Von
 
2022-09-21T10:49:07+0000

„Wir rechnen mit einer enormen Insolvenzwelle“

Nach dem Schadentalk fassten die Vertreter der führenden Verbände, Peter Börner (ZKF), Paul Kehle (BFL) und Peter Vogel (BVdP) ihre Standpunkte aus dem Talk noch einmal zusammen. Zudem gaben Jochen Gaukel, Bereichsleiter Automotive beim Klebespezialisten Sika und Erik Jahn, Mitglied der Geschäftsleitung bei Audatex AUTOonline, vor der Kamera eine kurze Markteinschätzung. ## „Die Situation ist dramatisch“ Dramatisch – so bezeichnete ZKF-Präsident Peter Börner im Schadentalk die aktuelle Situation für K&L-Betriebe in Hinblick auf die Energiepreisexplosionen. Durch den hohen Anteil an energieintensiven Arbeiten stünden viele Betriebe nun vor einem unlösbaren Problem, es drohe vielerorts die Insolvenz. Dabei sei es unerheblich, ob es sich um große oder kleine Werkstätten handele: „Wer beim regionalen Gasversorger mehrjährige Verträge hat, der wird weniger zu kämpfen haben als der Betrieb, der durch Kündigung der Gasversorger, beispielsweise E-Optimum, nun in die teurere Grundversorgung rutscht.“ Die Lösung nach Ansicht des ZKF-Präsidenten: „Rechnen, rechnen, rechnen: Jeden Tag auf seine Zahlen schauen und hinterfragen, welches Geschäftsfeld rentabel ist.“ Peter Börner ist zudem überzeugt, dass sich Lösungen für Wege aus dieser Krise nur im engen Dialog aller Branchenbeteiligten finden lassen. Beispielsweise in der Beziehung zwischen Versicherern und Betrieben: Hier ist es nach Einschätzung des ZKF-Präsidenten nicht zielführend, die Preissteigerungen für Energie auf den Stundensatz draufzuschlagen. Stattdessen schlägt Peter Börner vor, hier mit einem Index zu arbeiten. Unterstützung sichert der ZKF seinen Mitgliedern zu, wie beispielsweise jüngst durch eine Kooperation mit einem Flüssiggasanbieter. Deshalb sei auch zukünftig seitens der Betriebe neben der Kommunikationsbereitschaft mit den Marktbeteiligten auch die Offenheit gegenüber dem Markt und seinen Veränderungen unerlässlich. ## „Nur wer investieren kann, kann auch sparen“ Nach Einschätzung von Paul Kehle, Präsident der Bundesfachgruppe Fahrzeugackierer (BFL) , ist die Stimmung und Lage der Betriebe je nach Region sehr unterschiedlich. Neben den Energiepreisen sind auch die Ersatzteilsituation und die damit verbundenen langen Standzeiten ausschlaggebend für die momentane Situation, in der sich die Werkstätten derzeit befinden. Dabei müsse bei den auftraggebenden Versicherern das Verständnis für die gestiegenen Herausforderungen der Werkstätten geweckt werden, damit diese auch die Kosten mittragen. Hierzu sei es wichtig, als Betrieb mit den Versicherern Kontakte knüpfen, offene Gespräche zu führen und stets die eigenen Zahlen als Argumentationsgrundlage im Blick zu behalten. Laut Paul Kehle befinden sich zahlreiche Werkstätten bereits seit Jahren im Sparmodus. Um aber beispielsweise Energie in der Lackierkabine einzusparen, müssten die Voraussetzungen hinsichtlich der Ausrüstung stimmen. Sprich: Die Betriebe müssen investiert haben, um nun überhaupt an den richtigen Stellen sparen zu können. Neben dem Sparen sei für Betriebe eine breitere Aufstellung eine Maßnahme, um die steigenden Kosten zu kompensieren: „Wir Fahrzeuglackierer haben einen Beruf, der vielfältig ist. Dies gilt es zu nutzen: Wir müssen schauen, welche Aufträge sich links und rechts der K&L-Instandsetzung noch generieren lassen.“ Zudem sei es heute mehr denn je wichtig, neben dem handwerklichen Know-how auch kaufmännisches Wissen in seinen Betrieb einfließen zu lassen. Daher sei der BFL bestrebt, das Berufsbild so weiter zu vertiefen, diese
