2023-01-18T12:45:07+0000

BGH-Urteil zu Desinfektionskosten – Was Werkstätten jetzt wissen sollten

Es ist wohl eine der Entscheidungen, die von Werkstätten, Sachverständigen, Versicherungsunternehmen und Anwälten gleichermaßen mit Spannung erwartet wurde: Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Desinfektionspauschale. Bereits am 13. Dezember 2022 wurde das Urteil (Aktenzeichen VI ZR 324/21) verkündet, nun liegt dieses auch im Volltext vor und ist einsehbar. ## Tatbestand – Worum ging es? In dem zu beurteilenden Fall ging es um eine Fahrzeugdesinfektion im Rahmen einer Schadenbegutachtung nach einem Verkehrsunfall, der sich am 2. Juni 2020 – also im ersten Pandemiejahr – ereignete. Wie der Urteilsschrift zu entnehmen ist, desinfizierte der beauftragte Kfz-Sachverständige relevante Fahrzeugteile, die kurzfristig berührt wurden (z.B. Lenkrad, Schalthebel, Türgriffe etc.) sowohl bei der Annahme als auch bei der Rückgabe. Kostenpunkt: 15 Euro netto. Der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer verweigerte die Zahlung dieser als „COVID-19-Schutzmaßnahmen“ ausgewiesenen Rechnungsposition. ## Vorinstanzliche Entscheidungen Der Fall landete zunächst vorm Amtsgericht, das der Klage stattgab. Nach Berufung der Beklagten beschäftigte sich in zweiter Instanz das Landgericht mit der Frage der Erstattungsfähigkeit. „Die Berufungsinstanz gab der Klage des Geschädigten auf Freistellung lediglich zur Hälfte statt, da nach Auffassung des Landgerichts nur die Desinfektionsarbeiten vor der Rückgabe an den Geschädigten/Auftraggeber des Gutachtens erstattungsfähig seien“, erklärt Rechtsanwalt Henning Hamann, Geschäftsführer der Kanzlei Voigt. Nachdem sowohl Kläger als auch Beklagte Revision einlegten, ging der Fall in nächster Instanz im Februar 2022 zum Bundesgerichtshof. ## So hat der BGH entschieden? Da die Entscheidungen der höchsten richterlichen Instanz in Deutschland als richtungsweisend gelten, wurde das Urteil des BGH in dieser Sache sehnlich erwartet. Rechtsexperte Henning Hamann fasst das Urteil wie folgt zusammen: „Der BGH hat die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und zur neuerlichen Entscheidung nach dorthin zurückverwiesen. Nach Auffassung des Senats kommt es im vorliegenden Fall, in dem der Geschädigte die Rechnung des Sachverständigen noch nicht beglichen hat, zur Beurteilung des schadenersatzrechtlichen Erstattungsanspruchs maßgeblich auf die werkvertragliche Beziehung zwischen dem Geschädigten/Auftraggeber und Sachverständigen/Auftragnehmer an.“ Heißt konkret: Es kommt eben nicht darauf an, ob die Desinfektionsmaßnahmen im Sinne des § 249 BGB erforderlich waren, sondern lediglich darauf, ob diese werkvertraglich geschuldet sind. Darüber hinaus stellt der BGH fest, dass sowohl die Wahl eines individuellen
Hygienekonzepts als auch die Berechnung der Desinfektionskosten als gesonderter Rechnungsposten allein dem Sachverständigen als Unternehmer zustehen. ## Was bedeutet das für Werkstätten? Doch was bedeutet diese Entscheidung nun für Werkstätten, die womöglich ebenfalls noch um die Erstattung von Desinfektionskosten kämpfen? Und vor allem: Ist eine Fahrzeugdesinfektion jetzt – auch vor dem Hintergrund des Wegfalls der Maskenpflicht im öffentlichen Nah- und Fernverkehr – überhaupt noch notwendig? Henning Hamann betont in diesem Zusammenhang: „Vom BGH kam leider kein grundsätzlicher Hinweis zu der Frage der Erstattungsfähigkeit von Desinfektionskosten der Werkstätten, wobei dort die gleichen Grundsätze anzusetzen sein dürften. Es gab auch keine Hinweise zur Höhe der jeweiligen Pauschale. Hier werden sich auch weiterhin Diskussionen in der Schadenregulierung zu Fällen aus dem vergangenen und teilweise vorvergangenem Jahr ergeben.“ ## Keine Desinfektionskostenerstattung für Unfälle ab Mitte 2022 Mit Blick auf künftig erhobene Desinfektionskosten gibt er zu bedenken: „Dass Gerichte keine Desinfektionskosten mehr zusprechen werden aus Unfällen, die sich ab diesem Jahr ereignen, scheint sicher und in Zeiten des Wechsels von einer pandemischen in eine endemische Lage auch richtig“, so der Experte. Tatsächlich machten verschiedene Gerichte inzwischen deutlich, dass für Unfälle ab Mitte 2022 keine Desinfektionskosten mehr zugesprochen werden. So heißt es in einer Entscheidung vom AG Coburg aus Dezember 2022: „Das Gericht sieht aufgrund der aktuellen Entwicklung der Pandemie, sowie des gesellschaftlichen Verhaltens seit dem Sommer keine Erforderlichkeit für erhöhte Hygienemaßnahmen mehr, sodass keine Erstattungsfähigkeit mehr besteht.“
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