2023-05-31T08:31:40+0000

Kfz-Versicherer diskutieren nächste Schritte der Digitalisierung

Beim 43. Treffen der Benutzer Gemeinschaft Audatex (BGA) kamen Kfz-Versicherer wie HDI, Allianz, Generali, Gothaer, Provinzial und HUK-Coburg in München zusammen. Mit dabei waren auch Schadendienstleister wie Carglass, der Automobilhersteller BMW und BFL-Vorstandsmitglied und Betriebsinhaber Kay Dähn. Im Mittelpunkt der zweitägigen Beratungen stand eine zentrale Frage: Wie geht es mit der Digitalisierung in der Schadenregulierung jetzt konkret weiter? ## Reparaturkosten steigen kontinuierlich, digitale Prozesse bringen mehr Effizienz Aus dem Blickwinkel von Dr. Ingo Blöink (Vice President Area Sales Germany & Switzerland, Audatex AUTOonline) gibt es in der Kfz-Schadenregulierung noch viel Potenzial, um die Prozesseffizienz durch digitale Infrastruktur deutlich zu steigern. „Wir sind noch nicht dort, wo andere Branchen bei der Digitalisierung bereits angekommen sind“, erklärte er vor den Teilnehmern der BGA. Die Situation liege seiner Ansicht nach an den komplexen Abläufen bei der Kfz-Schadeninstandsetzung aber auch am „ausbaufähigem Willen zur Veränderung“. Erik Jahn (Head of Solera AUTOonline) analysierte während der BGA die Entwicklung der Reparaturkosten, die für Kfz-Versicherer in den vergangenen drei Jahren um 28 Prozent gestiegen seien. Künftig komme es vor allem auf die schnelle Identifizierung wahrscheinlicher Totalschäden in der Schadenabwicklung, die Erkennung potenziell grenzwertiger Fahrzeugbeschädigungen und die Verifizierung der Echtheit von eingereichten Schadenbildern zur Betrugserkennung an. Hier liefere Solera Audatex AUTOonline IT-gestützte Systeme, die diese Kostentreiber sichtbarer machen. Grundsätzlich rechnet Erik Jahn damit, dass sich Reparaturkosten und Wiederbeschaffungswerte künftig stabilisieren werden. Grund dafür sei eine bessere Verfügbarkeit von Neuwagen und die Abkühlung der Gebrauchtwagenpreise. ## KI unterstützt bei Reparaturkostenkalkulation und soll Dunkelverarbeitung bei Kleinschäden ermöglichen Einer der Motoren der fortschreitenden Digitalisierung im Schadenmarkt ist nach wie vor der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI). „In der Schadenkalkulation nutzen wir im cloudbasierten System Qapter VI (Visual Intelligence) KI als Unterstützung bei der Berechnung von Reparaturkosten anhand von Schadenbildern“, erklärte Arben Ndune (Solera AI Business Development Manager), der in München eine Live-Demonstration der automatisierten Reparaturkostenkalkulation mit Qapter zeigte. Derzeit setzen nach Angaben von Solera nur 16 Prozent der Kfz-Versicherer KI bei der Dunkelverarbeitung ein, aber knapp zwei Drittel der Versicherungsunternehmen wollen hier künftig investieren. Das Thema wird also für alle an der Unfallschadenreparatur beteiligten Parteien in Zukunft relevant werden. Ein starker Fokus liegt nach Meinung von Arben Ndue auf der „Dunkelverarbeitung von kleinen Schäden“. Durch die Automatisierung von Regulierungsprozessen, könnten Abläufe durch schnelle Entscheidungen um 30 Prozent beschleunigt werden. Zeit- und Kosteneinsparung wären aber ebenso wichtig wie die Steigerung der Kundenzufriedenheit durch eine schnelle einwandfreie Schadenregulierung. Bei der Reparaturkostenkalkulation durch KI-Unterstützung anhand
