2015-04-28T16:08:16+0000
# Kfz-Versicherer im Umbruch Der wichtigste Treffpunkt der deutschen Versicherungswirtschaft ist der Kongress „Schadenmanagement & Assistance“, der einmal im Jahr in der Leipziger Messe stattfindet. Hier trafen sich am 28. und 29. April mehr als 1.000 führende Entscheider nahezu aller Versicherer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Darunter auch Vorstände und Schadenchefs der Kfz-Assekuranzen. Am ersten Tag des Events standen Zukunft und Trends des Unfallschadenmanagements im Mittelpunkt. ## HUK-COBURG: 400.000 gesteuerte Schäden bei Unfall und Glas Gleich zu Beginn der Konferenz betonte Klaus-Jürgen Heitmann (Vorstand HUK-COBURG Versicherungsgruppe), dass für den Versicherer die Preisführerschaft im Markt das zentrale Geschäftsmodell ist. Die HUK-COBURG ist mit 10,3 Millionen Verträgen der größte deutsche Kfz-Versicherer mit 3,4 Millionen Kasko-Select Verträgen im Bestand. Klaus-Jürgen Heitmann unterstrich: „Im Direktgeschäft werden 60 Prozent der neuen Verträge mit Werkstattbindung abgeschlossen, im Online-Geschäft fast Dreiviertel. Das ist der Motor für unser Konzept Kasko-Select.“ Insgesamt steuerte die HUK-COBURG in ihr Werkstattnetz im vergangenen Jahr mehr als 300.000 gesteuerte Unfallschäden, mit Glasschäden sogar über 400.000. Insgesamt wurden rund zwei Millionen Schäden reguliert.
## Versicherer gegen Automobilhersteller Eine der wesentlichen strategischen Herausforderung liegt für Klaus-Jürgen Heitmann im Wettbewerb zu den Automobilherstellern. „Früher wurden Versicherung, Reparatur, Service, Pannenservice, Fahrzeug und Finanzierung vom Autofahrer einzeln abgeschlossen oder in Auftrag gegeben“, stellte Klaus-Jürgen Heitmann noch einmal klar. „Heute decken die Automobilhersteller immer stärker alle Bereiche ab.“ Damit kam er gleich zu seinem eigentlichen Thema: eCall, der Datenzugriff auf das Auto und die Steuerung der Unfallschäden in Zukunft. „Es droht eine massive Verschiebung im Wettbewerb bei Unfall, Inspektion, Diagnose, Versicherung und Finanzierung.“ ## Wird der Unfallstecker zum „eCall-Standard der Versicherer“? Als zusätzliche Gefahr für die Versicherer bezeichnete Klaus-Jürgen Heitmann den Druck, der von Vergleichsportalen wie check24 ausgeht. Er betonte: „Die Webportale werden sich in Zukunft viel stärker in die Abwicklung des Unfallschadens einmischen. Wir dürfen den Kontakt zum Kunden nicht verlieren, daher müssen wir als Versicherer den Trend zum Web viel stärker nutzen.“ In diesem Zusammenhang stellte Klaus-Jürgen Heitmann den neuen Unfallmeldestecker vor, der bereits im kommenden Jahr eingesetzt werden soll. Das Modul wird in die 12V-Bordsteckdose eingesteckt und mit dem Smartphone verbunden. Bei einem Unfall baut das System dann automatisch eine Verbindung zur Versicherung auf.
