2021-12-15T14:02:44+0000

Was läuft schief bei Innovation Group?

Bei vielen Kooperationsbetrieben in der Republik ist man auf den Schadenlenker Innovation Group derzeit schlecht zu sprechen. In den vergangenen Monaten häufte sich massive Kritik aus Reihen der Partnerwerkstätten über Probleme bei Schadenregulierung und Reparaturvermittlung. schaden.news hat seit Juli mit mehr als einem Dutzend Betriebsinhabern aus verschiedenen Regionen gesprochen, die einen Agenturvertrag mit den Stuttgartern unterschrieben haben. Immer wieder ging es um gravierende Fehler und andauernde Pannen in der Steuerung und der Kommunikation. Die Gesprächspartner der Redaktion wollen ungenannt bleiben, da die Betriebe Konsequenzen fürchten. Mit den Recherchen hat schaden.news den Vorstandsvorsitzenden von Innovation Group, Matthew Whittall, konfrontiert, der zu den Vorgängen im Redaktionsgespräch Stellung bezog. ## Mangelhafte Datenlage bei Gateway führt zu erheblichem Mehraufwand Anfang des Jahres versprach der Schadensteuerer bei der Einführung seiner neuen webbasierten Plattform Gateway wesentliche Erleichterungen in der Reparaturvermittlung. Seitdem hagelt es Kritik, denn die Realität in den Kooperationsbetrieben sieht nach Angaben aus Partnerwerkstätten oft ganz anders aus: Schlechte Datenverfügbarkeit, komplizierte Handhabung und immer wieder viel Kommunikation mit der Zentrale in Stuttgart, die oft ergebnislos angesichts der Vielzahl von Problemen gewesen sei. Den Hinweisen ging die Redaktion nach und schaute einem Kooperationsbetrieb bei der Bearbeitung von Schadenfällen im Auftragsportal Gateway selbst über die Schulter. Die Eindrücke: Tatsächlich fehlten immer wieder hinterlegte Angaben von Versicherungsnehmern. „Wir sollen den Kunden innerhalb von 24 Stunden erreichen“, erklärt die Sachbearbeitung bei dem Betriebsbesuch der Redaktion und fragt: „Doch wie soll das gehen, wenn keine Telefonnummern oder E-Mail-Kontaktdaten hinterlegt sind?“ Beim Anruf durch die Werkstatt in der Stuttgarter Zentrale verweist man auf den Kfz-Versicherer, der für die Datenpflege verantwortlich sei. Bei einem anderen gesteuerten Schadenfall fehlen Angaben zur Vorsteuerabzugsberechtigung. Auch hier bringt der Anruf in der Zentrale keine Klarheit. Zudem erklärt der Werkstattleiter gegenüber schaden.news, würden viele Kunden den Reparaturauftrag und die Abtretungserklärung gerne in Papierform unterschreiben und nicht digital. Doch der vereinbarte Selbstbehalt lasse sich aus dem System einfach nicht auf das PDF-Dokument übertragen, fehle auf dem Ausdruck und müsse schließlich handschriftlich nachgetragen werden. Viele Betriebsinhaber sind von Gateway wegen dieser und anderer Prozessstörungen mittlerweile genervt, weil die webbasierte Plattform für sie kleinteiligen Mehraufwand bedeutet. Der Frust ist groß, auch weil für diese „schlechte Leistung auch noch Provisionen gezahlt werden müssen.“ ## „Wir haben das System in den letzten Wochen verbessert“ Im Gespräch mit schaden.news räumt Innovation Group-Chef Matthew Whittall ein, dass es in den vergangenen Monaten bei Gateway immer wieder zu Problemen kam. Daher habe man jetzt die Kommunikation im System verbessert und einen sogenannten „Roten Knopf“ eingeführt. „Nun kann jeder Kooperationsbetrieb aus dem jeweiligen Schadenfall heraus direkt die Probleme melden“, erklärt Matthew Whittall gegenüber der Redaktion. „In der Zentrale kommt die Meldung direkt im System an und muss zeitnah bearbeitet
