2017-05-22T11:56:33+0000
# Rechnungskürzungen: Wie setzen sich Betriebe durch? „Wir wollen, dass Sie 100 Prozent Ihrer Rechnungen bezahlt bekommen.“ Mit diesem Satz traf Rechtsanwalt Matthias Nickel den Nerv der Teilnehmer des besucherstärksten Workshops beim ZKF-Branchenverbandstag 2017 in Regensburg. Denn nach wie vor müssen sich Karosserie- und Lackierbetriebe mit unberechtigten Kürzungen von Versicherern auseinandersetzen. ## **Versicherer ist beim Haftpflichtschaden nicht Vertragspartner der Werkstatt** Matthinas Nickel betonte, dass „sorgfältig zwischen Haftpflicht- und Kaskoschaden unterscheiden werden muss.“ Er stellte klar: „In einer Rechnungskürzung in Kraftfahrt-Haftpflicht liegt immer der Vorwurf, die Reparatur sei zu teuer gewesen.“ Es handele sich dabei also um eine Einwendung aus dem Werkvertrag. „Derartige Einwendungen kann der Versicherer aber nicht erheben, denn er ist nicht Vertragspartner des Reparaturbetriebes.“ Auch durch die Abtretung werde der Versicherer nicht zum Vertragspartner des Betriebes, sondern er erhielte hierdurch nur die Möglichkeit den Anspruch, so wie er beim Kunden entstanden ist, in eigenem Namen geltend zu machen. Matthias Nickel: „Beim Haftpflichtschaden bestimmt § 249 BGB, in welchem Umfang Schadenersatz zu leisten ist.“ Er
zitierte die BGH-Rechtsprechung: „Zu ersetzen ist der erforderliche Geldbetrag, d.h. die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte.“ Es komme also allein auf die subjektive Sicht des Geschädigten an. In der Regel reiche bei konkreter Abrechnung die Vorlage der Reparurrechnung aus. Seit einigen Jahren seien aber, so der Anwalt weiter, Entscheidungen zu den Sachverständigenkosten ergangen, die dies nach Meinung der Versicherer in Frage stellen. Dazu nannte Matthias Nickel das Urteil des BGH vom 22.07.2014 (VI ZR 357/13): „Nur die vom Kunden bezahlte Rechnung ist ein Indiz für die Erforderlichkeit.“ Diese Rechtsprechung ist zu den Sachverständigenkosten vom Bundesgerichtshof bestätigt worden (BGH vom 19.07.2016, Az.: VI ZR 491/15). ## **„Rechnungskürzungen im Haftpflichtfall sind unzulässig“** Die spannende Frage sei laut Matthias Nickel, ob diese Rechtsprechung auch auf die Reparaturkosten und andere Schadenpositionen anzuwenden ist. „Diese Frage ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Der BGH unterstrich in seiner Entscheidung vom 19.07.2016 jedoch deutlich, dass die Bezahlung der Rechnung durch den Kunden keine Voraussetzung für den Anspruch nach § 249 BGB ist." Der Rechtsanwalt kam im Workshop zu dem Ergebnis: „Rechnungskürzungen sind im Haftpflichtfall bei konkreter Abrechnung unzulässig. Dies gilt nach derzeitiger Rechtsprechung unabhängig davon, ob der Geschädigte seine Ansprüche selbst bei dem Versicherer geltend macht oder der Betrieb aus abgetretenem Recht vorgeht.“ ##
**Wie sollte der Betrieb vorgehen?** Heute sei festzustellen, dass Rechnungskürzungen bei Haftpflichtfällen vor allem dann erfolgen, wenn die Werkstatt aus abgetretenem Recht an den Versicherer herantritt. Matthias Nickel schlug den Karosserie- und Lackierbetrieben in Regensburg folgendes Vorgehen vor: „Schalten Sie einen Sachverständigen ein. Der Geschädigte sollte selbst die Rechnung beim eintrittspflichtigen Versicherer vorlegen. Am besten ist es, wenn die Werkstatt dem Geschädigten die Einschaltung eines Anwalts empfiehlt. Dies gilt vor allem bei Versicherungen, die immer wieder Rechnungen unberechtigt kürzen.“ ## **Probleme bei Durchsetzung von Ansprüchen im Kaskoschaden** Auch beim Kaskoschaden könne laut Matthias Nickel der Versicherer keine Einwendungen aus dem Werkvertrag erheben, denn er ist auch im Kaskofall nicht Vertragspartner des Reparaturbetriebes. Eine Ausnahme seien werkstattgebundene Kaskoverträge. Beim Kaskoschaden gelte § 249 BGB jedoch nicht, sondern es seien ausschließlich die vertraglichen Bestimmungen der Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) gültig. Matthias Nickel: „Auch in der Kaskoversicherung werden daher bei konkreter Abrechnung die reparaturerforderlichen Kosten ersetzt.“ Allerdings sei die Erforderlichkeit anders definiert. „Erforderlich sind die Kosten, die ein verständiger Versicherungsnehmer aufwenden muss, um den durch ein versichertes Schadenereignis entstandenen Schaden fachgerecht beseitigen zu lassen.“ Aber bei einem Streit über die Rechnungskürzung ist nach den AKB die Durchsetzung der Ansprüche erschwert. Denn bei einem Streit über die Werkstattrechnung kommt es zum sogenannten Sachverständigenverfahren, bei dem der Versicherer und der Kunde je einen
Sachverständigen benennen, die dann einen Obmann wählen und über den Streit mit Stimmenmehrheit entscheiden. Das Verfahren ist vor allem teuer und zeitaufwändig. Zudem kann der Anspruch nicht ohne Genehmigung des Versicherers zur Durchsetzung an den Reparaturbetrieb abgetreten werden. Auch Anwaltskosten sind, anders als im Haftpflichtfall, nicht ohne weiteres vom Versicherer zu zahlen. Außerdem gilt die Rechtsprechung zum Werkstattrisiko bei Kaskoschäden nicht. Abschließend riet Matthias Nickel den Teilnehmern des Workshops beim ZKF-Bundesverbandstag, bei Haftpflichtschäden im Zweifel einen Anwalt hinzuzuziehen, um möglichst 100 Prozent der Werkstattrechnung tatsächlich bezahlt zu bekommen.
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