2022-08-24T11:54:12+0000

Tankrabatt und 9-Euro-Ticket: Wohin geht die Reise?

Volle Züge – leere Straßen. Das ist zumindest der Eindruck, den die Nachrichten rund um die rekordverdächtigen Kraftstoffpreise und die große Akzeptanz des 9-Euro-Tickets derzeit erzeugen. Doch wie stark beeinflussen diese Faktoren das Mobilitätsverhalten der deutschen Autofahrer und das Verkehrsaufkommen auf den Straßen tatsächlich? ## Weniger Kraftstoff-Nachfrage durch hohe Spritpreise Bedingt durch den Ukraine-Krieg hatten die Preise für Benzin und Diesel bislang ungekannte Spitzenwerte erreicht. Als Folge davon ging die Nachfrage an den Zapfsäulen deutlich zurück und lag laut Auswertungen des Statistischen Bundesamtes in den Monaten März, April und Mai sogar unter dem Vor-Corona-Niveau. Gegenüber den Jahren 2018 und 2019 wurde hier bei Benzin und Diesel ein Rückgang um 10 Prozent registriert, obwohl bereits die Pandemie zu geringeren Verbräuchen geführt hatte. Seit dem Inkrafttreten der Senkung der Mineralölsteuer (Tankrabatt) im Juni 2022 hat sich zumindest der Preisauftrieb für Kraftstoffe abgeschwächt. ## Droht ein weiterer Preisschock an den Zapfsäulen? Gerade in den ersten Wochen nach Inkrafttreten der Maßnahme belegen die erneuten Anstiege bei Diesel und Benzin allerdings, dass in erster Linie die Mineralölkonzerne von der Steuersenkung profitiert haben dürften und Gewinnmitnahmen erfolgten. In den Folgemonaten verblieb insbesondere der Dieselkraftstoff auf einem hohen Preisniveau, was vor allem Transportunternehmen, aber auch Verkehrsverbünde belastet. Preiserhöhungen bei Bussen und Bahnen nach Ende der Sommerpause durch Tankrabatt und 9-Euro-Ticket gelten daher bereits als sicher. Gemessen an den Spitzenwerten zum 31. Mai 2022, wo der Liter Diesel 2,044 Euro (Quelle: ADAC e. V.) kostete, wurde das von der Bundesregierung anvisierte Senkungsziel um 14,04 Cent verfehlt. Deutlich gesunken sind in den letzten Monaten die Benzinpreise. Kostete der Liter Super E10 unmittelbar vor Einführung des Tankrabatts 2,15 Euro, so zahlt man gegenwärtig (Stand: 23.08.2022) um die 1,70 Euro. Die intendierte Senkung um 29,55 Cent pro Liter wurde hier also klar erreicht bzw. sogar übertroffen. Fragt sich, wie es am 1. September weitergeht, wenn die Sonderregelung ausläuft. Zumindest ein erneutes Hochschnellen auf die Rekordniveaus Ende Mai erscheint unwahrscheinlich, da der Rohölpreis im August wieder unter die Marke von 100 Dollar pro Barrel gesunken ist. ## Bei Pendler-Distanzen kaum Veränderungen im Straßenverkehr Während der Pandemie war die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel stark zurückgegangen. 2021 erreichte laut Destatis die Fahrgastzahl im Linienverkehr mit Bussen und Bahnen sogar einen neuen Tiefststand. Mit der Einführung des auf drei Monate beschränkten verbilligten Neun-Euro-Tickets stieg das Fahrgastaufkommen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im zweiten Quartal jedoch sprunghaft an und lag sogar deutlich über dem Vorkrisenniveau. So wurden im Juni und Juli 2022 im Schnitt 42 Prozent mehr Eisenbahnfahrten unternommen als in den jeweiligen Vergleichsmonaten des Jahres 2019. Eine regionale Verschiebung vom Straßen- zum Schienenverkehr lässt sich aus den derzeitigen Ergebnissen allerdings nicht ableiten und der Straßenverkehr macht nach wie vor den größten Anteil an der Personenbeförderung
aus. So lag die Zahl der Reisen zwischen 30 und 100 Kilometern auf der Straße im Juni und Juli durchschnittlich auf Vorkrisenniveau oder etwas darüber. ## Weniger Auto-Reisen ab 300 Kilometern Ein anderes Bild zeigt sich allerdings bei Distanzen zwischen 100 und 300 Kilometern. Zumindest in stark durch Tourismus geprägten Reisegebieten wurden in ländlichen Regionen durchschnittlich -13 Prozent weniger Bewegungen als im Referenzzeitraum 2019 registriert. Im städtischen Umfeld gingen diese um -9 Prozent zurück. In Gebieten mit niedrigem bis mittlerem Tourismusaufkommen waren es in ländlichen Gebieten immer noch -7 Prozent weniger, während die Bewegungen im Straßenverkehr in städtischen Gebieten ungefähr auf dem Vorkrisenniveau verharrten. Am deutlichsten lassen sich die Rückgänge im Straßenverkehr bei 300 und mehr zurückgelegten Kilometern belegen. Unabhängig von der Tourismus-Kategorisierung gingen diese in allen ländlichen Gebieten gegenüber 2019 um -18 Prozent zurück. In Städten mit hohem Tourismusaufkommen wurden -12 Prozent weniger Bewegungen im Straßenverkehr verzeichnet, in weniger touristisch geprägten Städten sanken diese um -10 Prozent. ## 9-Euro-Ticket bewirkte Zunahme der gesamten Mobilität Auch wenn das 9-Euro-Ticket noch bis Ende August gültig ist, zeichnet sich bereits ab, dass die Deutschen – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – das Auto trotzdem nicht stehen lassen. Ein Verzicht findet allenfalls bei größeren Reisedistanzen statt. Einer aktuellen Studie des Thinktanks Agora Verkehrswende zufolge werde das verbilligte Monatsticket vielmehr für zusätzliche Fahrten im Freizeitbereich genutzt, etwa an den Wochenenden in Regionalzügen Richtung Nord- oder Ostsee. Größere Verlagerungen vom privaten Pkw auf Bus oder Bahn seien schon deswegen nicht zu erwarten gewesen, weil die Versorgung mit der entsprechenden Infrastruktur gerade im ländlichen Raum noch viel zu gering sei, um eine echte Alternative zu bieten.
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