2024-06-19T10:10:25+0000

ZKF-Branchentreff II: „Die Rahmenbedingungen für K&L-Betriebe verändern sich“

Vergangene Woche (14./15.Juni) traf sich die Branche in Koblenz. Beim traditionellen Branchentreff des Zentralverbands Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) standen erneut die drängendsten Themen der Unfallreparaturbranche auf dem Programm. [Den Höhepunkt der Veranstaltung markierte sicherlich die erste Grundsatzrede des neuen ZKF-Präsidenten Arndt Hürter sowie die offene Diskussion mit der HUK-Coburg sowie den Schadensteuerern SPN und Innovation Group.](https://schaden.news/de/article/link/44066/rueckblick-zkf-branchentreff-it-arndt-huerter) Doch auch darüber hinaus hatte das Programm einiges zu bieten. Angefangen bei der umfangreichen Fachausstellung in der Rhein-Mosel-Halle. Über 40 namhafte Werkstattausrüster und -dienstleister präsentierten vor Ort ihre Lösungen. Darunter die Softwarespezialisten Audatex AutoOnline, KSR und PlanSo, die Lackhersteller PPG | Nexa Autocolor und Peter Kwasny, Lackierpistolenhersteller SATA, Kleb- und Dichtstoffhersteller Sika, die Schleifmittelexperten von Mirka, Kabinenhersteller Wolf, die Rechtsanwälte der Kanzlei Voigt, Hebebühnenhersteller Liftwerk sowie die Werkstattausrüster Hella Gutmann, Kamatec und Carbon. Die Sachverständigenorganisation DEKRA und die Korrossionsschutzprofis Carlofon waren Hauptsponsoren des Branchentreffs. ## Fachgerechte Kalibrierung der FAS wird immer wichtiger Die Fachvorträge sorgten darüber hinaus für viel Gesprächsstoff. Denn sie spiegelten die aktuell größten Herausforderungen der Branche wider. Dazu gehört künftig auch der Umgang mit Fahrerassistenzsystemen, wie Helge Kiebach, Geschäftsführer des Kraftfahrzeugtechnischen Instituts betonte. Zwar gehören diese bereits zum Werkstattalltag, mit dem Übergang zum hochautomatisierten Fahren in Level 3 steigt jedoch auch die Anzahl verbauter Sensoren und damit die Komplexität und Bedeutung einer fachgerechten Kalibrierung der Sensoren nach einer Reparatur, wie der Experte betonte. „Aus der Praxis wissen wir, dass häufig nicht kalibriert wird, wenn es keine Fehlermeldung gibt. Wenn der Hersteller aber eine Kalibrierung vorschreibt, ist diese auch unbedingt durchzuführen, denn schon die kleinsten Abweichungen können zu sicherheitsrelevanten Funktionsbeeinträchtigungen führen“, verdeutlichte Helge Kiebach und untermauerte dies mit den Ergebnissen diverser Untersuchungen der Schadenforscher. Sicherheitsrelevant ist zudem auch die korrekte Reparatur im Sichtfeld von Sensoren – gerade mit Blick auf die Reparaturlackierung. Um künftig sicherzustellen, dass die
Lackierung die Funktionsweise des Sensors nicht beeinträchtigt, arbeitet das KTI in Zusammenarbeit mit dem ZKF an einer spezifischen Messvorrichtung. Die Technologie soll im September auf der Automechanika in Frankfurt präsentiert werden. KTI-Prokurist Rainer Kühl sprach den anwesenden Werkstattvertreter im Anschluss Mut und Selbstvertrauen im Umgang mit verunfallten Elektroautos zu: „Das ist alles kein Hexenwerk. Es gibt keine Notwendigkeit, die Schäden in Markenwerkstätten durchzureichen, das können Sie genauso gut.