2017-07-19T12:15:38+0000
# ClaimsControlling: „Auf Plausibilität kommt es an“ Etwa 300.000 Fälle pro Jahr laufen über die Schreibtische des Leipziger Prüfdienstleisters ClaimsControlling. Colornews.de sprach exklusiv mit Geschäftsführer Frank Hoffmann, dem Chef-Sachverständigen Michael Herrmann und dem Leiter des Forschungsteams Uwe Schmortte über die Arbeitsweise, die Prüfverfahren und die Unterschiede zwischen gesteuertem und ungesteuertem Geschäft. **Herr Hoffmann, wer ist eigentlich ClaimsControlling?** **Frank Hoffmann:** ClaimsControlling prüft im Auftrag von Versicherern Kfz-Schadenbelege, vom Gutachten bis zur Rechnung. Unser Anspruch ist es, sicherzustellen, dass diese Dokumente fachlich richtig und plausibel sind. So bearbeiten wir jeden Tag mehr als 1.000 Schadenfälle für eine Reihe von Versicherern. **Sie distanzieren sich klar von Prüfdienstleistern wie ControlExpert und Eucon. Was unterscheidet Sie?** **Frank Hoffmann:** Einiges. In erster Linie ist sicher unsere technische Kompetenz zu nennen. Weiterhin, zumindest ist das bei uns so, werden wir pro Rechnungsprüfung bezahlt – und nicht auf Basis möglicherweise realisierter Einsparpotenziale. Wir hätten also keinen Vorteil davon, Kostenvoranschläge oder Rechnungen unnötig zu kürzen. Außerdem prüfen wir nicht nach möglichen Regelwerken eines Versicherers, sondern analysieren jeden Fall individuell mit Hilfe unserer Experten und der eigens aufgebauten Reparaturdatenbank. Kurzum: Wir korrigieren in einem Kostenvoranschlag oder einer Rechnung nichts, was wir nicht vertreten würden. Und wenn einer unserer Sachverständigen etwas beanstandet, muss er eine transparente und
nachvollziehbare Erklärung beifügen – hierfür steht ihm eine Datenbank von über 80.000 selbstentwickelten Texten zur Verfügung. Außerdem läuft der gesamte Prüfprozess von der Kalkulation bis zur zugehörigen Rechnung bei einem Mitarbeiter ab. So schließen wir aus, dass in einem Kostenvoranschlag etwas freigegeben wird, was derjenige, der hinterher die Rechnung prüft, verweigert. Schlussendlich – und das ist aus meiner Sicht das wichtigste Kriterium – sind alle unsere Mitarbeiter vom Fach. **Das heißt über welche Qualifikationen verfügen Ihre Prüfer?** **Michael Herrmann:** Bei uns arbeiten aktuell 60 Sachverständige in der Prüfung. Alle haben einen Techniker- oder Meistertitel und durchlaufen intern ein sechsmonatiges Training in verschiedenen Abteilungen. Dabei legen wir besonderen Wert auf die Vermittlung von fundierten Kenntnissen in den Bereichen Karosserie, Lackierung und Mechanik. Für den praktischen Teil der Ausbildung können wir unsere eigene Schulungs- und Versuchswerkstatt nutzen und so Kfz-Schäden diagnostizieren und kalkulieren sowie idealerweise die aktuellen Instandsetzungstechniken direkt am Fahrzeug anwenden. **Wie stehen Sie zu den Arbeitszeitwerten in den Herstellervorgaben? Über die Verbindlichkeit wird ja immer wieder diskutiert.** **Frank Hoffmann:** Die Herstellervorgaben sind verbindlich. Sie sind in der Unfallschadenreparatur die entscheidenden Vorgaben, keine Orientierungswerte. Ausnahme bilden jene Fälle, in denen wir in eigenen Versuchen in unserer Werkstatt festgestellt haben, dass die Herstellervorgaben falsch oder unvollständig sind. Hier sind wir selbstverständlich entsprechend kulant, denn entscheidend ist für uns am Ende, dass die Plausibilität stimmt. **Sie prüfen also Reparaturwege auch selbst in der Praxis?** **Uwe Schmortte:** Ja, das ist richtig. Wenn Sie so wollen, betreiben wir selbst
