2022-12-21T09:48:43+0000

„Nach vorne schauen ist jetzt das A und O“

Gute Auftragslage bei angespannter Kosten- und Personalsituation – so beschrieben viele Gesprächspartner der schaden.news-Redaktion ihre aktuelle Situation in den letzten Wochen und Monaten. Doch wie ist das Jahr 2022 tatsächlich für die Lackier- und Karosseriebetriebe gelaufen? Wo lagen die größten Herausforderungen und wie bereiten sich die Betriebe auf das neue Jahr vor? Fünf Betriebsinhaberinnen und -inhaber aus Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern geben für die schaden.news einen Rück- und Ausblick. ## „Wir hatten ein super Jahr“ Im Familienbetrieb Spotrepair M. Süß im brandenburgischen Hohen Neuendorf bei Berlin fällt das Resümee über die vergangenen zwölf Monate sehr positiv aus. „Wir hatten ein super Jahr, unsere Kunden – bestehend aus Privatkunden und Autohäusern – sind uns trotz deutlicher Preiserhöhungen treu geblieben. Erst im letzten halben Jahr haben wir Lieferschwierigkeiten bei Ersatzteilen festgestellt. Betroffen sind davon vor allem Renault und Citröen“, fasst Melanie Süß, Tochter von Inhaber Michael Süß, zusammen, die sich in dem Familienbetrieb um die Buchhaltung kümmert. Dieser Umstand sorge zwar inzwischen für Reparaturverzögerungen, sei aber insofern nicht dramatisch, da über 90 Prozent der Fahrzeuge trotz Schaden weiterhin fahrtauglich sind, wie sie ausführt. Stärker beschäftigt hat den Familienbetrieb hingegen die massive Preissteigerung der Energiekosten. „Wir haben kurzfristig unsere Prozesse umgestellt und arbeiten jetzt zum Beispiel mit einem Highspeed-Klarlack, für den wir die Lackierkabine nur noch 5 bis 8 Minuten, statt bisher 10 bis 15 Minuten aufheizen müssen.“ Um hier auch langfristig energiesparend unterwegs zu sein, soll 2023 eine moderne Heizanlage verbaut werden. Und noch etwas plant das insgesamt sieben Mitarbeiter starke Unternehmen für das kommende Jahr: „Wir wollen jedem Mitarbeiter einmal im Monat freitags freigeben – ohne, dass dafür Urlaub oder Überstunden genommen werden müssen.“ Eine besondere Wertschätzung für die tägliche Leistung der Mitarbeiter und eine Maßnahme, um diese langfristig an den Betrieb zu binden. ## „Fehlende Ersatzteile sorgen für massive Störungen der Abläufe“ Ganz anders stellt sich die Ersatzteilsituation in Köln-Bickendorft bei der Itting GmbH dar. Hier sorgen die gestörten Lieferketten für massive Probleme, wie Geschäftsführerin Kim Adler, die den Betrieb in vierter Generation führt, gegenüber schaden.news erklärt: „Wir haben einfach keinen Platz mehr. Die fehlenden Ersatzteile sorgen für massive Störungen in den Werkstattabläufen. Es ist super schwierig, da den Überblick zu behalten – gerade im Bereich Controlling“, betont die 32-Jährige im Gespräch mit schaden.news. Zwar seien auch die Kostensteigerungen ein Problem, jedoch konnte der Familienbetrieb in diesem Punkt zumindest reagieren. „Durch Anpassungen im Prozess versuchen wir, Kosten und Energie einzusparen. Außerdem haben wir unterjährig unseren Stundensatz erhöht, haben Gespräche mit Versicherern und Steuerern geführt, die in der Regel sehr einsichtig waren.“ Eine Besserung der Situation erwartet Kim Adler im nächsten Jahr nicht, deshalb will sie gemeinsam mit einem externen Energieberater analysieren, wo und wie langfristig Energie eingespart werden kann und damit auch den CO2-Fußabdruck des Betriebes verbessern. Denn das Thema Nachhaltigkeit steht bereits seit einigen Jahren ganz oben auf der Agenda des Familienbetriebes. „Dazu zählt für mich
