreuliches Signal. Es sichert weiterhin die Möglichkeit, Fahrzeuge auch dann auf Kosten des Schädigers zu reparieren, wenn eigentlich eine Ersatzbeschaffung preiswerter
wäre“, resümiert Rechtsexperte Henning Hamann gegenüber schaden.news. Um einem Betrug im Einzelfall vorzubeugen, sei die 130-Prozent-Regelung zudem an hohe Hürden gebunden. ## „Im Fahrzeug generierte Daten gehören nicht dem OEM alleine“ Nicht weniger umstritten wird seit einigen Jahren die Frage diskutiert, wer Zugriff auf die von modernen Fahrzeugen erzeugten Daten haben sollte. Aktuell liegt die Datenhoheit bei den Fahrzeugherstellern. Versicherer, Werkstätten, Automobilclubs und andere Mobilitätsdienstleister fordern seit Jahren ein Ende dieses Datenmonopols. Dem schließt sich auch der Arbeitskreis in Goslar an und fordert, „den exklusiven technischen Zugriff der Hersteller auf die Fahrzeugdaten in ein anderes Modell zu überführen, bei dem der Hersteller gleichberechtigt wie andere Dritte behandelt wird.“ Begrüßt wird diese Forderung auch von Peter Börner, Präsident des Zentralverbands für Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF): „Sehr gutes Ergebnis für den freien Markt und eine ganz wichtige Botschaft zu den im Fahrzeug generierten Daten: Die gehören eben nicht dem OEM alleine!“ ## Verzögert die EU-Kommission das Gesetzgebungsverfahren? Tatsächlich sollte auf europäischer Ebene 2023 eine sektorspezifische Regelung – die im Übrigen auch in Goslar erneut gefordert wurde – auf den Weg gebracht werden. Diese sollte den Zugang zu Daten, Ressourcen und Funktionen von vernetzten Fahrzeugen regeln, um einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen. Wie der GDV am Montag dieser Woche (30.01.) mitteilte, geriet das Gesetzgebungsverfahren nun ins Stocken. „Der zuständige EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, Thierry Breton, führt das Gesetzgebungsverfahren offenbar nicht fort – mit der Gefahr, dass das Datenmonopol der Autohersteller auch in dieser EU-Legislaturperiode nicht beendet werden kann“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Eine Verbändeallianz, bestehend aus ADAC, ASA, BRV, GDV, GVA, VIA, wdk, ZDK und ZKF, hat sich daher per Brief an die Bundesminister Dr. Volker Wissing und Dr. Robert Habeck gewandt und um Unterstützung der Bundesregierung für den Fortgang des legislativen Verfahrens gebeten.
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