## Die Startchancen für Service Select stehen gut Auch zu dem Konzept Service Select äußerte sich der Vorstand der HUK-COBURG. „Die Kunden nehmen Service Select deutlich besser an als wir das erwartet haben“, erklärte er vor den Teilnehmern des Kongresses, die seine Ausführungen zu diesem Bereich mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgten. „Wir sind hochzufrieden, die Autofahrer sind hochzufrieden und empfehlen den Service sogar weiter.“ Allerdings will sich die HUK-COBURG an der Qualität von Service Select messen lassen. „Wir testen regelmäßig, führen Mystery-Shopping durch – hier waren die Ergebnisse noch nicht so, wie wir sie erwartet haben“, gestand er ein. Auch die Erfahrung mit nunmehr knapp einem Jahr Pilotbetrieb sorgt in Coburg offensichtlich noch für nachdenkliche Töne: „Wenn ein Marketing-Mailing vom Betrieb für den Service versendet wird, steigt die Kundenfrequenz deutlich an, die vom Betrieb abgearbeitet werden muss.“ Auch Serviceleistungen wie der Hol- und Bringdienst bei Inspektionen komme bei den Kunden unterschiedlich an. „Die Erwartungshaltung ist nicht unbedingt so, dass der Hol- und Bring-Service angenommen wird.“ Grundsätzlich betonte Klaus-Jürgen Heitmann jedoch: „Wir sind auf einem guten Weg, Mitte des Jahres wird über den Start des Projektes endgültig entscheiden.“ ## Control Expert sieht noch viel Potential in der digitalen Schadenabwicklung In verschiedenen Workshops stellten Versicherer und Schadendienstleister ihre Konzepte zur Weiterentwicklung des Schadenmanagements vor. Control Expert-Chef Gerhard Witte betonte, dass es in der Versicherungswirtschaft immer noch nicht so einfach sei „den Sprung von der alten in die neue digitale Welt zu machen.
Die Geschwindigkeit nimmt aber auch im Unfallschadengeschäft weiter zu, daher wird die elektronische Kommunikation und der digitale Datentransfer wichtiger.“ Treiber dieser Entwicklung sei auch die Fahrzeugsensorik und eCall, die für neue Datenströme sorgen werden. „Nur wenn die Schadenwelt digitalisiert wird, sind wir in der Lage Daten zu vergleichen, bewerten und einordnen“, unterstrich Gerhard Witte. Allerdings stellte er auch klar: Ohne das Know-how der Kfz-Sachverständigen im Hintergrund lassen sich Unfallschäden dennoch auch künftig kaum verlässlich beurteilen. Heute werden 3,5 Millionen von insgesamt rund 9 Millionen Unfallschäden über Control Expert abgewickelt. ## AXA pusht digitale Schadenregulierung Konkreter als Gerhard Witte wurde Ralf Eisenhauer, Leiter Schadenaußendienst beim AXA Konzern. „Wir stehen gerade erst am Anfang der Digitalisierung“, zeigte er sich überzeugt. Auch er nannte die Fahrzeugentwicklung als Motor der digitalen Entwicklung und fügte hinzu: „Die Kommunikation findet künftig direkt mit dem Auto statt oder mit dem Versicherungsnehmer über mobile Endgeräte wie Smartphones und Apps.“ Ralf Eisenhauer gewährte einen tiefen Einblick in die Pläne der AXA. So will der Versicherungskonzern bis zum Jahr 2020 einen stringent digitalisierten Schadenregulierungsprozess aufsetzen. Demnach soll die Schadenmeldung dann bei dem Versicherer über eine digitale Meldung per Smartphone oder Social-Media eingehen - inklusive Fotos und Beschreibung des Schadens.
„Innerhalb der AXA soll dann eine automatisierte Prüfung der Policen-Konditionen stattfinden, anschließend wird dann die Sachbearbeitung Details prüfen“, erklärte der Leiter Schadenaußendienst. Geplant sei im weiteren Verlauf des Schadenprozesses die Automatisierung der Schadensteuerung. Nach der Prüfung könne der Versicherungsnehmer eine Partnerwerkstatt wie in einem Booking-System aus dem Netz auswählen. „Die Daten werden dann an die ausgewählte Werkstatt weitergleitet.“ Anschließend erfolgt die elektronische Prüfung des Kostenvoranschlages, die Reparatur-Freigabe und die Instandsetzung im Betrieb. Während der Reparatur in der Werkstatt soll ein Tracking des Reparaturverlaufs stattfinden. Dieses Reporting erfolgt online und soll dem Versicherer eine jeweilige Statusmeldung über den Reparaturstand geben, der dann wiederum seinen Versicherungsnehmer informieren kann. Auch die abschließende Rechnung wird in diesem Szenario elektronisch übertragen. Die digitale Bearbeitung will die AXA zunächst mit Pilotprojekten im Rahmen der Regulierung von Hagelschäden starten.