auch die Mitarbeiterausbildung und -bindung. Seit vielen Jahren bilden wir nicht nur aus, sondern übernehmen auch einen Großteil unserer Gesellen. Das ist für mich ganz wichtig, um auch in Zukunft fachgerecht reparieren zu können.“ ## „Wir gehen mit einem positiven Gefühl in das neue Jahr“ Für Lukas Auer, der mit seinem Vater gemeinsam das Lackier- und Karosseriezentrum Auer im bayrischen Straubing führt, ist der Rückblick auf 2022 überwiegend positiv. „Wir können uns nicht beschweren, sind gut ausgelastet und haben auch von der aktuellen Krankheitswelle so gut wie nichts mitbekommen“, berichtet der 28-Jährige gegenüber schaden.news. Die größte Herausforderung sei für ihn und sein Team in diesem Jahr – wie bei vielen anderen K&L-Betrieben – die angespannte Ersatzteilsituation gewesen. „In der Hinsicht bin ich allerdings froh, dass wir ein freier Betrieb sind und kein Markenbetrieb“, erläutert der junge Betriebsinhaber und führt aus, dass die Teileversorgung über einzelne Schadensteuerer oftmals besser funktioniere als über den OEM. „Auch hier zahlt sich unsere breite Aufstellung aus. Sowohl was die Geschäftsfelder betrifft, als auch die einzelnen Auftraggeber.“ So sei es dem Familienbetrieb, in dem derzeit rund zehn Mitarbeiter arbeiten, gelungen, in diesem Jahr ein solides Umsatzplus zu erwirtschaften. Auch das Thema Energiepreise hat die Franz Auer GmbH in den vergangenen Monaten stark beschäftigt. „Nach dem Brief von dem Energielieferanten mit einer saftigen Preiserhöhung waren wir erst einmal in Schockstarre – aber nur kurz“, erinnert sich Lukas Auer. Doch er ist ein Macher, einer, der immer vorausschaut und für den das Glas halbvoll ist und nicht halbleer. Deshalb besann man sich in dem Straubinger Unternehmen unter anderem, dass man noch einen „Dinosaurier“ nutzen könne – die Ölheizung mit einem 30.000-Liter-Tank. Nun können sich Lukas Auer und sein Team wieder auf das Kerngeschäft konzentrieren. Im kommenden Jahr soll eine neue Halle gebaut werden. „Wir haben gerade durch Corona einen Boom hinsichtlich des Caravangeschäfts gespürt. Dafür brauchen wir aber Platz.“ Deshalb der Anbau, in dem auch eine Mechanik-Abteilung und ein Alu-Arbeitsplatz untergebracht werden soll. „Dadurch stabilisieren wir auch die vierte Säule in unserem Geschäftsportfolio und stellen uns noch breiter auf.“ Dem Geschäftsführer zufolge generiert der Betrieb seine Umsätze je zu einem Viertel aus Schadensteuerung, Autohäusern, Privatkundengeschäft sowie Caravan- und Industrielackierung. Lukas Auer betont: „Wir gehen mit einem positiven Gefühl in das neue Jahr.