Reparaturforschung und nehmen zum Beispiel neue Fahrzeuge unter die Lupe, um dort anzusetzen, wo etwa die Herstellervorgaben oder die Beschreibungen der Kalkulationssysteme aufhören. Wir meinen: Nur so können wir plausibel prüfen. Unser 15-köpfiges Rechercheteam checkt dann in Details und konkretisiert die bestehenden Daten, jedes Bauteil wird dabei neu definiert. So fügen wir beispielsweise zur Teilebezeichnung noch Zusatzinformationen über Material, Zerlegepositionen und Reparierbarkeit hinzu. **Das heißt, Sie ziehen zur Beurteilung von Kalkulationen und Werkstattrechnungen nicht einfach nur Durchschnittswerte heran, sondern nutzen dafür eine eigene Datenbank?** **Uwe Schmortte:** Genau. Der Vorteil daran ist, dass wir bei Fällen, in denen strukturierte Daten mitgeliefert werden, sofort den Abgleich mit unserer Datenbank fahren. Wenn Positionen oder Reparaturmethoden von den hinterlegten Daten abweichen, bekommt der entsprechende Bearbeiter einen Hinweis und kann diese Stelle gesondert prüfen. **Frank Hoffmann:** Diesen Wissensvorsprung hat niemand sonst im Markt – und damit können wir auch Werkstätten unterstützen. **Inwiefern?** **Frank Hoffmann:** Weil unsere Datenbank auch dann einen Hinweis gibt, wenn die Werkstatt in der Kalkulation etwas vergessen hat, zum Beispiel reparaturbedingt zu erneuernde oder zu demontierende Bauteile. Aktuell prüfen wir, inwiefern sich ein solches Tool in die Werkstattwelt ausrollen ließe. Unser Ziel – und im Übrigen auch das der meisten unserer Kunden – ist es, dass am Ende 100 Prozent der notwendigen Kosten bezahlt werden. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. **Gibt es einen Unterschied bei beanstandeten Rechnungen zwischen gesteuerten und nicht gesteuerten Schadenfällen?** **Frank Hoffmann:** In der Tat sind unserer Erfahrung nach 80 Prozent der Werkstattrechnungen
bei gesteuerten Kasko-Schäden in Ordnung. Die Beanstandungen, die wir im Durchschnitt festgestellt haben, bewegen sich nach plausibler Prüfung in einer Größenordnung von 30 Euro. Im ungesteuerten Schadenfall sind nur 35 Prozent fehlerfrei. Hier bewegen sich die Beanstandungen in einer Größenordnung von 150 Euro. Das ist schon ein deutlicher Unterschied. **Wie automatisiert laufen Ihre Prozesse?** **Frank Hoffmann:** Hier in Deutschland wird jeder Fall, den ClaimsControlling bekommt, durch einen Mitarbeiter geprüft. Ich bin davon überzeugt, dass eine automatische Kalkulation anhand von Fotos nicht funktioniert. Hierfür braucht es immer einen Fachmann, der sich mit dem Fall auseinandersetzt. Die vollautomatische Software unterstützt ihn dabei. In Dänemark nutzen einige Versicherer mit einem Volumen von 120.000 Vorgängen unseren ClaimsGuard, eine Software zur automatisierten Prüfung von Schadenkalkulationen auf Basis strukturierter Daten. **Wie wird das Thema Rechnungsprüfung in fünf Jahren aussehen?** **Frank Hoffmann:** Ich hoffe, dass wir Rechnungsprüfungen in fünf Jahren tatsächlich flächendeckend digital bearbeiten können. Dabei ist Digitalisierung für mich deutlich mehr, als die Umwandlung strukturierter Daten in PDFs, wie es in Langenfeld gerade zelebriert wird. Das wichtigste ist aus meiner Sicht, dass der Schaden einfach durchlaufen kann und der Prozess völlig papierlos abläuft. Dafür müsste die gesamte Branche, das betrifft sowohl Betriebe als auch Versicherer, in der Lage sein, mit strukturierten Daten zu arbeiten.
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