werden.“ Schon beim früheren System „Soom“ hatte es diese Lösung gegeben. Stellt sich die Frage, warum man Gateway einführt, ohne dass das System fehlerfrei läuft? „Gateway ist ein komplett anderes System, die Implementierung deutlich schwieriger“, lautet die Antwort. Auch andere technische Verbesserungen soll es jetzt geben, zum Beispiel zum automatischen Einpflegen des Selbstbehaltes. „Die Probleme sind nun größtenteils behoben. Wir haben das System in den letzten Wochen deutlich verbessert.“ Zudem sei nun ein neues Dashboard für Werkstätten installiert, dass das Handling deutlich erleichtern würde. Auch die Schnittstellen der Schadenkalkulation zu Audatex und DAT würden nun stabiler laufen. Ob die Änderungen wirklich mehr Stabilität bringen und den administrativen Aufwand in den Kooperationsbetrieben wieder reduzieren? ## Schlechte Noten für das Web-Portal Pro Tag laufen bei Innovation Group in Stuttgart immer noch 30 bis 40 Anfragen über den neuen Störungsmelder auf, erklärt Matthew Whittall offen. Der Vorstandsvorsitzende meint: „Gateway ist eine absolut transparente Plattform. Werkstätten, Kfz-Versicherer und wir lernen jeden Tag dazu. Das ist die Entwicklung der Digitalisierung mit dem Ziel der Kfz-Versicherer die Schadenfälle künftig dunkel zu verarbeiten.“ So werden die Kooperationsbetriebe zur „verlängerten Werkbank der Versicherer“, heißt es dazu aus Werkstattkreisen. Das Prinzip „Try and Error“ hat für Gateway schon jetzt negative Folgen. Denn das Image des Auftragsportals hat in den letzten Monaten kräftig gelitten. Das zeigt ein Ergebnis aus der aktuellen Konjunkturumfrage von schaden.news, an der mehrere hundert Partnerwerkstätten teilgenommen haben und die im Zeitraum 6. bis 10. Dezember durchgeführt wurde. Auf die Frage, wie die Plattform in Schulnoten beurteilt werde, gab die Hälfte der befragten Teilnehmer eine Bewertung von „mangelhaft“ oder „ungenügend“ ab. Die Durchschnittsnote liegt bei 4,8. ## Ungesteuerter Haftpflichtschaden: Innovation Group treibt Zahlungsforderung der Versicherer ein Auch Regressforderungen belasten das Verhältnis zwischen Innovation Group und seinen Kooperationsbetrieben. So berichteten mehrere Betriebsinhaber unabhängig voneinander, dass die Stuttgarter bei ungesteuerten Haftpflichtschäden eine Rückzahlung von Teilbeiträgen fordern. Hintergrund ist der sogenannte „Reparaturservice direkt“, der in den betroffenen Betrieben im Agenturvertrag vereinbart wurde. Hier wurde vertraglich festgehalten, dass Partnerwerkstätten auch bei „Unfallschäden für Versicherungsnehmer und Anspruchsteller, die ohne Vermittlung von Innovation Group bei einem Kooperationsbetrieb reparieren lassen“ zu reduzierten Stundensätzen und vereinbarten Konditionen abrechnen, die eigentlich nur für gesteuerte Reparaturaufträge gelten. Das kann für die Kooperationsbetriebe jetzt teuer werden, wie ein konkreter Vorgang zeigt, der schaden.news vorliegt. Folgender Schadenfall: Ein Privatkunde meldet seinen Kfz-Haftpflichtschaden direkt in der Werkstatt, die Kooperationsbetrieb von Innovation Group ist. Der Anwalt des Versicherungsnehmers beauftragt ein Gutachten, nach dem die Werkstatt repariert und dann den üblichen ausgehängten Stundensatz berechnet. Die Axa Versicherung zahlt „mit den üblichen Rechnungskürzungen“. Sechs Monate später fordert Innovation Group nun von dem Kooperationsbetrieb die Rückerstattung der Differenz zwischen ausgehängtem und vereinbarten reduzierten Stundensatz (Reparaturservice direkt-Vereinbarung) sowie die Abschleppkosten und einen Teil der Mietwagenkosten. Nach
