2025-11-18T12:57:27+0000

BVdP: Im Netz der Schadensteuerung

Die Wolken hingen tief, Nebel lag über dem Tagungsort. Ab und an blitzte die Sonne im Mittelgebirge der Röhn hervor. Die Stimmung war herbstlich frisch bei der Netzwerkstatt des Bundesverbandes der Partnerwerkstätten (BVdP) am 13. November 2025. Zuvor gab es bei der Mitgliederversammlung des Verbandes wohl ein Donnerwetter. Dem Vernehmen nach wurde dort etwas heftiger über die Lage in der Schadensteuerung im Allgemeinen und speziell über die neuen Verträge von Innovation Group debattiert. Allerdings hinter verschlossenen Türen. Bei der Netzwerkstatt hingegen waren Kfz-Versicherer, Schadensteuerer, Betriebe und Schadendienstleister eingeladen – und für die Lobby der Partnerwerkstatt lief hier weitgehend alles planmäßig und sehr harmonisch. ## Wo liegen Einsatzmöglichkeiten von KI in der Werkstattwelt? Zwei Zukunftsthemen standen auf der Agenda der Netzwerkstatt: Der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) sowie die Nachhaltigkeit in den Partnerwerkstätten. Geschäftsführer Michael Pinto und Vorstandsvorsitzender Reinhard Bayer unterstrichen zu Beginn der Tagung, dass KI bereits heute die Arbeit der Partnerwerkstätten unterstütze. „Die Relevanz der KI-Systeme wird künftig weiter steigen“, betonte Reinhard Bayer. Vor allem im Kundenservice und der Telefonie sieht der BVdP Einsatzbereiche. Vorstand Andreas Lau hob die Attraktivität moderner IT-Technik gerade für die junge Generation hervor. Arben Ndue (Solera Audatex AUTOonline) und Hans-Jürgen Hoffmann (DAT Deutsche Automobil Treuhand) zeigten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern konkrete Einsatzmöglichkeiten von KI vor allem in der Schadenkalkulation. Bei Solera arbeitet man aber nicht nur Reparaturkostenermittlung via Erkennung von Schadenbildern und Automatisierten Kalkulationslösungen, sondern eben auch am Einsatz von KI im Kundenservice sowie der Kundenakquisition. Details zur Schadenbilderkennung und Kalkulation mit FastTrackAI von DAT lieferte Hans-Jürgen Hoffmann. Interessant: Bei der Abstimmung unter den Teilnehmern der Netzwerkstatt zeigte sich, dass bereits 50 Prozent der Anwesenden KI einsetzen. Allerdings muss man bei diesem Ergebnis berücksichtigen, dass die wohl größte Teilnehmerzahl aus dem Bereich der Schadendienstleister selbst kam. ## Solvd: Die Schadenregulierung mit AI-Agenten ohne den Menschen Das sich die Fähigkeiten von Künstlicher Intelligenz tatsächlich rasend schnell entwickeln, zeigte der Auftritt der Solvd Group, ein Unternehmen der Allianz Versicherung zu der auch der Schadensteuerer Innovation Group, Control Expert und GT Motive gehören. Beim Impulsvortrag von Geschäftsführer Sebastian Lins wurde schnell deutlich, dass die Automatisierung von dem Unternehmen soweit vorangetrieben wird, dass „Menschen in der Schadenregulierung nicht mehr Eingreifen müssen“, oder anders gesagt:
Schadenregulierungsprozesse auf Seiten des Kfz-Versicherers laufen mit sogenannten AI-Agenten von Solvd ohne den Menschen. Sebastian Lins zeigte eindrucksvoll wie die Struktur und die Arbeit der Künstlichen Intelligenzen aufgebaut ist, die in verschiedenen Bereichen wie Vertragsrecht (Policy Agent), Kundenkommunikation (Communication Agent) oder Recherche (Context Agent) eingesetzt und von einem Master Agent schadenfallbezogen orchestriert werden. Der Solvd-Geschäftsführer betonte, dass die Agenten bis zu 90 Sprachen fließend sprechen und rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche einsatzfähig sind. Bei der Talkrunde mit Eva Topüth-Heymer (Innovation Group), Ulrike Thumm (Riparo), Julia Münter (BVdP), Martin Schneider (HUK-Coburg) und Maximilian Stein (Restemeier GmbH) drehte sich das Gespräch dann vor allem um Standardeinsatz der KI in der Schadenregulierung wie die Bewältigung von Routineaufgaben. Maximilian Stein erklärte, dass aus seiner Erfahrung heraus Veränderungen in der Werkstattwelt nur schwer umzusetzen sind. Gerade bei dem Einsatz von KI müssten die Beschäftigten in den Betrieben