“ ## „Der COVID-Status muss ad acta gelegt werden“ Breit aufgestellt ist auch die Werner Bollwinkel GmbH in Bremen. Das rund 50 Mitarbeiter starke Team von Geschäftsführer Torsten Stüting setzt neben Pkw auch Elektrofahrzeuge und Freizeitmobile instand. Zwar waren die „Unterbrechungen der Lieferketten und die daraus resultierenden Leihwagenengpässe eine enorme Herausforderung für das gesamte Team“, fasst Torsten Stüting zusammen, sehr viel mehr beschäftigten den Inhaber jedoch Personalausfälle. „Die größten Herausforderungen waren grundsätzlich der Personalmangel durch Krankheit, wie auch im Bedarfsfall der Wegfall einiger Arbeitnehmer durch Krankheiten der Kinder und den extremen Schulausfällen durch die COVID-Erkrankungen. Wir haben versucht diese durch Leiharbeiter und Mehrarbeit über Überstunden zu kompensieren. Dadurch entstanden Urlaubsverschiebungen und teils Langzeit-Personalvertretungen, welche durch das Team und unsere Familie ausgeglichen werden mussten“, betont er. Hier gibt
es aus seiner Sicht auf jeden Fall auch Handlungsbedarf von Seiten der Politik: „Die Krankenstände zu ändern ist ein Problem und da sollte sich auch die Politik einschalten. Der COVID-Status muss ad acta gelegt werden, so kann es im Berufsleben nicht weitergehen, dann fährt die Wirtschaft gegen die Wand.“ Zwar würden sich auch die Lieferengpässe, der Fachkräftemangel und die hohen Energiepreise im nächsten Jahr nicht in Luft auflösen, jedoch könnten Unternehmer laut Torsten Stüting darauf deutlich besser selbst reagieren. „Es liegt an uns Handwerksbetrieben, die Ressourcen zu schonen und mehr instand zu setzen. Den Fachkräftemangel können wir selbst steuern, indem einfach wieder mehr ausgebildet wird.“ 2023 steht in Bremen erneut das Thema Nachhaltigkeit im Fokus, dahingehend sollen auch die Mitarbeiter weiter sensibilisiert werden. Zudem sind weitere Investitionen in dem Bereich geplant sowie das Nachrüsten von Photovoltaik-Anlagen. ## „Wir Betriebe sollten uns wieder mehr auf unser Handwerk konzentrieren“ Erst kürzlich hat der Betrieb Lau in Schönberg (Mecklenburg-Vorpommern) sein Motto „Alles wird gut“ durch „Alles ist gut“ ersetzt. „Wir sollten uns auf das besinnen, was wir haben und diese positive Stimmung auch nach außen tragen“, begründet Inhaber Andreas Lau. Der 51-Jährige und sein Team haben in diesem Jahr vor allem mit den Energie- und Materialpreissteigerungen zu kämpfen gehabt. „Dabei hatten wir im Jahr zuvor gerade erst geschafft, erhebliche Energieeinsparungen umzusetzen, was dann kurzfristig den Ausgleich brachte. Aber nun haben sich die Energiekosten verzehnfacht. Das kann niemand kompensieren“, berichtet Andreas Lau. Er beobachte auch, dass die Preisspirale sich immer weiter drehe und vermutet, dass dies auch im kommenden Jahr nicht enden werde. Umso wichtiger sei es, jetzt zu schauen, dass man als K&L-Betrieb sondiert, mit welchen Kunden man tatsächlich Geld verdient. „Dafür ist es entscheidend, täglich seinen Zahlen im Blick zu haben“, fügt der Unternehmer hinzu. Zudem plant er im kommenden Jahr, seine Kundenannahme mit mehr Kaufleuten zu besetzen, um die Kalkulation der Schäden noch weiter zu optimieren und das Thema Digitalisierung genau dort einzusetzen, wo sie wirklich Effizienz bringt. „Unsere Handwerker sollten sich hingegen auf ihr Kerngeschäft konzentrieren: Zum einen auf das Handwerk, zum anderen auf neue Technologien, die für unser Geschäftsfeld in den kommenden Jahren essenziell werden.“ Dafür werde auch im kommenden Jahr das Schulungszentrum, das der Betrieb in rund 200 Meter vom Standort entfernt gegründet hat, vom Team der Lau GmbH genutzt werden. Andreas Lau fasst zusammen: „Nach vorn schauen ist jetzt das A und O.“
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