Angaben des Betriebes sollten auch Provisionszahlungen auf Lohn und Teile nachberechnet werden. „Insgesamt standen deutlich mehr als 2.000 Euro Rückforderung im Raum“, erklärt der Betriebsinhaber im Gespräch mit schaden.news. „Innovation Group hat deutlich gemacht, dass die Axa Versicherung die Rückzahlung veranlasst habe und Druck ausübe. Wir haben gedroht den Vorgang an unseren Anwalt zu übergeben und konnten die Rückzahlung vorerst abwenden.“ Nicht alle Kooperationsbetriebe gehen so mit Regressforderungen um. Der Redaktion sind Fälle bekannt, in denen Rückzahlungen geleistet wurden. ## Innovation Group sieht in Rückforderungen kein Problem Die Redaktion hat Innovation Group auf das Vorgehen und den konkreten Fall angesprochen. Matthew Whittall sieht in der Nachforderung kein Problem. „Es handelt sich hier um die Einhaltung von vertraglichen Regelungen.“ Den Zeitraum von sechs Monaten zwischen Rechnungstellung und Regressforderung hielt der Vorstandsvorsitzende im konkreten Fall allerdings für „deutlich zu lang“. In der Regel müssten die Abstände kürzer sein. Ob Innovation Group die Einhaltung des „Reparaturservice direkt“ derzeit oder künftig schärfer kontrolliert oder kontrollieren will blieb im Gespräch mit schaden.news offen. ## Deckelung der Kleinteilepauschale, Rechnungskürzung nach Reparaturfreigabe und Probleme im Zahlungsverkehr Für viel Unmut unter Kooperationsbetrieben sorgen seit Monaten auch wieder pauschale Rechnungskürzungen bei gesteuerten Schadenfällen. Bereits seit Mai dieses Jahres wird bei Reparaturaufträgen die Kleinteilepauschale von zwei Prozent immer wieder auf 30 Euro gedeckelt – vor allem bei Aufträgen der Axa Versicherung. Obwohl die Einkaufspreise für Befestigungssätze, Clipse oder Schrauben gerade in diesem Jahr kräftig gestiegen sind. Zudem werden Rechnungspositionen immer häufiger auch nach technischen Freigaben vom Kfz-Versicherer im Nachhinein gekürzt. Matthew Whittall betonte im Gespräch mit schaden.news, dass dieses Vorgehen für Innovation Group ein „No Go“ sei und man die Fälle direkt geklärt hätte. Die Kleinteilepauschale würde bei einem Betrag von über 30 Euro im Einzelfall geprüft. Hier kündigte der Vorstandsvorsitzende aber eine Änderung an: „Mit über 40 Versicherern als Kunden ist es nicht immer möglich, einen Standardprozess zu definieren, aber wir arbeiten daran. Daher werden wir ab dem 01. Januar 2022 für alle Versicherer die 2% Kleinersatzteilpauschale einführen. Ausnahmefälle wird es immer geben, diese werden wir individuell und partnerschaftlich besprechen.“ Doch auch wenn die Zahlung der Werkstattrechnung von Innovation Group erfolgt, bedeutet das noch nicht, dass der Reparaturvorgang für den Kooperationsbetrieb dann erledigt ist, wie verschiedene Werkstätten übereinstimmend berichten: „Wir können die Zahlungseingänge oft nicht zuordnen, weil die Zahlungs-Avis, die Überweisungsbeträge mit den Rechnungssummen nicht eindeutig erkennbar sind, Provisionsabrechnungen von verschiedenen Aufträgen abgezogen werden oder gar keine Rechnungsnummern angegeben wurden.“ ## „Wir arbeiten mit Hochdruck an weiteren Verbesserungen“ Seit Monaten wurde offenbar schon hinter den Kulissen in Krisengesprächen über die Pannen und Fehlentwicklungen in der Schadensteuerung bei Innovation Group gesprochen. Anfang November informierte der Bundesverband der Partnerwerkstätten (BVdP) seine Mitgliedsbetriebe. In der Mail, die der Redaktion vorliegt, heißt es zum Problemfall Gateway auch: „Alle Aufträge, die Sie in 2021 mit der Innovation Group über Gateway abgewickelt haben, fließen nicht in die Bewertung (Rating) Ihres Betriebes ein und zählen ebenso nicht bei der Stornoquote. Sie zahlen also hier nicht die Zeche für Störungen, die durch Mängel im Portal verursacht werden.“ Matthew Whittall kündigte im Redaktionsgespräch weitere Verbesserungen an. So arbeite man mit Hochdruck an einer Lösung, dass der Zahlungsverkehr und die Zuordnung der Rechnungen künftig problemloser laufen würde.
Lesens Wert

Mehr zum Thema