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2022-08-24T13:46:23+0000

Gasumlagen und Preisexplosion sorgen für noch nie dagewesene Kostenbelastung

Für viele Betriebsinhaber wird es in diesem Jahr sicher ein ganz heißer Herbst. Die extrem steigenden Energiepreise, die neuen Gasumlagen und die Aussicht bei Vertragsende vielleicht in die superteure Grundversorgung zu rutschen treibt Schweißperlen auf die Stirn. Was öffentlich bisher kaum beachtet wird: Es ist nicht nur die eine Gasumlage, die ab 1. Oktober fällig wird, es sind insgesamt gleich drei Umlagen. Und auch der Arbeitspreis steigt und steigt und steigt. Nach Angaben von e-Optimum von 1,7 ct pro Kilowattstunde (kWh) im Jahr 2020 auf 11,53 ct bis Ende 2021. Heute haben Betriebe Glück, wenn sie Verträge mit 17 ct pro kWh abschließen können. Mancherorts gibt es derzeit nach Vertragsende überhaupt keinen Anbieter mehr, der Neukunden aufnimmt und die Inhaber müssen mit ihrer Werkstatt in die teilweise bis zu 30 ct-teure Grundversorgung. ## Wie ist die Ausgangslage der neuen Gasumlagen? In der vergangenen Woche hat die Bundesregierung die Höhe der Gasbeschaffungsumlage festgelegt: Pro verbrauchter Kilowattstunde werden ab Oktober 2,419 Cent auf den regulären Gaspreis draufgeschlagen. Die Umlage soll ab Anfang Oktober greifen und Gasimporteuren wie Uniper zugute kommen, die zu hohen Preisen Ersatz für ausbleibende Gasmengen aus Russland kaufen müssen. Was derzeit öffentlich kaum Beachtung findet, aber zu weiteren Kostenaufschlägen führen wird: Zusätzlich gilt ebenfalls ab Oktober für Privat- und Firmenkunden noch eine sogenannte Gasspeicherumlage. Diese soll Kosten, die die Trading Hub Europe zur Einspeicherung im öffentlichen Interesse aufwendet, ebenfalls umlegen. Mit 0,059 Cent pro kWh wird sie jedoch geringer ausfallen als die Gasspeicherumlage. Nicht zuletzt gibt es aber für Privatkunden und kleinere Unternehmen eine Regelenergieumlage von 0,57 Cent pro kWh. ## Wie stark sind kleine, mittlere und große Betriebe von den Kosten betroffen? schaden.news hat sich die realen Jahresverbräuche an Gas von einem kleinen sowie einem mittelgroßen Betrieb und einer Werkstattgruppe mit mehreren Standorten angesehen und die Mehrkosten dementsprechend berechnet: Bei einem kleinen, mittelständischen Betrieb mit sechs produktiven Mitarbeitern liegt der Jahresverbrauch an Gas in unserem Beispiel bei 116.192 Kilowattstunden. Die Gasbeschaffungsumlage von 2,419 Cent pro Kilowattstunde (netto) würde Betriebe in dieser Größe somit 2.788 Euro (netto) mehr kosten. Hinzu könnte im Windschatten dieser Gasbeschaffungsumlage auch noch eine Gasspeicherumlage kommen. Deren Höhe soll 0,059 Cent pro Kilowattstunde (netto) betragen. Somit wären das in diesem Rechenbeispiel noch einmal 68,55 Euro (netto) mehr auf die reguläre Rechnung auf verbrauchtes Gas. Einen weiteren Aufschlag auf den Preis gibt es durch die Regelenergieumlage in Höhe von 0,57 Cent pro Kilowattstunde. Macht multipliziert mit dem Jahresverbrauch 662,29 Euro. Insgesamt hat der Betrieb also Mehrkosten in Höhe von 3.518,84 Euro pro Jahr zu bewältigen.
