2021-03-10T13:59:13+0000

Steigen Kfz-Versicherer aus Corona-Pauschale aus?

Die gesamte Branche fährt im Unfallschadenmarkt derzeit nach wie vor auf Sicht. Auch die Kfz-Versicherer – zumindest was die Zahlung von Corona-Desinfektionsmaßnahmen in der Schadensteuerung angeht. Bereits seit knapp einem Jahr wird die Erstattung des zusätzlichen Aufwands von Partnerwerkstätten von Monat zu Monat verlängert oder auch zeitweise ausgesetzt. [Erst seit Anfang dieses Jahres wurden die Zahlungen bei allen führenden Schadensteuerern wieder aufgenommen.](https://www.schaden.news/de/article/link/42075/corona-massnahmen-kfz-versicherer-zahlen-wieder) Geschädigte und Kfz-Versicherer streiten sich zeitgleich im Haftpflichtschadenfall immer häufiger vor Gericht wegen Kürzungen von Werkstattrechnungen für diese Maßnahmen. ## Irritationen bei Innovation Group Für Wirbel sorgte nun Anfang März ein der Redaktion vorliegendes Schreiben von Innovation Group an seine rund 1.200 Kooperationsbetriebe. Darin wird erstmals in diesem Jahr erneut ein Ausstieg von Kfz-Versicherern aus der Zahlung der Corona-Pauschale angekündigt. Demnach wollten erste Kfz-Versicherer bereits zum 7. März die Erstattung von Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen streichen, die die Partnerwerkstätten aufgrund der Pandemie durchführen. Daraufhin hagelte es Kritik aus den Reihen der Betriebe und die Stuttgarter korrigierten ihren Kurs. Auf Nachfrage von schaden.news hieß es nun: „Alle Versicherungs- und Fleet-Partner der Innovation Group zahlen auch weiterhin die vereinbarten Desinfektionspauschalen. Das ist mindestens für März gesichert. Das weitere Vorgehen wird davon abhängen, ob die Lockdown-Maßnahmen verlängert werden. Details dazu wird es erst Ende März geben.“ ## Tätigkeit nach tatsächlichem Aufwand abrechnen In dem ursprünglich an die Partnerwerkstätten adressierten Schreiben steht auch, wie der Schadensteuerer und seine Kfz-Versicherer grundsätzlich zur Erstattung stehen: „Obwohl wir uns mit unseren Kunden darüber einig sind, dass diese Kosten grundsätzlich nicht erstattungspflichtig sind, besteht große Bereitschaft zur Regulierung dieser Kosten.“ In der Werkstattwelt sieht man die Erstattungspflicht jedoch grundlegend als notwendig an. [Bereits im Oktober vergangenen Jahres hatten das Allianz Zentrum für Technik (AZT) und die Interessengemeinschaft für Fahrzeugtechnik und Lackierung (IFL) eine Material- und Zeitstudie durchgeführt, die Arbeitszeitwerte für den Aufwand festlegt.](https://www.schaden.news/de/article/link/41932/ifl-temi-2020-zeit-und-materialstudie-desinfektion) „Alle Karosserie- und Lackierbetriebe sollten die coronabedingten Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen nach tatsächlichem Aufwand abrechnen“, stellt Dr. Albert Bill, Geschäftsführer der Bundesfachgruppe Fahrzeuglackierung (BFL) im Gespräch mit schaden.news klar. Immer wieder weisen Kfz-Versicherer jedoch darauf hin, dass die zusätzlichen Tätigkeiten in die betrieblichen Gemeinkosten eingepreist werden sollten. Dies sieht Dr. Albert Bill vom Branchenverband anders: „Der Aufwand entsteht erst dann, wenn das Kundenfahrzeug repariert wird und ist demzufolge entsprechend für jeden Kundenauftrag in Rechnung zu stellen. Hier werden von den Versicherern, insbesondere auch von der Allianz Versicherung, Behauptungen aufgestellt, die entgegen der betriebswirtschaftlichen Lehre und dem Regelwerk der Kostenrechnung stehen, die jeder Handwerksmeister im Rahmen seiner Meisterausbildung lernen musste.“ ## Klärung durch RKI und Bundesärztekammer Kfz-Versicherer wie die Axa Versicherung lehnen eine Erstattung der Kosten im Haftpflichtschadenfall grundsätzlich ab. Die Begründung der Kölner: Laut Aussagen des Robert Koch-Institutes und der Bundesärztekammer sei eine Oberflächenreinigung nicht notwendig. Die Axa Versicherung zahlt im Rahmen gesteuerter Schäden durch Innovation Group dennoch die Corona-Pauschale für Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen. [Präsident und Geschäftsführer der Bundesfachgruppe haben nun das RKI und die Bundesärztekammer um Stellungnahme gebeten.](https://schaden.news/download/link/3lKW) In dem Schreiben von Paul Kehle und Dr. Albert Bill an Lothar Wiehler heißt es: „Als Beitrag zur Vermeidung
von Covid-19-Infektionen und der generellen Infektionsprophylaxe für Mitarbeiter, Kunden und Fahrzeugüberbringer, zu denen der persönliche Kontakt besteht und von denen i.d.R. keine Kenntnis vorliegt, ob bei den genannten Personen eine Corona-Infektion vorliegt oder nicht, werden im Fahrzeuginnenraum und an den Kontaktstellen zunächst eine gründliche Oberflächendesinfektion durchgeführt, was sich bislang nach unserer Kenntnis in der Praxis auch sehr bewährt hat.“ Die Bundesfachgruppe weist darauf hin, dass hierdurch ein Mehraufwand für die Betriebe entstehe, der unbestritten sei und dieser Aufwand auch entsprechend gegenüber der leistungspflichtigen Versicherung fakturiert werden würde. „Die Versicherungswirtschaft lehnt jedoch (…) die Übernahme dieser durch die Ausnahmesituation Corona verursachten Kosten ab und beruft sich dabei auf das RKI.“ Paul Kehle und Dr. Albert Bill erklären gegenüber RKI und Bundesärztekammer, dass das Vorgehen der Versicherungswirtschaft „vollkommen unverständlich“ sei, die Zahlungen an die Betriebe für notwendige, durchgeführte Hygienemaßnahmen zu verweigern. Die Bitte um Stellungnahme hatte die Bundesfachgruppe bereits Anfang Februar nach Berlin geschickt, bisher allerdings noch keine Antwort erhalten.
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