2021-01-06T13:32:04+0000

Chancengleichheit durch Forschungsarbeit gewährleisten

Die Schaden- und Reparaturforschung ist weit mehr als die Erprobung bestehender Reparaturverfahren. Seit über 40 Jahren stellt das Kraftfahrzeugtechnische Institut Informationen zur Verfügung, die allen Marktbeteiligten nutzen sollen. Im Interview erklären Helge Kiebach und Rainer Kühl, welche Bedeutung die Arbeit des KTI hat und welche Themen in den nächsten Jahren im Fokus der Schadenforschung stehen. ___Herr Kiebach, Herr Kühl, die Corona-Krise hat natürlich auch die Schaden- und Reparaturforschung vor neue Herausforderungen gestellt. Wie hat das KTI diese gemeistert?___ __Rainer Kühl:__ Wie alle Marktteilnehmer haben auch wir verstärkt mit Video- und Webkonferenzen gearbeitet und der Situation angepasst reagiert. __Helge Kiebach: __Hinderlich war und ist die Pandemie allerdings bei Versuchen, in denen zwei oder mehr Mitarbeiter auf engstem Raum über mehrere Stunden zusammenarbeiten müssten. Dennoch konnten wir auch in diesem Jahr einige Forschungen zum Abschluss führen und die Ergebnisse veröffentlichen. ___Welche sind das konkret?___ __Rainer Kühl: __Die jüngste Veröffentlichung ist die sogenannte [Toolbox, eine umfangreiche Wissenssammlung zur Instandsetzung von Elektrofahrzeugen](https://schaden.news/de/article/link/41959/kti-toolbox-leitfaden-fuer-reparatur-von-e-fahrzeugen) – von der Unfallbergung bis hin zur Reparatur. Diese wird in Kürze auf repair-pedia einsehbar sein. __Helge Kiebach:__ Ein konkretes Ergebnis im Jahr 2020 waren außerdem Veröffentlichungen zur „Fachgerechten Kalibrierung von Fahrerassistenzsystemen“. Nachdem uns immer wieder Anfragen zu diesem Thema erreichten, haben wir verschiedene FAS-Kalibriergeräte getestet und die Ergebnisse in Form eines Berichtes, mehrerer Fachartikel und Vorträge veröffentlicht. Dabei haben wir bewusst auf eine Rangfolge verzichtet. Vielmehr wollen wir Werkstätten eine Orientierungshilfe geben bei der Frage, welches Gerät sich am besten für ihre individuellen Anforderungen und Rahmenbedingungen eignet. Weiterhin geben wir den Werkstätten Hinweise, wie die OEM-Vorgaben umgesetzt werden können. ___Und diese Tests haben noch einen weiteren Vorteil für die Werkstätten…___ __Helge Kiebach: __Richtig. Wir stehen mit den Geräteherstellern in direktem Kontakt und stellen diesen unsere Ergebnisse und Rückmeldung aus der Praxis vor. Daraufhin gab es bereits einige Verbesserungen sowohl bei der Software als auch an den Geräten selbst. Das kommt letztlich natürlich den Anwendern zugute. ___Mit Blick auf die nächsten Jahre: Welche Themen stehen im Fokus Ihrer Forschungsarbeit?___ __Rainer Kühl: __Schon jetzt, aber in den nächsten Jahren noch verstärkt, werden uns die Themen Fahrerassistenzsysteme, Konnektivität, Betriebssysteme und Fahrzeugdaten beschäftigen. Aber auch die alternativen Antriebe stehen weiterhin im Mittelpunkt unserer Arbeit. ___Können Sie das an einem konkreten Beispiel erklären?___ __Helge Kiebach: __Ein gutes Beispiel ist unser Projekt „Fair Repair II“. [In diesem Rahmen haben wir den Einfluss der Stoßfänger-Reparatur auf dahinterliegende Radarsensoren untersucht.](https://schaden.news/de/article/link/42039/kti-unfallforschung-ueberlackieren-im-sensorsichtbereich-1) In diesem Jahr werden wir nun konkret die Möglichkeiten und Messung von
Lackschichtdicken auf Kunststoffen untersuchen. Aktuell ist uns kein Gerät bekannt, mit welchem man diese unter den Bedingungen in einem Reparaturbetrieb verlässlich messen kann. Ein weiteres Ziel in dem Projekt „Fair Repair II“ ist die Entwicklung von „radargeeigneten“ Lacken. In diesem Zusammenhang arbeiten wir auch eng mit den Lackherstellern selbst zusammen. Denn unser Ziel ist langfristig, dass Stoßfänger auch im Sensorbereich, ganz im Sinne des Ansatzes „Instandsetzen statt erneuern“ vermehrtnachlackiert werden dürfen. ___Ob Fahrerassistenzsysteme, Elektromobilität oder Kalibrieren – die Anforderungen an die Werkstätten steigen kontinuierlich. Kann der freie Markt Ihrer Meinung nach auch in Zukunft mithalten?___ __Rainer Kühl: __Ich glaube, der freie Markt wird künftig stärker gefordert sich zu spezialisieren. Das ist aber keinesfalls ein Nachteil, sondern eher noch vorteilig. Ich bin fest davon überzeugt, dass neue Nischen entstehen werden – und diese gilt es zu besetzen. Ein Beispiel: Wenn in zehn Jahren die Reparatur von E-Fahrzeugen zur Normalität geworden ist, wird der Batterieinstandsetzung eine besondere Bedeutung zukommen, denn Batterien sind extrem teuer. Betriebe, die sich darauf spezialisieren, besetzen damit eine zukunftsträchtige Nische. __Helge Kiebach: __Wichtig ist – und das ist auch ein grundsätzliches Ziel der Arbeit des KTI – die Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Und das funktioniert nur, wenn alle Marktbeteiligten über das gleiche Wissen verfügen. ___Und dieses Wissen vermittelt das KTI?___ __Helge Kiebach: __Richtig. Aus unserer Rolle als neutrales Institut heraus versuchen wir, einen Wettbewerb mit bestmöglicher Chancengleichheit zu gewähren, indem wir Informationen zur Verfügung stellen, die allen Marktbeteiligten nutzen – sowohl den Werkstätten als auch den Sachverständigen und Versicherern. __Rainer Kühl:__ Denn, und das ist das Wichtige, innerhalb unserer Arbeit gibt es keine Differenz zwischen Werkstatt und Versicherer. Von den Ergebnissen unserer Forschungen profitieren alle Marktteilnehmer. ___Vielen Dank für das Gespräch! ___