2024-12-18T12:31:09+0000

Web-TV: Wer profitiert im neuen Jahr von den Entwicklungen?

Auch 2024 war für den Unfallreparaturmarkt ein bewegtes Jahr. Während einige Themen wie der Fachkräftemangel, steigende Schadenkosten, Digitalisierung oder Nachhaltigkeit die Branche schon länger begleiten, kam mit der Diskussion um gebrauchte Ersatzteile ein weiteres. In der letzten Sendung des Jahres hat der Schadentalk im Web-TV mit seinen Talkgästen traditionell ein Resümee gezogen und einen Ausblick auf das nächste Jahr gewagt. ## Schadenmarkt entkoppelt von gesamtwirtschaftlicher Lage Mit Blick auf dieses Jahr ist vor allem eines positiv zu vermerken, wie Jochen Gaukel, Bereichsleiter Handel Industrie bei Sika Deutschland, betonte: Entgegen der gesamtwirtschaftlichen Lage herrscht im Reparaturmarkt durchgehend eine hohe Auslastung. Reinhard Beyer, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands der Partnerwerkstätten (BVdP), bestätigte das und zog Parallelen zur früheren Finanzkrise, die dafür sorgte, dass Fahrzeuge länger gehalten und somit häufiger repariert werden. Spürbar wird das in einer bundesweit hohen Auslastung, die auf Seiten der Schadensteuerungs-Betriebe sogar noch deutlicher ausfällt – [das spiegelt sich auch in den Ergebnissen der Stimmungs- und Konjunkturumfrage von schaden.news wider. ](https://schaden.news/de/article/link/44315/ergebnisse-stimmungsumfrage-november-2024) Aus Verbandssicht zog der BVdP-Vorsitzende ebenfalls ein positives Fazit: [Mit den Zugeständnissen einiger Versicherer und Schadensteuerer hinsichtlich der Direktkundenregelung](https://schaden.news/de/article/link/44209/innovation-group-kippt-bisherige-direktkundenregelung) habe der Verband nach jahrelangen Bemühungen einige wichtige Durchbrüche erzielt. „Die aktuelle Situation hat sicherlich ein Stück dazu beigetragen, dass wir vorangekommen sind. Aber trotz allem ist die Einsicht einfach gekommen, dass es gegeneinander nicht funktioniert. In unserem Markt funktioniert nur ein Miteinander“, so Reinhard Beyer. Noch abwartend zeigte er sich hingegen mit Blick auf die sich ändernden Eigentümerverhältnisse bei Schadensteuerern. ## Steigende Schadenkosten bleiben weiter im Fokus Aus Sicht der Kfz-Versicherer kann man hingegen wohl kaum von einem erfolgreichen Jahr sprechen. Im Gegenteil: [Bereits im Oktober prognostizierte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft erneut Milliarden-Verluste für die Branche.](https://schaden.news/de/article/link/44249/gdv_milliarden-verluste_bei_kfz-versicherern) Verantwortlich seien dafür vor allem die stetig steigenden Schadenkosten – ein Thema, dass in diesem Jahr wieder für viele Diskussionen sorgte. Der Kalkulationsdatenanbieter Solera Audatex AUTOonline beobachtet die Kalkulationen von Betrieben, Sachverständigen und Kfz-Versicherern über alle Schadenklassen und -komponenten hinweg – mit klarem Ergebnis. „Wir sehen, dass sich der Trend aus dem letzten Jahr manifestiert hat, wenn auch nicht so stark“, fasste Ingo Blöink, Vice President Sales Deutschland, zusammen. Bei diversen Kleinteilen seien teilweise Steigerungsraten von bis zu 60 Prozent zu beobachten. Gerade bei batterieelektrischen Fahrzeugen hat sich der Trend laut Audatex-Erhebungen verstetigt, die Schadenkosten liegen mit durchschnittlich 2.653 Euro rund 30 Prozent über denen der Verbrenner (2.007 Euro). In diesem Zusammenhang sei jedoch zu beachten, dass beispielsweise Schäden an der Hochvoltbatterie oder die Verbringung die durchschnittlichen Schadenkosten in die Höhe treiben, vor allem weil der Fahrzeugbestand deutlich kleiner ist als der bei herkömmlichen Antrieben. ## Regresswelle hat bereits begonnen Angesichts dieser Entwicklung sei es nach Meinung von Rechtsanwalt Henning Hamann, Geschäftsführer der Kanzlei Voigt, nicht verwunderlich, dass die Kfz-Versicherer auch 2024 – und trotz der [Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zum Werkstattrisiko](https://schaden.news/de/article/link/43963/zusammenfassung-web-tv-kompakt-bgh-entscheidungen-april) – häufig den Rotstift ansetzten. Die prekäre wirtschaftliche Situation der Kfz-Versicherer
