2025-04-29T08:41:54+0000

Certified Expert for Historic Cars: „Beeindruckend, wie vielschichtig das Thema ‚Lack‘ bei Classic Cars ist“

Die professionelle Zustandsbewertung und Einschätzung historischer Fahrzeuge stellt nicht nur Sachverständige sondern auch Händler, Sammler oder Werkstätten immer wieder vor Herausforderungen. Denn in diesem Bereich ist absolutes Expertenwissen gefragt: Angefangen bei Kenntnissen rund um Fügearbeiten, über die Qualität der Restaurierung, den Zustand von Motor und Getriebe bis hin zur Zustandsbewertung des originalen Lackes oder einer gegebenenfalls erfolgten Reparaturlackierung. ## Zertifikatskurs soll Kreis der Experten erweitern Um den Kreis der Experten in Deutschland sukzessive zu erhöhen, wurde 2021 der Zertifikatskurs „Certified Expert for Historic Cars“ an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen Geislingen gegründet. In diesem können sich Old- und Youngtimer-Enthusiasten innerhalb von sechs Monaten zum zertifizierten Gutachter für Classic Cars weiterbilden lassen. Am Ende der sechs Module steht eine Abschlussprüfung, im Rahmen derer die Teilnehmenden ein Sammlerfahrzeug begutachen und ihre Erkenntnisse vor weltweit renommierten Oldtimer-Experten verteidigen – in diesem Jahr war ein höchst seltener Bentley Speed Six aus der weltweit bekannten Loh Collection das Prüfungsfahrzeug. Über 100 Teilnehmer haben den Kurs seit 2021 bereits erfolgreich zertifiziert abgeschlossen. Und das Interesse scheint ungebrochen hoch. ## „Leidenschaft allein reicht nicht aus, es braucht Fachwissen und Erfahrung“ Auch der jüngst abgeschlossene Kurs war komplett ausgebucht. Einer der insgesamt 16 Teilnehmer war Andreas Jägle, der die Begeisterung für klassische Automobile laut eigener Aussage bereits in die Wiege gelegt bekommen hat. „Mein Vater und seine Brüder sammeln Oldtimer seit über 50 Jahren. Seit einigen Jahren widme ich mich diesem Thema mit großer Hingabe. Besonders fasziniert mich, dass zwei scheinbar identische Fahrzeuge drastisch unterschiedliche Marktwerte haben können. Mir wurde schnell klar: Leidenschaft allein reicht nicht aus. Um Fahrzeuge und Märkte richtig einzuschätzen, braucht es Fachwissen und Erfahrung. Der CEHC-Kurs bot genau das“, erklärt er den Beweggrund für seine Teilnahme. ## „Lack wird häufig unterschätzt“ Im Februar haben Andreas Jägle und die anderen Teilnehmenden das vierte von insgesamt sechs Modulen zum Thema „Lack“ absolviert. Veranstaltungsort war das Refinish Competence Center der Reparaturlackmarke Glasurit in Münster, denn Glasurit ist exklusiver Lackpartner des Zertifikatskurses. Der inzwischen pensionierte Classic Cars Manager Jürgen Book ist einer von insgesamt fünf Referenten, die den Kursteilnehmenden in Münster nahezu alles rund um Lacke vermitteln. Angefangen beim Lackaufbau, den Pigmenten und der Chemie, über die Lackschadenanalyse und verschiedene Methoden zur Ermittlung bis hin zur
fachmännischen Reparaturlackierung für Classic Cars. Aber auch – für Laien vermeintlich nebensächliche – Details rund um verschiedene Begrifflichkeiten wurden geklärt. Denn diese können in einem Gutachten den kleinen, aber feinen Unterschied machen. „Der Aha-Effekt ist enorm hoch, denn Lack wird häufig unterschätzt“, weiß der branchenweit bekannte Lackexperte Jürgen Book. Das bestätigt auch Andreas Jägle: „Als Neuling in diesem Bereich war ich beeindruckt, wie vielschichtig das Thema ‚Lack‘ bei historischen Fahrzeugen tatsächlich ist. Besonders spannend finde ich, dass die Lackierung nicht nur ein ästhetischer Aspekt ist, sondern auch viel über die Geschichte eines Fahrzeugs erzählt und somit eine wesentliche Rolle in der Bewertung historischer Automobile spielt. Es gibt hochentwickelte Methoden, um den Zustand und die Lackgeschichte eines Fahrzeugs zu untersuchen. Anhand von diversen Tests und Analysen lassen sich Rückschlüsse auf Originalität, Restaurierungsarbeiten und sogar frühere Reparaturen ziehen.“ Nach der Theorie ging es für die Teilnehmer am nächsten Tag in die Praxis – und zwar in die renommierte Sammlung der Klopfer Foundation in Nottuln. „Am zweiten Tag geht es darum, dass erlangte Wissen selbst anzuwenden. In drei Arbeitsgruppen mussten die Teilnehmenden eine Lackbeurteilung u.a. an einem Ford Transit, einem Jaguar MK IX und einem Bentley T1 vornehmen und ihre Ergebnisse anschließend präsentieren“, erklärt Jürgen Book. ## Europaweit anerkannte Experten für Classic Cars Im April stand schließlich die mündliche Abschlussprüfung für die Kursteilnehmer an. Im Anschluss müssen die Prüflinge noch ein umfangreiches schriftliches Wertgutachten einreichen. Genügt dieses den Ansprüchen der Prüfer, dürfen sich die Absolventen danach „Certified Expert for Historic Cars“ bzw. zertifizierte Gutachter für Sammlerfahrzeuge nennen. Das Zertifikat ist dabei nicht nur in Deutschland ein Aushängeschild für die erworbene Expertise, sondern europaweit gültig und anerkannt – auch bei Gericht. Andreas Jägle wird seine Expertise künftig vor allem privat nutzen. Aber er ist sich sicher, dass auch Gutachter, Restaurateure, Händler und Enthusiasten von dem Kurs profitieren: „Besonders wertvoll ist der Austausch mit Experten und Gleichgesinnten. Wer sich ernsthaft mit historischen Fahrzeugen beschäftigt – sei es beruflich oder privat – wird von diesem Kurs profitieren.“
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