mitgenommen werden. Auf die von Solvd aufgezeigte dramatische Entwicklung von AI-Agenten und die vollständige Übernahme von Arbeitsprozessen in der Schadenregulierung ging die Talkrunde nicht ein. ## I statt E: Abrechnung von Arbeitszeit, Kritik an Sachverständigen und Leasinggesellschaften Beim Thema Nachhaltige Reparaturinstandsetzung war der Einsatz von gebrauchten Ersatzteilen, der noch bis zur Jahresmitte hitzig diskutiert wurde, kein Thema mehr. Auch fehlten Aussagen zu betrieblichen Standards, die die Verbände im vergangenen Jahr angekündigt hatten. Vielmehr ging es bei der Netzwerkstatt fast ausschließlich um die Reparaturmethode Instandsetzen vor Erneuern, die in vielen Betrieben bereits seit Jahrzehnten eingesetzt wird. In der Diskussionsrunde mit Daniel Graß (DEVK), Karosseriebaumeister und Influencer Aaron Kukic, Yannick Stern (Carbon), Betriebsinhaber Frank Steinbreder, Michael Pinto und Reinhard Beyer wurde jedoch klar, dass I statt E noch längst nicht in der Schadensteuerung angekommen ist. Frank Steinbreder erntete Applaus bei den Partnerwerkstätten, als er forderte, dass Kfz-Versicherer die Arbeitszeit bei der Instandsetzung endlich vollständig bezahlen sollten, ohne zu kürzen. Der Margen-Druck in den Partnerbetrieben wurde jedoch nicht thematisiert. Hingegen wurde die Vorgehensweise von Kfz-Sachverständigen kritisiert, die zu häufig in ihren Gutachten den Einsatz von OE-Ersatzteilen anstatt die Instandsetzung der beschädigten Fahrzeugkomponenten vorschreiben. BVdP-Geschäftsführer Michael Pinto appellierte an die Leasinggesellschaften I statt E im Regelfall als Reparaturmethode bei der Fahrzeugrückgabe zu akzeptieren. Daniel Graß (DEVK) forderte alle Beteiligten dazu auf stärker miteinander zu kommunizieren, um mehr Klarheit über den Reparaturweg zu erhalten. Wie wichtig nicht nur die Technik, sondern auch die Schulungen für die fach- und sachgerechte Reparatur sind, unterstrich Yannick Stern. Der Betriebsleiter von Carbon und Karosseriebaumeister Aaron Kukic betonten zudem die Chancen für K&L-Betriebe, unabhängig von der Schadensteuerung. Einig war sich die Talkrunde darin, dass es beim Thema Instandsetzen vor Erneuern noch reichlich Potenzial für alle Seiten geben würde.
## DAT: Bedeutung der Werkstätten enorm Einen Einblick in die Wahrnehmung von Werkstätten aus dem Blickwinkel von Autofahrerinnen und Autofahrer gab Uta Heller (Deutsche Automobil Treuhand). Die Leiterin Research bei der DAT Group hob hervor, dass 89 Prozent der für den DAT-Report Befragten ihr Auto immer in derselben Werkstatt reparieren lassen. Bei einem Unfallschaden zeigt sich jedoch ein anders Bild. Auf die Frage, „Wenn sie einen Unfall hätten, an wen würden Sie sich wenden?“, antworten als Unfallverursacher 62 Prozent mit „an die eigene Versicherung“, nur 18 Prozent würden sich an ihre eigene Werkstatt wenden. Im Fall als Unfallgeschädigter sieht das Meinungsbild wiederum anders aus. Hier würden 33 Prozent der befragten Autofahrerinnen und Autofahrer zuerst in die Werkstatt und sich nur 29 Prozent an die eigene oder 18 Prozent die gegnerische Versicherung wenden. Uta Heller warf in ihrem Vortrag bei der Netzwerkstatt aber auch einen Blick auf das Optimierungspotenzial im Werkstattservice. Hier wünschen sich Verbraucherinnen und Verbraucher eine kurzfristig, schnellere Terminverfügbarkeit, einen freundlicheren Umgang mit Werkstattkunden und günstigere Öffnungszeiten. ## Brandender Applaus für Projektmanager Marco Senger Einen sehr emotionalen Moment gab es in der Röhn als der langjährige Projektmanager Marco Senger nach 13 Jahren verabschiedet wurde. Der erfahrene Branchekenner war maßgeblich am Aufbau der Best Practice-Zirkel und der Netzwerkstatt beteiligt und genießt hohe Anerkennung bei den Mitgliedern. Auch die Wegbereiter der Schadensteuerung kamen bei der Netzwerkstatt zusammen. Ralph Ganzenmüller (vormals HDI) und Thomas Geck (früher HUK-Coburg) diskutierten mit Reinhard Bayer über Erfahrungen, Entwicklungen und die Kraft der Zusammenarbeit.