werde deswegen auch im nächsten Jahr dafür sorgen, dass weiterhin Kürzungsversuche unternommen werden. „Wenn man sich diese Gemengelage anschaut, bleibt den Versicherern eigentlich nur noch ein Weg, um zu sparen: die Regressprozesse“, resümiert der Rechtsanwalt. Diese Prozesswelle sei bereits ins Rollen gekommen und wird laut dem Voigt-Geschäftsführer 2025 noch stärker über die Betriebe hereinbrechen. ## Kfz-Versicherer treiben ihre Prozessoptimierung voran Reinhard Beyer vom BVdP kritisierte in diesem Zusammenhang den Umgang der Versicherer mit den Kfz-Werkstätten und forderte stattdessen, die eigenen Prozesse stärker im Blick zu behalten. Eine Forderung, die scheinbar bereits umgesetzt wird. Denn laut Ingo Blöink arbeiten die Assekuranzen verstärkt daran, diese zu optimieren. „Während im letzten Jahr noch das Thema Nachhaltigkeit im Fokus stand, beschäftigen sich die Assekuranzen momentan stärker denn je mit der Digitalisierung ihrer Prozesse und Workflows“, erklärte der Vice President. Demnach erreichen den Software- und Kalkulationsanbieter aktuell täglich Anfragen von Versicherungsunternehmen – auch weil der Druck aus der Vorstandsebene bei vielen hoch sei. ## Digitalisierung innerhalb der Branche weiter schleppend Bezogen auf den allgemeinen Stand der Digitalisierung im Unfallreparaturmarkt zeigte sich Reinhard Beyer, der selbst einen Betrieb führt, frustriert: „Am Ende wird der administrative Aufwand, der ohnehin schon zu groß ist, noch größer. Man muss zusätzliches Personal einstellen, um den Aufwand der Digitalisierung auszugleichen, die eigentlich die Arbeit erleichtern soll.“ Der BVdP-Vorstand stört sich vor allem daran, dass es keine einheitliche Lösung für alle am Schadenprozess beteiligten Parteien gibt und forderte, etwaige Mehrfacheingaben bei Aufträgen durch sinnvolle und funktionierende Schnittstellen zu neutralisieren. ## Konsolidierungen gehen weiter Gerade deshalb wird die Digitalisierung auch im nächsten Jahr ein wichtiges Thema innerhalb der Branche bleiben, ist sich auch Unternehmensberaterin Marina Markanian von der bpr Mittelstandsberatung sicher. In einem Videostatement fasste sie die größten Herausforderungen für 2025 aus unternehmerischer Sicht zusammen. Zu den Erfolgsfaktoren gehören laut der erfahrenen Beraterin dabei eine individuelle Strategie sowie Agilität, um schnell auf Marktveränderungen reagieren zu können. Zudem käme dem Entscheider als „charakteristischer Kümmerer“ eine immer größere Bedeutung zu. Neben der Digitalisierung werden im kommenden Jahr das Ersatzteilmanagement und der Personalnotstand weiter die größten Herausforderungen bleiben. Letzteres sorgt im Markt zudem für eine zunehmende Konsolidierung. Denn es fehlen nicht nur Fachkräfte, sondern immer häufiger auch geeignete Nachfolger – sowohl bei den Werkstätten als auch bei den Sachverständigen. Jochen Gaukel von Sika fasste es wie folgt zusammen: „Wir haben überall Konsolidierungen: Bei Sachverständigen, im Werkstattbereich, im Handel und sogar in der Industrie. Dieser Wandel, den wir erleben, wirkt wie eine Zentrifuge. Ich glaube schon, dass es sich immer mehr auf Wenige konzentrieren wird – in welcher Form auch immer, ob als Kette, Franchise oder regionale Gruppen.“ Eine Entwicklung die alle Talkteilnehmer gleichermaßen bestätigten. ## Gebrauchte Ersatzteile: „Die Randbedingungen sind entscheidend“ Ein Thema, dass im nächsten Jahr noch stärker in den Fokus rücken wird, ist die Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen. An der Reparaturmethode, die aktuell vor allem von der Allianz Versicherung getrieben wird, scheiden sich momentan die Geister. Ingo Blöink zeigte anhand eines Rechenbeispiels von Solera Audatex, wie hoch der