kaufmännische Seite bereits während der Ausbildung stärker mit einzubeziehen. ## „Es darf keine Gewinner und keine Verlierer geben“ BVdP-Vorstandsmitglied Peter Vogel traf während des Talks den Nagel auf den Kopf: Die Krise kann gemeinsam bewältigt werden, denn alle Branchenbeteiligten sitzen in einem Boot. „Ich hoffe, dass weder einer gewinnt noch einer verliert, sondern, dass beide nachhaltig als Gewinner aus dieser schwierigen Zeit hervorgehen“, betonte Peter Vogel im schaden.news-Kurzinterview. Denn nur, wenn die Schadensteuerung erfolg habe, werden die einzelnen Parteien als Gewinner herausgehen. Dabei sei es notwendig, altbewährte Wege und Strategien zu verlassen. Unter anderem bezeichnete der BVdP-Vorstand das Lackmaterial inklusive als nicht mehr zeitgemäß. Der BVdP sei diesbezüglich in Gesprächen mit den Versicherern. Der Unternehmer wies jedoch darauf hin, dass sich K&L-Betriebe von der derzeitigen Krise nicht in ihren Plänen und Investitionen bremsen lassen dürfen: „Wir müssen investieren, um mit der Zeit und der Technologie Schritt zu halten. E-Mobilität & Co. sind Dinge, die morgen den Markt bewegen werden.“ Seiner Einschätzung nach sind die Betriebe zwar gut ausgelastet, was fehlt, sind die Erträge. Gerade deshalb sei die Investitionsbereitschaft gerade jetzt so wichtig. Peter Vogel ist sich sicher: Die Betriebe, die in den vergangenen Jahren ihre Hausaufgaben gemacht haben und bereit sind, die Zukunft zu meistern und strategisch zu entscheiden, werden gestärkt aus der Krise gehen. ## „Der Jahresrhythmus hat ausgedient“ Für Jochen Gaukel, Bereichsleiter Automotive bei Sika, steht fest: Die K&L-Betriebe müssen fortan noch genauer auf ihre eigenen Zahlen schauen: „Sowohl die Kosten pro Auftrag, aber auch die fortlaufenden Kosten müssen Unternehmer im Blick behalten und monatlich rechnen, welche Mehrkosten auf einen zukommen.“ Der Jahresrhythmus habe hierbei ausgedient, betont Jochen Gaukel. Vielmehr sei es erforderlich, die eigenen Kennzahlen engmaschiger, beispielsweise monatlich zu analysieren. ## Digitale Tools sollen fehlende Fachkräfte kompensieren „Es ist wichtig, dass die Betriebe wissen, wo sie stehen und mit welchen Aufträgen sie ihr Geld verdienen“, betont auch Erik Jahn, Mitglied der Geschäftsleitung Audatex AUTOonline. Hierbei sei es unerlässlich, digitale Tools zu nutzen, um Transparenz über seine Aufträge, aber auch pber die eigene betriebswirtschaftliche Situation zu erhalten. Zudem müsse sich die Branche gesamt mit dem Fachkräftermangel auseinandersetzen. Auch hierfür sei es sinnvoll, durch IT-Lösungen fehlende Mitarbeiter zu kompensieren. Vorhandenen Fachkräften sollten K&L-Betriebe aber andererseits auch die Zeit und Möglichkeit geben, sich einzuarbeiten und auf die neuen digitalen Tools zu schulen – um letztendlich auch zukünftig handlungsfähig zu bleiben.
Lesens Wert

Mehr zum Thema