Noch drastischer fallen die Mehrkosten bei einem mittelgroßen Betrieb mit rund 30 Mitarbeitern aus: Hier werden nach Berechnungen von Jürgen Sterzik, Vertriebsleiter Lackieranlagen bei WOLF, pro Jahr 214.500 Kilowattstunden verbraucht. Für die Gasbeschaffungsumlage fallen somit 5.188,76 Euro Mehrkosten an. Für die Gasspeicherumlage sind 126,56 Euro fällig. Durch die Regelenergieumlage kommen noch einmal 1.222,65 Euro dazu. Die jährlichen zusätzlichen Kosten belaufen sich auf 6.537,97 Euro. Bei einem sehr großen Unternehmen mit mehreren K&L Standorten und rund 2 Millionen kWh wird es richtig teuer. So beträgt die Kostensteigerung durch die Gasumlage alleine 48.380 Euro plus Gasspeicherumlage. Ob auch die Regelenergieumlage hinzukommt, ist aufgrund des hohen Verbrauchs unklar. Besonders schwierig ist die Situation für die Unternehmer auch deshalb, weil es keinerlei Planungssicherheit gibt. Denn laut Trading Hub Europe (THE) werden die Umlagen aller drei Monate neu berechnet und könnten dann gegebenenfalls noch steigen oder auch sinken. ## Gewerbe-Gaspreis um 119 Prozent angestiegen Und all das, nachdem die Kosten für Gas im Jahresverlauf ohnehin schon explodiert sind. Bereits Ende 2021 stieg der Großhandelspreis für Gas extrem an, der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine im Februar dieses Jahres verschärft die Situation seitdem nahezu täglich. Laut dem Vergleichsportal Verivox lag der durchschnittliche Gaspreis für Gewerbekunden in diesem Jahr bei 10,64 Cent Cent pro Kilowattstunde (bei einem Jahresverbrauch von 90.000 kWh). Rechnet man das auf den kleinen Betrieb mit sechs produktiven Mitarbeitern um, bedeutet das einen Jahresabschlag von 12.362 Euro. Zum Vergleich: Im Durchschnitt lag der Gewerbegas-Preis 2021 bei 4,85 Cent, was einem Jahresabschlag von 5.635 Euro entsprochen hätte. ## Branchenverbände schlagen Alarm Angesichts dieser Entwicklungen schlagen die Verbände im Unfallschadenmarkt erneut Alarm: Der Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) empfiehlt seinen Mitgliedsbetrieben in einem aktuellen Newsletter, den betriebsindividuellen Stundenverrechnungssatz (SVS) um die Gasumlage und den Heizöl- sowie Strompreis im Aushang und im Geschäft mit gelenkten Versicherungs- Kaskoschäden anzupassen, „damit dies in Kombination mit den steigenden Energiepreisen nicht zwangsläufig für die Betriebe zu schlechteren Renditen […] führt.“ ## ZKF gibt Hilfestellung zur Berechnung des eigenen Stundensatzes Zur Berechnung des eigenen Stundensatzes gibt der Verband seinen Mitgliedsbetrieben das ZKF-Schema zur betriebsindividuellen Berechnung des Stundenverrechnungssatzes zur Kalkulation des einzelnen Auftrags oder der Dienstleistung als Hilfestellung an die Hand. Diese individuelle Berechnung sei wirtschaftliche Grundlage für Betriebe im Karosserie- und Fahrzeugbau, um alle Kosten zu decken, ausreichend Renditen zu erwirtschaften, Rücklagen und Investitionen zu bilden sowie Liquiditätsreserven zu schaffen. „Dies ist für Betriebe überlebenswichtig, um zahlungsfähig zu bleiben“, erklärte ZKF Hauptgeschäftsführer Thomas Aukamm[ in einer aktuellen Pressemitteilung](https://schaden.news/download/link/p0qx) . Gleichzeitig fordert der Zentralverband die marktbestimmenden Schadenlenker auf, eigene Berechnungen anzustellen, was diese Umlagen und die erhöhten Energie- und Personalkosten für die Betriebe bedeutet und danach an ihren vorgegebenen „Eckwerten“ nachzubessern. ## BVdP will, dass Schadensteuerer sich von „Lackmaterial inklusive“ verabschieden Auch der Bundesverband der Partnerwerkstätten (BVdP) nahm die Entscheidung über die Höhe der Gasumlage in der vergangenen Woche offensichtlich noch einmal zum
Anlass, um auf die prekäre Situation der Betriebe hinzuweisen. Dabei seien nicht nur die explodierenden Energiekosten Schuld am Kostendruck, „sondern eine Vielzahl weiterer Faktoren, die sich bei den Schadensteuerungsbetrieben auf der Kostenseite niederschlagen, die ein wirtschaftlich rentables Arbeiten zusehends in Frage stellen und die dabei die Liquidität zunehmend aufzehren“, [heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung des Verbandes](https://schaden.news/download/link/gZZ1 ). Zu diesen Faktoren gehören nach Ansicht des BVdP unter anderem auch Kosten, die für Lohn und Qualifizierung der Mitarbeiter, Lieferungen und Dienstleistungen, Ersatzteillieferungen und Lackmaterial sowie Lackzubehör sowie für Digitalisierung und Mobilität anfallen. All diese Faktoren dürften nicht mehr isoliert voneinander betrachtet, sondern müssten zwingend vollumfänglich analysiert und gelöst werden. „Wenn hier weiterhin nur auf Teilbereiche reagiert wird, dann wird das nicht nur für die Schadensteuerung schwerwiegende Folgen nach sich ziehen“, erklärte der Verband. Dabei gebe es durchaus Handlungsfelder für einen konstruktiven Anfang: „Wenn wir uns vom Modell ‚Lackmaterial inklusive‘ verabschieden und das Zeitintervall für die Kooperationsgespräche, aus denen Lösungen kommen müssen, bei Bedarf flexibel verkürzen, dann ist in einem ersten Schritt schon viel geholfen.“
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