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2022-10-26T10:53:56+0000

„Die Sehnsucht nach dem Handwerk war einfach zu groß“

Verdecke, Sitzbänke, Türverkleidungen, Teppiche, Polster, Armaturen: Das ist die Welt von Antje Töbermann. Die Oldenburgerin ist Autosattlerin aus Leidenschaft. „Ich hauche den Fahrzeugen sozusagen Leben ein. Gerade Oldtimer sind ja quasi nackt, wenn sie zu uns kommen“, erklärt sie. Zu ihrem Job kam Antje Töbermann durch ein Praktikum direkt nach der Realschule. In der Autosattlerei Mönnich in Oldenburg, in dem sie auch heute als Gesellin arbeitet, fand sie sofort Gefallen an dem Beruf. „Bis zu meiner Ausbildung in der Werkstatt haben hier auch nur Männer gearbeitet“, berichtet sie. Für Antje Töbermann war das noch ein Grund mehr, sich den Herausforderungen zu stellen. „Als Frau gibt man ja sowieso nochmal mehr Gas, weil man zeigen möchte, dass man etwas draufhat.“ Aus ihrer Berufsschulzeit in Bremen kennt sie auch noch die eine oder andere Autosattlerin, die dem Handwerk im klassischen Mittelstand treu geblieben ist. Viele, so weiß auch Antje Töbermann, gehen in die Industrie und arbeiten direkt beim Zulieferer. ## Männer- oder Frauendomäne? Doch egal ob Männer oder Frauen: „Bei uns sitzt jeder an der Nähmaschine.“ Sie selbst schätzt die Vielseitigkeit an dem Beruf, die unterschiedlichen Materialien. Diese Vielfältigkeit ziehe sich durch das komplette Berufsbild: „Wir müssen ein bisschen auch Tischler und Karosseriebauer sein. Schließlich gilt es, nach der getanen Arbeit das Fahrzeug im fachgerechten Zustand an das nächste Gewerk abzugeben“, betont Antje Töbermann. ## „Die Sehnsucht nach dem Handwerk war zu groß“ Zwischenzeitlich war die heute 36-Jährige nach ihrer Lehre auch noch als Immobilienkauffrau unterwegs, wofür sie ebenfalls eine Ausbildung absolvierte. Doch die Sehnsucht nach dem Handwerk war zu groß. So kehrte Antje Töbermann zurück in ihren Ausbildungsbetrieb. „Mir fehlt es, wenn ich nichts mit den Händen erschaffen kann“, beschreibt sie ihre Liebe zum Handwerk. Und das ist eines, das in Deutschland nicht ganz so verbreitet ist. So lag der Gesamt-Lehrlingsbestand für Fahrzeugsattler 2021 laut dem Zentralverband des Deutschen Handwerks bei 171 Auszubildenden. Zum Vergleich: Im gleichen Jahr gab es 4.347 Fahrzeuglackier-Azubis und 3.698 Auszubildende in den beiden Fachrichtungen bei der Ausbildung zum Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker. ## Sowohl Neufahrzeuge als auch Oldtimer Der Betrieb, in dem Antje Töbermann arbeitet, wird in dritter Generation geführt. Hier hat man damals angefangen, Kutschen zu satteln, bevor dann die ersten Fahrzeuge in die Werkstatt rollten. Heute arbeitet Antje Töbermann gemeinsam mit ihrem Chef Dirk Mönnich sowie einem weiteren Kollegen sowohl an Neu- als auch Oldtimerfahrzeugen. Während die neuen Autos meist höherklassiger Marken nach drei Tagen schon wieder weg sind, bleibt so manches klassische Schätzchen schon mal länger im Betrieb. „Besonders diese Klassiker wachsen mir manchmal regelrecht ans Herz“, beschreibt Antje Töbermann, da es sich dabei oft um längerfristige Projekte handelt. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr ein Aston Martin sowie zwei Maybach Zeppelin, die sie neu ausstatten durfte und denen sie durch Zuschneiden, Nähen und Tackern ein Stück weit Leben eingehaucht hat.
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