2022-11-09T11:37:36+0000

Wo steht der Markt?

Das Jahresende ist in Sichtweite. Viele Betriebsinhaber werden wohl froh sein, wenn das Jahr 2022 endlich vorbei ist. Das ewige Hin und Her im Markt, die starken Kostensteigerungen und immer wieder eine zermürbende Frage: Wie geht es bloß weiter? Derzeit scheint es so, als habe sich der Schadenmarkt an diese Situation gewöhnt. „Die Netzwerke und auch die gesamte Branche laufen momentan ruhiger und stabiler als in der ersten Hälfte des Jahres“, analysiert Erik Jahn im Gespräch mit schaden.news die aktuelle Lage. Erik Jahn ist Mitglied der Geschäftsleitung von Solera Audatex AUTOonline Deutschland und hat für die Redaktion einen Blick in die Statistik des Datendienstleisters und Systemanbieters geworfen. Seine Analyse: „Der Gebrauchtwagenmarkt ist immer noch sehr schwach, die Wiederbeschaffungswerte demzufolge nach wie vor hoch, sodass heute häufiger als früher auch schwere Unfallschäden repariert werden.“ Eine Aussage, die von vielen Betrieben im Gespräch mit schaden.news bestätigt wird. Denn die schlechte Verfügbarkeit von Neu- und Gebrauchtwagen, aber auch Inflationsängste lassen die Reparaturquote im Unfallschadenmarkt steigen. ## Auslastung hoch, Reparaturkosten gestiegen Dennoch ist das Reparaturvolumen nach Analyse von Solera Audatex AUTOonline noch nicht wieder zurück auf Vorkrisenniveau. „Vergleicht man die Schadenkalkulationen im Januar 2020 mit den aktuellen Werten, dann zeigt sich, dass wir wohl noch ungefähr zehn Prozent unter dem Niveau vor Ausbruch der Pandemie liegen“, erklärt Erik Jahn. Sein Blick auf die aktuelle Entwicklung zeigt zudem noch einen anderen Trend: „Die Reparaturkosten sind im Durchschnitt um zehn Prozent gestiegen.“ Aus den Betrieben hört man derweil landauf, landab, dass die Auslastung recht hoch sei. „Arbeit gibt es genug, aber Mitarbeiter fehlen“, lautet die Lagebeschreibung. [Schon im August zeichnete sich diese Situation in den Ergebnissen der Konjunktur- und Stimmungsumfrage von schaden.news ab.](https://www.schaden.news/de/article/link/43025/auswertung-konjunkturumfrage-jun22_auswertung_umsatz) Erik Jahn schätzt, dass die hohe Auslastung in den Reparaturfachbetrieben weniger am Reparaturaufkommen liegt, sondern vielmehr an den fehlenden Fachkräften. „Der anhaltende Fachkräftemangel und ein hoher Krankenstand werden zum dauerhaften Problem für die verfügbare Reparaturkapazität im gesamten Mark.“ Auch Prozessstörungen wie Lieferengpässe bei Ersatzteilen sorgen für Auftragsstau. Zwar habe sich die Situation laut Einschätzung von Erik Jahn verbessert, doch nur leicht und nur bei einigen Volumenmodellen. ## Riparo, Service Partner Netzwerk (SPN) und Innovation Group passen Stundensätze an Blickt man auf die Reparaturkosten, tragen vor allem die [erneut massiv gestiegenen Ersatzteilpreise](https://www.schaden.news/de/article/link/43110/gdv-2022-preise-fuer-ersatzteile-erneut-gestiegen) und die Verteuerung der Werkstattleistungen zur Kostensteigerung bei. Die [kräftige Erhöhung der Stundensätze für Karosserie- und Lackierarbeiten in den Partnerwerkstätten der HUK-Coburg](https://www.schaden.news/de/article/link/43144/schadensteuerung-huk-erhoeht-stundensaetze-kraeftig) war dabei offensichtlich ein Signal für den gesamten Markt. Denn jetzt ziehen einige Schadenmanager nach. Gegenüber schaden.news erklärte Jürgen Schmidt, Geschäftsführer des Schadensteuerers riparo: „Die Erhöhung der Stundenverrechnungssätze durch die HUK-Coburg ist angesichts der angespannten Kostensituation angebracht. Auch bei riparo wurden und werden die Stundensätze der Werkstattpartner angepasst.“ Doch riparo geht anders vor als der größte deutsche Kfz-