Emissionsausstoss je nach Reparaturmethode ist: Am Beispiel eines Heckschadens an einem Nissan Qashqai. Insgesamt hat die Reparatur des Teils mit 37 Kilogramm CO2-Emission die beste Bilanz, gefolgt von der Reparatur mit einem gebrauchten Ersatzteil mit 63 Kilogramm CO2-Emission. Dennoch: In der schaden.news-Stimmungsumfrage gaben zwei Drittel der befragten Betriebe an, den Einsatz gebrauchter Ersatzteile nicht für sinnvoll zu halten. Reinhard Beyer relativierte das Ergebnis in gewissen Teilen. Aus seiner Sicht gibt es keine generelle Abwehrhaltung gegenüber Gebrauchtteilen, vielmehr seien die Umstände für das „negative Ergebnis“ verantwortlich. „Die Randbedingungen – sprich, was für einen Zustand hat das Teil, wo kommt es her, wie lange dauert die Anlieferung und wer übernimmt die Verantwortung – die sind entscheidend.“ Der BVdP-Vorsitzende ist sich sicher, solange Gebrauchtteile aus dem Ausland kommen, könne man nicht von einer nachhaltigen Bilanz sprechen. Zudem gab er zu bedenken, dass der Gebrauchtteil-Einsatz nicht zu Lasten der K&L-Betriebe gehen dürfe: „Der Betrieb kann nicht die Aufklärungsarbeit für den Kunden übernehmen. Wir dürfen schließlich auch keine Rechtsberatung betreiben.“ Henning Hamann stellte hingegen in Frage, ob der Einsatz gebrauchter Teile die Schadenkosten tatsächlich reduziert. Er gab zu bedenken, dass gerade bei Anlieferungen aus dem Ausland und eventuellen Lieferverzögerungen die Ausfallkosten für Ersatzmobilität steigen. „Das verteuert den Prozess. Deshalb bin ich mir nicht sicher, ob die Kostenersparnis, die mit dem einzelnen Teil einhergeht, nicht am Ende des Tages dazu führt, dass die Schadenaufwendungen für die Reparatur in die Höhe gehen.“ Sehr viel wichtiger als die Frage nach der Herkunft ist für viele Betriebe jedoch die Frage nach den rechtlichen Verhältnissen. Wer haftet, wenn ein mangelhaftes Ersatzteil verbaut wurde. Die Antwort des Rechtsanwaltes: „Die Werkstatt, die im Vertragsverhältnis mit dem Kunden steht.“ Und eben das dürfe nicht der Fall sein. Wenn Gebrauchtteile eine echte Alternative zu Originalmarkenersatzteilen werden sollen, müssen zuvor klare Regularien und überprüfbare Standards festgelegt werden. Einig waren sich die Talkgäste darin, dass in dieser Thematik noch viel Aufklärungsarbeit – vor allem gegenüber dem Endkunden – geleistet werden müsse. Und das könne nicht Aufgabe der Werkstatt sein. ## Was kommt 2025 auf die Branche zu? Wie sich dieses und weitere Themen im kommenden Jahr entwickeln, bleibt letztlich abzuwarten. Die Talkteilnehmer prognostizieren jedoch, dass es zumindest wirtschaftlich innerhalb der Branche keine großen Überraschungen geben wird. „Der Markt wird sich seitlich bewegen. Stand jetzt erwarte ich kein Auf und Ab im nächsten Jahr. Für die Sika selbst wird es ein tolles Jahr, davon bin ich überzeugt. Mit unserer neuen Schleifmittelserie wollen wir einen Beitrag zur Effizienz leisten, damit starten wir im Januar“, resümiert Sika-Manager Jochen Gaukel. Auch Reinhard Beyer geht davon aus, dass die Auftragslage auch in den nächsten 12 Monaten unverändert hoch sein wird. „Aus Verbandssicht bin ich sehr gespannt, wie die Entwicklung mit der Fluktuation bei den Schadensteuerern weiter geht. Wie wird sich der Wechsel auf die Betriebe auswirken? Das müssen wir uns als Verband anschauen und begleiten. Insofern wird es spannend. Wir haben im November unsere Netzwerkstatt“, so der BVdP-Vorsitzende. Mit vollen Auftragsbüchern rechnet auch der Geschäftsführer der Kanzlei Voigt angesichts der drohenden Regressklagewelle: „Aus Sicht der Werkstätten und in Bezug auf Schadenregulierung wird 2025 sicherlich angespannter als es noch in diesem Jahr der Fall war. Das bedeutet gleichzeitig einen hohen Beratungsbedarf in rechtlicher Hinsicht“, so der Rechtsanwalt. Zudem gab er zu bedenken, dass einige Hersteller ihren Anteil an Elektrofahrzeugen 2025 noch signifikant steigern werden müssen, um CO2-Emissionsverpflichtungen einhalten zu können. „Ich bin sehr gespannt, wie sich das auf den Markt auswirken wird, wenn der Anteil an E-Autos steigt.“ Und auch Solera Audatex AUTOonline profitiert von der aktuellen Gemengelage im Unfallschadenmarkt. Der Druck der Prozessoptimierung und Digitalisierung nutzt dem Software-Anbieter – und das wird sich aus Sicht von Ingo Blöink wohl auch im kommenden Jahr nicht ändern. Gesamtwirtschaftlich rechne er aufgrund der Entwicklungen im Automobilsektor jedoch mit einer Rezession. Die Talkrunde stimmt damit größtenteils mit den befragten Betrieben aus der schaden.news-Stimmungsumfrage über ein: Denn diese blicken auch überwiegend neutral (47 Prozent) oder positiv (42 Prozent) ins neue Jahr.
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