“ ## Reparaturen am NIO Einen konkreten Einblick in die Reparatur gab danach Dirk Zentgraf von NIO und zwar am Beispiel eines real verunfallten NIO ET 7, bei dem sowohl Fahrzeug als auch Batterie stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Dabei zeigte er auch auf, welche konkreten Vorgaben der Hersteller im Falle eines Unfalls bzw. bei beschädigten Batterien macht. Im Beispielfall bestand aufgrund einer Deformation des HV-Akkus eine potenzielle Gefahr für eine thermische Reaktion, weshalb das Fahrzeug in Quarantäne zu verbringen war. Während der Quarantänezeit, die laut NIO 6 Tage betragen sollte, wird die Temperaturentwicklung innerhalb der Batterie durch regelmäßige Kontrollen überprüft und protokolliert. Im Anschluss erfolgte eine Teilzerlegung, die Batterieprüfung sowie die Vermessung der Karosserie. Für letzteres gibt der Hersteller vier Karosserie-Richtbänke frei und auch für bestimmte Struktur-Klebearbeiten oder die Verklebung der Windschutzscheibe ist von NIO genau definiert, welche Produkte zum Einsatz kommen dürfen und welche nicht. [Wie NIO das Service- und Reparaturgeschäft in Deutschland in Zukunft organisiert, erfahren Interessierte übrigens beim Schadentalk im Web-TV am 20. Juni. In der Talkrunde rund um das aktuelle Stop & Go von Elektromobilität gibt Fabian Holst, Serviceleiter NIO Deutschland, Einblicke in die Pläne des Herstellers.](https://www.youtube.com/c/Schadentalk) ## Kaskokürzungen vermeiden: Tipps von Branchenanwalt Henning Hamann Am zweiten Tag des Branchentreffs gab Rechtsanwalt Henning Hamann, Geschäftsführer der Kanzlei Voigt, den Anwesenden wieder nutzwertbringende Tipps rund um Kürzungen in Kaskofällen und wie diese künftig vermieden werden können. Wichtigster Unterschied zu Kürzungen im Haftpflichtbereich: Der Anspruch des Kunden gegen seinen Versicherer in einem Kaskofall fußt auf dem Vertragsrecht und die zentrale Frage lautet „Was steht im Versicherungsvertrag?“ Der Versicherungsvertrag fußt auf den sogenannten AKB, den
Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung. Ein entsprechendes Muster wird den Versicherungsunternehmen vom GDV zur Verfügung gestellt, darüber hinaus kann jeder Versicherer individuell festlegen, was in dem jeweiligen Kasko-Vertrag versichert ist und was nicht. Die Sachverständigenkosten werden beispielsweise in der Regel nicht erstattet. Gerade bei Reparaturvolumen über 2.500 Euro empfiehlt der Rechtsexperte jedoch, einen eigenen Gutachter hinzuzuziehen. Warum? Weil die Spanne der Reparaturkosten zwischen eigenem und dem Gutachter der Kaskoversicherung teilweise um mehrere tausend Euro abweichen kann, wie Henning Hamann anhand eines Beispielfalles der Kanzlei Voigt demonstrierte. Wird der Versicherer mit dem zweiten Gutachten konfrontiert, stehen die Chancen gut, dass die Reparaturkosten noch einmal nach oben angepasst werden. Ebenfalls wichtig zu wissen: „Immer dann, wenn im Versicherungsvertrag nichts speziell geregelt ist, gilt das Haftpflichtschadenrecht als Auslegungshilfe“, betonte der Kanzlei-Geschäftsführer. Werkstätten sollten also in jedem Kasko-Schadenfall prüfen, ob einzelne Anspruchsgrundlagen, Schadenpositionen oder Kappungsgrenzen ausdrücklich im Kaskovertrag geregelt sind. Fast schon Mantra mäßig schärfte Henning Hamann den Zuhörenden ein: „Gibt es im Vertrag eine spezielle Vereinbarung dazu? Wenn nicht, dann gilt das Haftpflichtschadenrecht und die Kosten sind im Rahmen der ‚erforderlichen Kosten‘ der Reparatur zu erstatten“. Das gelte beispielsweise für den Stundenverrechnungssatz, UPE-Aufschläge