Versicherer. In Holzgerlingen verhandelt man mit den Betrieben individuell. Warum? „Weil nach unseren Informationen die Werkstattpartner vor allem bei den Energiekosten unterschiedlich stark betroffen sind, haben wir uns gegen eine pauschale Erhöhung für alle in gleicher Höhe entschieden. Wir klären den Bedarf in Einzelgesprächen mit dem jeweiligen Werkstattpartner“, begründet Jürgen Schmidt. [Schon beim Schadentalk während der Automechanika sprach er sich für dieses Vorgehen aus. Auch Michael Messmann (LVM Versicherung) und Bernd Wirtz (Provinzial Rheinland) verfolgen diese Strategie, die schon Mitte September in Frankfurt diskutiert wurde. ](https://www.schaden.news/de/article/link/43090/statements-versicherer-und-steuerer-schadentalk-automechanika) Ähnlich geht auch der Schadensteuerer SPN vor. Die Geschäftsführerin Dimitra Theocharidou-Sohns erklärt gegenüber schaden.news: „Wir bei der SPN führen laufend Gespräche mit unseren Service Partnern und sind im ständigen Austausch über notwendige Anpassungen der Stundenverrechnungssätze.“ Seit Beginn des Jahres sei man bereits fortlaufend in individuellen Gesprächen. „Gerade bei unseren mittelständig geprägten Partnerstandorten ist eine veränderte Preisstruktur unabdingbar, um den aktuellen Rahmenbedingungen gerecht werden zu können.“ SPN sieht aber auch die Partnerwerkstätten in der Pflicht: „Die Betriebe sind gefordert, die eigenen Unternehmensabläufe neu auszurichten und sich den veränderten Bedingungen entsprechend anzupassen.“ Eine Anpassung der Stundensätze hält auch der [Schadenlenker Innovation Group für notwendig, der kürzlich von der Allianz Versicherung übernommen wurde](https://www.schaden.news/de/article/link/43121/schadenmarkt-allianz-uebernimmt-innovation-group-vollstaendig). In einer Stellungnahme auf Anfrage der Redaktion heißt es: „Wir möchten die Preispolitik einzelner Mitbewerber nicht kommentieren, aber wir teilen die allgemeine Meinung im Markt, dass aufgrund der aktuellen Marktsituation eine weitere Anpassung in diesem Jahr notwendig sein wird. Die Netzentwickler befinden sich bereits in Gesprächen mit unseren Werkstatt-Partnern. Erhöhungen bewegen sich in einem ähnlichen Rahmen wie bei anderen großen Auftraggebern.“ Fazit: Der gesamte Markt scheint sich bei den Stundensätzen aufwärtszubewegen – das ist zumindest im gesteuerten Schadengeschäft absehbar. ## „Betriebsoptimierung und cloudbasierte Schadenkalkulation wird noch wichtiger“ Erik Jahn rechnet wie viele andere Branchenkenner nicht damit, dass sich die Energie- und Materialkosten wieder auf ein „normales Vorkrisenniveau“ einpendeln werden. Auch deshalb geht er davon aus, dass die Optimierung der Betriebsabläufe und die Kenntnis über aktuelle betriebliche Kennzahlen künftig noch wichtiger wird. „Wir gehen daher mit einer Produktoffensive in den Markt, um K&L-Werkstätten webbasierte Lösungen zu bieten“, erklärt Erik Jahn. „Dabei haben wir auch die Beschleunigung und Automatisierung von Prozessschritten im Fokus, um Engpässe bei den Reparaturkapazitäten aufzufangen.“ [Solera Audatex AUTOonline hatte während der Automechanika in Frankfurt angekündigt, dass der neue cloudbasierte Plan-Manager das Schadenkalkulationssystem Carisma ablösen wird.](https://www.schaden.news/de/article/link/43063/automechanika-2022-video-interview-audatex) Damit will man beim Softwarespezialisten die IT-Infrastruktur der Werkstätten modernisieren. Erik Jahn: „Betriebsoptimierung und cloudbasierte Schadenkalkulation werden in Zukunft noch wichtiger denn je.“ Auch weil Betriebsinhaber und Schadendienstleister davon ausgehen, dass die Zeiten im Schadenmarkt weiter unruhig bleiben werden.
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