2023-01-04T10:41:21+0000

Google Fonts: Anwalt und Mandant wegen Verdacht auf Abmahnbetrug und Erpressung verhaftet

Im Herbst vergangenen Jahres sorgte eine regelrechte Abmahnwelle auch in der K&L-Branche für Verunsicherung. Denn viele Karosserie- und Lackierbetriebe sowie Autohäuser erhielten wegen der dynamischen Nutzung lizenzfreier Schriftarten, sogenannter Google Fonts, Post vom Anwalt. Verbunden waren diese Schreiben – die vorrangig von zwei Anwaltskanzleien verschickt wurden – mit einer Unterlassungserklärung und Schadenersatzforderung von bis zu mehreren hundert Euro. ## Durchsuchung und Sicherstellung von Beweismitteln [Bereits Ende Oktober warnten der Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) sowie die Kanzlei Voigt davor, auf die Zahlungsforderung einzugehen.](https://schaden.news/de/article/link/43150/abmahnwelle-google-fonts-so-verhalten-sie-sich-richtig) Relativ schnell wurde auch die Justiz auf die Versender der Abmahnungen aufmerksam – auch weil insgesamt über 400 Empfänger der Abmahnschreiben Anzeige gegen den Rechtsanwalt erhoben haben. Im Dezember hat die Staatsanwaltschaft Berlin schließlich Anklage gegen den in Berlin ansässigen, 53-jährigen Rechtsanwalt und seinen 41-jährigen Mandanten erhoben und in diesem Rahmen kurz vor Weihnachten Räumlichkeiten in verschiedenen Bundesländern durchsucht. Wie der Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft zu entnehmen ist, besteht der Verdacht des „versuchten Abmahnbetruges und der versuchten Erpressung in mindestens 2.418 Fällen“. ## So sind die Beschuldigten vorgegangen Nach Angaben der Staatsanwaltschaft haben der Rechtsanwalt und der Mandant, in dessen Namen Schmerzensgeldforderungen wegen der Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gefordert wurden, über eine eigens programmierte Software Websites ermittelt, die Google Fonts nutzen. „In einem zweiten Schritt und wieder unter Nutzung einer dafür entwickelten Software sollen sie Webseiten-Besuche durch den beschuldigten 41 jährigen automatisiert vorgenommen, diese letztlich also fingiert haben. Die dann protokollierten Seitenaufrufe sollen die Grundlage für die Behauptung der datenschutzrechtlichen Verstöße und die Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen gewesen sein“, heißt es in der Pressemeldung. ## Über 340.000 Euro „erbeutet“ Wie die Staatsanwaltschaft weiter mitteilt, sei einer Verletzung der Persönlichkeitsrechte ausgeschlossen, da der Besuch der Webseiten automatisiert über eine Software erfolgte. Letztlich sei das bewusste Auslösen der IP-Adressen-Weitergabe in die USA sogar eine Einwilligung in die Datenübermittlung, „so dass eben gerade kein datenschutzrechtlicher Verstoß mehr gegeben war, der eine Abmahnung hätte begründen können.“ Dennoch hat das Vorgehen des Anwalts und seines Mandanten häufig zum Erfolg geführt. In über 2.000 Fällen hätten die Abgemahnten das „Vergleichsangebot“ aus Sorge vor einem Zivilverfahren angenommen und die geforderten 170 Euro gezahlt. Insgesamt hat die Staatsanwaltschaft zwei Arrestbeschlüsse mit einer Gesamtsumme von 346.000 Euro vollstreckt.
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