oder auch Verbringungskosten – Rechnungspositionen, für die es ganz klare Regelungen und Urteile im Haftpflichtschadenrecht gibt und die im Zweifel dann unter das sogenannte Werkstattrisiko fallen. ## „Wer Nachwuchs sucht, muss in der digitalen Welt präsent sein“ Wie die Rechnungskürzung ist auch der Azubimangel ein Dauerbrenner-Thema in der Unfallreparaturbranche. Viele Betriebe tun sich schwer damit, überhaupt noch geeignete Kandidaten für freie Ausbildungsplätze zu finden. Die Gründe sind vielschichtig: Unabhängig vom demografischen Wandel sind beispielsweise auch die Bekanntheit der Berufsbilder, ein neues Verständnis von Work-Life-Balance und der laut Nicole M. Pfeffer generationsspezifische Hang zur Unverbindlichkeit wichtige Einflussfaktoren. Fakt sei jedoch laut der Kommunikations- und Marketingexpertin, dass junge Menschen heute einen Großteil ihrer Freizeit auf, mit und in sozialen Medien verbringen. Betriebe, die
Nachwuchs für sich begeistern wollen, kommen um eine digitale Präsenz also nicht umhin. Dabei müsse längst nicht jeder Kanal bespielt werden. „Suchen Sie sich ein bis zwei Kanäle aus, das reicht und dann schaffen Sie Erlebnisse, zeigen Sie wie toll das Handwerk ist“, betont Nicole M. Pfeffer. Und die Expertin gab gleich noch einen Tipp: „Beziehen Sie ihre Auszubildenden mit ein. Fragen Sie diese, was sie ansprechend finden oder noch besser, lassen Sie sie selbst die Videos und Inhalte produzieren.“ ## Gewinner der German Craft Skills Wie begeisterungsfähig und engagiert Auszubildende sein können, zeigten die Gewinner der German Craft Skills im Ausbildungsberuf Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker. Die Sieger in den Fachrichtungen Karosserieinstandhaltungstechnik sowie Karosserie- und Fahrzeugbautechnik wurden im Rahmen des ZKF-Branchentreffs ausgezeichnet und erhielten in Koblenz u.a. Sachpreise von Schleifmittelhersteller Mirka und Werkstattausrüster Wieländer und Schill. Die Instandsetzungsprofis von Carbon sponserten außerdem ein Training. ## „2040 ist es so weit“ Zum Abschluss des diesjährigen Branchentreffs gab Dr. Neofitos Arathymos, ehemals Geschäftsführer beim ZDK, einen Ausblick in die Zukunft der Reparaturbranche. Der Experte, der sich seit vielen Jahren mit der Entwicklung der Fahrzeugtechnologie beschäftigt, ist sich sicher, dass sowohl alternative Antriebe als auch autonome Fahrzeuge in absehbarer Zeit den Markt durchdringen. „Die Rahmenbedingungen ändern sich und Sie müssen sich darauf einstellen“, appellierte er in diesem Zusammenhang an die Betriebsinhaberinnen und -inhaber in Koblenz. Denn die zunehmende Digitalisierung sorge dafür, dass Wartungshinweise und Werkstattempfehlungen direkt vom Fahrzeug generiert werden. „Das heißt: Sie sind dann raus“, überspitzte er in Richtung der Werkstätten. In rund 15 Jahren sei zudem das autonom fahrende Fahrzeug auf deutschen Straßen Normalität, so die Rechnung des Experten, und dann werde sich die Unfallhäufigkeit stark reduzieren. Denn, so der Experte: „Der Anspruch mit dem autonomen Fahren sind null Unfälle.“ Ob der Experte recht behält, wird sich selbstverständlich erst in den nächsten Jahren zeigen. Fakt ist – und das hat der ZKF-Branchentreff einmal mehr gezeigt: Auch in Zukunft wird den Reparaturwerkstätten einiges abverlangt.
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