von Schadenbildern hielten Teilnehmer der BGA es für besonders wichtig, auch Reparaturhinweise mit einzubinden. Die Berücksichtigung der Herstellervorgaben sei besonders wichtig, um den korrekten Reparaturweg zu kalkulieren und nicht nur theoretische Arbeitswerte zu ermitteln. ## CO2-Footprint wird im Reparaturprozess messbar und mit der Schadenkalkulation berechnet Natürlich beschäftigte die 43. BGA in München auch das Mega-Thema Nachhaltigkeit. Schon bei Vorstellung der Nachhaltigkeitsstrategie von Carglass durch Matthias Wittenberg (Leiter Key Account Management) und Jens Stäglin (Manager Pricing) entwickelte sich eine Diskussion über die Widersprüchlichkeit verschiedener Entwicklungen. Ein konkretes Beispiel: „Wären die Frontscheiben aufgrund der Reduzierung des Fahrzeuggewichtes bei E-Autos nicht so dünn, könnten wir auch mehr Autoglas reparieren, anstatt zu tauschen“, erklärte Matthias Wittenberg. Noch sei auch das Recycling von Autoglas insgesamt „ausbaufähig“. Dr. Ingo Blöink warf einen ganz anderen, innovativen Blick auf die nachhaltige Schadenkalkulation. „Derzeit beschäftigen sich nahezu alle Versicherungsgesellschaften mit der Erfassung ihrer CO2-Emissionen“, erklärte der Deutschland-Chef in München. Nach Angaben von Solera hat das Thema Nachhaltigkeit in der Kfz-Versicherungswirtschaft eine besonders hohe Relevanz. „Als erster Systemanbieter sind wir in der Lage, durch unseren Algorithmus den gesamten Weg der Nachhaltig zu analysieren“, betonte Dr. Ingo Blöink in München. „Wir haben den Lebenszyklus von Autoschäden von der Produktion von Ersatzteilen über den Transport, die Verwendung von Lacken und Materialien, den Instandsetzungsprozess bis hin zu Verwertung sowie Entsorgung erfasst und können den gesamten CO2-Footprint von Scope 1, 2 und 3 sichtbar machen“. Das Ziel lautet: In der Schadenkalkulation sollen künftig nicht nur die Reparaturkosten, sondern auch die CO2-Emissionen berechnet werden. „Solera ist das erste Unternehmen, das die ISO-Norm 14064 für Kfz-Schäden erfüllt“, hieß es bei der Tagung. „Jetzt geht es darum, diese Methode in Qapter zu integrieren.“ Eine erste Schadenkalkulation mit CO2-Emissionswerten wurde in München bereits vorgestellt. ## Mehr Offenheit für Dialog und Austausch Im Mittelpunkt der Talkrunde diskutierten dann Martin Schneider (HUK-Coburg), Gerald-Alexander Beese (SSV Schadenschutzverband / HDI Group), Betriebsinhaber und BFL-Vorstand Kay Dähn sowie Erik Jahn (Solera AUTOonline) darüber, wohin die Digitalisierung im Schadenmarkt führen wird. Einig war sich die Expertenrunde darin, dass es für alle an der Schadenregulierung beteiligten Parteien durch die verschiedenen digitalen Systeme Arbeitserleichterungen geben müsse. „Ganz sicher wird in Zukunft die Schadenkalkulation anhand von automatisierter Bilderkennung eine stärkere Rolle spielen“, erklärte Gerald-Alexander Beese. Für Kay Dähn ist entscheidend, dass „die Digitalisierung vor allem dafür sorgt, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlastet werden“. Dies sei derzeit durch die Handhabung verschiedener Systeme kaum gegeben. Erik Jahn stellte in Aussicht, dass man seitens Solera die verschiedenen Akteure bei der Entwicklung von digitalen Lösungen stärker einbindet. Auch die HUK-Coburg zeigte sich offen für den Dialog. Martin Schneider betonte, dass künftig verstärkt darauf zu achten sei, dass Daten dort in die Systeme einzugeben seien, wo sie entstünden. Das könnte den Aufwand in den Partnerwerkstätten tatsächlich entlasten. Denn egal welche Schritte in der Digitalisierung im Schadenmarkt noch folgen werden, eine Beschleunigung von Prozessen gibt es nur dann, wenn die Daten vollständig vorhanden sind und Kfz-Versicherern sowie Betrieben in notwendigem Umgang zur Verfügung stehen.
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